Allianz verändert Kfz-Versicherung: Fahrerassistenzsysteme sollen zum neuen Tariffaktor werden

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Die Allianz will bei der Kfz-Versicherung künftig stärker danach bewerten, wie gut Fahrerassistenzsysteme Unfälle vermeiden. Ein neues „Safety Scoring Model“ soll dafür sorgen, dass sichere Fahrzeuge deutlich günstigere Tarife erhalten.

Mit der zunehmenden Verbreitung autonomer Fahrfunktionen bereitet sich die Allianz auf eine Neuausrichtung ihrer Kfz-Versicherung vor. Künftig sollen die Beiträge stärker davon abhängen, wie gut Fahrerassistenzsysteme Unfälle verhindern, statt wie bisher von Fahrzeugklasse oder Fahrerverhalten.

Klaus-Peter Röhler, Vorstandsmitglied der Allianz, betonte auf dem Allianz Motor Day, dass die herkömmliche Fahrzeugklassifizierung, die auf historischer Schadenhäufigkeit beruht, „nach und nach an Bedeutung verlieren“ werde. Stattdessen will der Versicherer die Fähigkeit von Fahrerassistenzsystemen (FAS) zur Unfallvermeidung stärker in die Beitragsberechnung einbeziehen.

Die Relevanz dieser Neuausrichtung wird durch Studienergebnisse und eigene Schadendaten der Allianz belegt. Demnach liegen dem Unternehmen Daten aus Studien vor, die belegen, dass Fahrerassistenzsysteme bis zu 85 Prozent der Auffahr-, Spurwechsel- und Kreuzungsunfälle verhindert werden könnten. Zudem verzeichneten Fahrzeuge mit automatischem Notbremsassistenten beim Rückwärtsfahren in der Allianz-Analyse bis zu 66 Prozent weniger Rangierunfälle.

Um diese Effekte in der Preisgestaltung abzubilden, entwickelt der Versicherer derzeit ein „Safety Scoring Model“, das die technische Sicherheitsleistung eines Fahrzeugs auf Basis realer Testdaten und Schadenerfahrungen bewertet. Röhler prognostiziert: Fahrzeuge mit überdurchschnittlicher Systemsicherheit sollen langfristig günstigere Tarife erhalten, was eine „genauere und zukunftsorientiertere Grundlage für die Festlegung von Versicherungsprämien“ schafft.

Schäden werden seltener, aber teurer

Langfristig erwartet die Allianz durch autonomes Fahren eine signifikante Reduktion der Unfallzahlen: bis 2035 um 20 Prozent in Europa und ab 2060 um mehr als 50 Prozent. Allerdings warnte Lucie Bakker, Schadenchefin der Allianz, dass die einzelnen Schäden aufgrund der Komplexität und der teuren Ersatzteile autonomer Fahrzeuge teurer werden. Dennoch rechnet sie mit einer Entlastung der Endkunden: „Ich glaube, dass die Versicherung von autonomen Fahrzeugen günstiger sein wird“, erklärte Bakker gegenüber dem "Handelsblatt". Sie sieht Prämien in der Größenordnung von 70 bis 80 Prozent des heutigen Stands.

Damit diese Vorteile für Kunden realisierbar sind, fordert die Allianz mehr und einheitlichere Sicherheitsstandards. Der Vorschlag: Ein EU-weiter „Führerschein“ für autonome Fahrzeuge, der einen klaren Kriterienkatalog für die Akzeptanz als Verkehrsteilnehmer festlegt. Trotz aller Technik bleibt die Verantwortung für das Fahrzeug beim Halter: „Er muss wissen, was er kauft. Er muss am Ende des Tages auch dafür verantwortlich gemacht werden, was damit passiert“, so Bakker.

Um die komplexen Systeme besser versichern und Schäden besser rekonstruieren zu können, fordert die Allianz einheitliche Teststandards sowie den Aufbau einer europäischen Datenbank für kritische Verkehrssituationen, die gemeinsam von Regulierungsbehörden, Herstellern und Versicherungen betrieben werden sollte.