Viele kleine Unternehmen und Selbstständige in Deutschland sind deutlich schlechter abgesichert, als sie glauben. 70 Prozent der Betriebe weisen relevante Versicherungslücken auf. Für Vermittler eröffnet sich damit ein enormes, aber auch dringliches Beratungsfeld.
Sieben von zehn kleinen Unternehmen in Deutschland weisen erhebliche Versicherungslücken auf. Das geht aus dem aktuellen Hiscox Global Protection Gap Report hervor. Die internationale Studie bewertet nicht nur, welche Policen vorhanden sind, sondern welche Versicherungen die Unternehmen tatsächlich benötigen würden, basierend auf Branche, Geschäftsmodell und Risikoprofil. Der Schutz soll also objektiv orientiert sein, nicht an subjektiven Einschätzungen der Betriebe.
Im internationalen Vergleich schneidet Deutschland trotz allem etwas besser ab:
- Deutschland: 70 Prozent Versicherungslücke
- Globaler Durchschnitt: 74 Prozent
- Portugal: 70 Prozent
- Großbritannien, Frankreich, Spanien: 74 Prozent
- USA: 77 Prozent
„Etwas besser als der Durchschnitt“ ist jedoch kaum ein Grund zur Entwarnung. Vielmehr verdeutlichen die Zahlen, dass ein strukturelles Problem existiert, das in allen westlichen Märkten ähnlich ausgeprägt ist: Kleine Unternehmen unterschätzen systematisch ihre Risiken und überschätzen gleichzeitig die Schutzwirkung ihrer bestehenden Policen.
Die größten Lücken: Haftpflicht und Cyber
Der Report zeigt besonders deutliche Versorgungslücken in drei Bereichen: Berufshaftpflicht, Betriebshaftpflicht und Cyberversicherung. Mehr als ein Viertel der deutschen KMU verfügt nicht über eine Berufshaftpflicht, obwohl das Risiko aufgrund ihrer Tätigkeit objektiv notwendig wäre. International liegt die Lücke bei 25 Prozent. In Frankreich sind es sogar bei 33 Prozent.
Noch kritischer wird es bei der Betriebshaftpflicht. 29 Prozent der deutschen Unternehmen, die sie eigentlich benötigen, haben sie nicht abgeschlossen. Die internationale Lücke liegt bei 27 Prozent. Spitzenreiter im Negativranking ist Spanien mit 37 Prozent.
Besonders widersprüchlich ist die Situation im Cyberbereich. 30 Prozent der deutschen KMU benötigen eine Cyberversicherung, haben aber keine abgeschlossen. International liegt die Lücke bei 27 Prozent; in UK sogar bei 37 Prozent. Und das, obwohl viele Kleinunternehmen längst digitaler arbeiten als in der Vergangenheit. Während die Risiken durch E-Commerce, digitale Kundendaten, Cloud-Dienste und online angebundene Geräte stetig steigen, bleibt der Versicherungsschutz zurück.
Warum die Lücken so groß sind
Der Report zeigt klar, dass die Lücken nicht aus bösem Willen oder Sparsamkeit entstehen. Vielmehr ist es ein Mix aus Wissensdefiziten, Fehleinschätzungen und fehlender Aktualisierung:
- Manche Policen fehlen vollständig.
- Andere sind veraltet oder greifen nicht mehr bei modernen Risiken.
- Viele Unternehmer glauben fälschlicherweise, bereits ausreichend geschützt zu sein.
- Die Dynamik der Digitalisierung überholt vorhandene Versicherungsstrukturen.
Zudem haben KMU selten eigene Risk-Management-Abteilungen. Versicherungsvermittlung ist daher oft die einzige professionelle Beratung, die sie zu Risiko- und Deckungsfragen erhalten. Für Makler bedeutet das eine klare Chance und Verantwortung zugleich. Sie können die Lücken gezielt identifizieren, aufklären und passende Lösungen platzieren, bevor ein Schadenfall eintritt. Denn die Zahlen des Reports belegen, dass bei kleinen Unternehmen keine Luxuslücken existieren, sondern gravierende Versorgungslücken in Bereichen, die über das Überleben eines Unternehmens entscheiden können. Für Vermittler ist das ein starkes Argument, Beratung noch stärker an Risikoanalysen auszurichten.
„Versicherungslücken haben viele Ursachen und können sich einschleichen, wenn z.B. einzelne Projektaufträge signifikant größer werden oder Material-, Lohn- und Wiederbeschaffungskosten steigen, Policen aber unverändert bleiben. Wer heute mit Summen von gestern versichert, riskiert im Schadenfall ein schmerzhaftes Erwachen“, erklärt Tobias Wenhart, Director Marketing, Product & Digital Channels bei Hiscox. „Mindestens jährlich ist ein strukturierter Policen-Check mit aktualisierten Neuwerten, Index- oder Wertzuschlagsklauseln und ein Blick auf die Betriebsunterbrechung unerlässlich. Der beste Zeitpunkt dafür ist immer vor dem Schaden, nicht danach.“