Wie Versicherer das volle Potenzial von KI nutzen

Quelle: moresophy

Künstliche Intelligenz zeigt ihre Stärken überall dort, wo die Wertschöpfung stark auf Wissen und Erfahrung basiert. In der Versicherungsbranche trifft das besonders zu: komplexe, risikobasierte Produkte, eine breite Kundenbasis und enorme Datenmengen, die täglich verarbeitet werden müssen. Wie Versicherer aus diesen Prozessen Wissen und damit einen Wettbewerbsvorteil erzeugen können, erklärt Heiko Beier ist Geschäftsführer von moresophy und Professor für Medienkommunikation.

Gleichzeitig kämpfen viele Versicherer mit strukturellen Hürden: vielfältige, oft veraltete Systemlandschaften, die sich nur schwer modernisieren oder in die Cloud migrieren lassen, mittelständische Unternehmen unter Kostendruck, Probleme mit der Datenqualität und fehlende Kompatibilität zwischen den Systemen. Informationen zu Verträgen, Anträgen oder Schäden liegen verteilt in verschiedenen Anwendungen – ein Zustand, der Entscheidungen verzögert und Wissen im Unternehmen unzugänglich macht.

Viele Verantwortliche wissen um dieses Problem und erkennen das Potenzial von KI. Doch bevor sie Technologien einführen, müssen sie sich einer zentralen Frage stellen: Wie lässt sich KI so einsetzen, dass sie echte Entlastung schafft und nicht nur neue Komplexität erzeugt?

Strategie statt Schnellschuss

Seit dem Aufkommen von ChatGPT und ähnlichen Anwendungen setzen viele Unternehmen auf KI nach dem Gießkannenprinzip: überall ein bisschen, oft ohne klares Ziel. Doch generative KI ist nicht für jede Aufgabe geeignet. Sie ist zu teuer, unkontrollierbar und liefert oft nicht reproduzierbare Ergebnisse.

Meist beschränken sich die Lösungen darauf, aus einer einzelnen Eingabe – einem Prompt, einem Dokument, einer Frage – eine Antwort zu generieren. Das Ergebnis: schnell ein Text, aber kein belastbares Wissen. Für eine verlässliche Automatisierung brauchen Versicherer jedoch Systeme, die auf ihr eigenes Unternehmenswissen zugreifen: auf Vertragsdaten, Risikoberichte, Policen, Gutachten oder Schadenakten – und diese Informationen kontextbezogen auswerten können. Nur so lässt sich eine Grundlage schaffen, auf der sich Entscheidungen regulatorisch sicher und fachlich nachvollziehbar treffen lassen.

Dieses Wissen ist vorhanden, liegt aber verteilt über viele Systeme: CRM, Bestand, Dokumentenmanagement, E-Mail, Berichtswesen. Die eigentliche Herausforderung besteht darin, diese Informationen zusammenzuführen und nutzbar zu machen. Gerade mittelständische Versicherer profitieren davon, ihre Prozesse genau zu kennen: Wo entstehen Reibungsverluste, wo fehlen Daten, wo lassen sich Entscheidungen automatisieren? Auf dieser Grundlage kann KI gezielt und kosteneffizient eingesetzt werden – nicht, um wahllos Chatbots zu bauen, sondern um Daten intelligent aufzubereiten und wiederkehrende Aufgaben zu entlasten. Erst wenn interne Informationen strukturiert vorliegen, entsteht der Mehrwert, den viele sich von KI versprechen.

Hybride KI als realistischer Weg nach vorn

Der Weg dahin führt über hybride KI-Systeme. Sie verbinden die Nachvollziehbarkeit analytischer Verfahren mit der Flexibilität moderner Sprachmodelle. Statt ausschließlich mit generativen Modellen zu arbeiten, die auf allgemeines Weltwissen setzen, werden vorhandene Daten gezielt analysiert, gefiltert und erst dann zur Beantwortung konkreter Fragen genutzt.

Das senkt nicht nur die Kosten, sondern macht die Ergebnisse transparent und überprüfbar. Für Versicherer ist das entscheidend, denn Entscheidungen, sei es im Underwriting oder in der Schadenbearbeitung, müssen erklärbar bleiben.

Der Münchener KI-Spezialist moresophy verfolgt diesen Ansatz seit Jahren: Seine Lösungen kombinieren datenbasierte Steuerung mit natürlicher Sprachverarbeitung und lassen sich sicher in bestehende IT-Landschaften integrieren – lokal oder in souveränen Cloud-Umgebungen. Die Kontrolle über Daten und Entscheidungslogik bleibt dabei vollständig beim Versicherer.

Schritt für Schritt zur Entscheidung

In kaum einem Bereich ist die Arbeit so datenlastig wie in der Gewerbeversicherung. Bevor ein Risiko gezeichnet wird, müssen Underwriter Dutzende von Unterlagen prüfen: Bauanträge, Lagepläne, Gutachten, Brandschutzberichte. Häufig sind die Dokumente unvollständig, doppelt abgelegt oder nicht eindeutig zugeordnet – und schon bevor die eigentliche Bewertung beginnt, kostet das Stunden, manchmal Tage.

Hier zeigt sich, wie hybride KI-Systeme den Prozess unterstützen können. Sie schaffen Übersicht, indem sie eingehende Dokumente automatisch erkennen, klassifizieren und auf Vollständigkeit prüfen. So lässt sich schnell klären, ob eine Risikoprüfung überhaupt starten kann oder ob etwa ein Bauantrag fehlt. Mitarbeitende müssen dafür nicht mehr in mehreren Systemen suchen, sondern können gezielt über kontextbasierte Chatfunktionen nachfragen – etwa: wie viele Dokumente liegen zum Objekt vor, sind alle geprüft oder fehlt noch ein Gutachten?

Sind die formalen Fragen geklärt, geht es um den Inhalt. Die KI hilft, die relevanten Informationen aus den Unterlagen zu extrahieren – zum Beispiel, wie ein Gebäude genutzt wird, womit es beheizt wird oder welche Materialien verbaut sind. Diese Merkmale beeinflussen direkt das Risiko, etwa die Wahrscheinlichkeit eines Brandes. Für Underwriter entsteht so ein klareres, einheitlich strukturiertes Bild, das sich mit bestehenden Fällen oder Erfahrungswerten vergleichen lässt.

Auf dieser Grundlage entsteht ein Building Object Model: ein digitales Abbild der Liegenschaft, das alle relevanten Informationen aus unterschiedlichen Quellen zusammenführt – aus Anträgen, Policen, Gutachten, Schadenmeldungen, Vertrags- und Kommunikationsdaten sowie externen Daten zu Wetter, Normen oder den Materialeigenschaften von Bau- und Produktionsstoffen. Damit lassen sich erstmals übergreifende Analysen durchführen: Wie unterscheidet sich ein Objekt von vergleichbaren Fällen? Wie hoch ist die durchschnittliche Energieeffizienz der in den letzten zwölf Monaten geprüften Gebäude? Oder welche Industrien verfügen über besonders große Mengen brennbarer Materialien pro Fläche?

Solche Fragen markieren den Schritt von der reinen Datensammlung hin zur wissensbasierten Bewertung. Die Entscheidung selbst bleibt beim Menschen. Doch anstelle historisch gewachsener Ablagestrukturen steht den Underwritern ein konsistentes, nachvollziehbares Datenfundament zur Verfügung. Das reduziert Fehlerquellen, beschleunigt die Risikoprüfung und ermöglicht eine objektivere Einschätzung komplexer Zusammenhänge.

Vom Underwriting zur Schadenprüfung

Die gleiche Datenbasis kann anschließend in der Schadenprüfung genutzt werden. Wenn ein Feuer-, Wasser- oder Haftpflichtschaden gemeldet wird, kann die KI den Fall mit früheren Schadendaten vergleichen und Auffälligkeiten erkennen – etwa ungewöhnlich hohe Summen, fehlende Belege oder abweichende Muster. Dadurch wird die Bearbeitung nicht nur schneller, sondern auch konsistenter. Die Fachkraft entscheidet auf Grundlage eines transparenten Datenbilds, das automatisch aktualisiert wird.

Darüber hinaus können Versicherer die aufbereiteten Daten nutzen, um Trends zu erkennen: Welche Branchen weisen überdurchschnittlich viele Schäden auf? Welche Faktoren erhöhen die Schadenhäufigkeit? Das Wissen aus den eigenen Prozessen wird damit selbst zum Wettbewerbsvorteil.

KI unterstützt dabei auch in anderen Bereichen wie HR oder Vertragsmanagement – überall dort, wo wiederkehrende Fragen und strukturierte Informationen eine Rolle spielen. Auch die Zusammenarbeit mit Maklern profitiert: Vor der Zeichnung eines Risikos können sie auf Basis historischer Daten schneller eine Einschätzung abgeben, ohne wochenlange Abstimmungsprozesse.

Den Anfang wagen

Der Einsatz von KI birgt großes Potenzial für Versicherungen, besonders, wenn KI intelligent integriert wird und nicht nur oberflächlich zum Einsatz kommt. Dabei ist die Implementierung auch mit geringen Investitionen möglich.

Eine klare KI-Strategie gepaart mit einer Lösung, die den Anforderungen der Branche gerecht wird, führen in der Versicherungsbranche zu einer Steigerung der Produktivität und Effizienz. Für Mitarbeiter ist die Anwendung intuitiv, versetzt sie jedoch in die Lage schneller qualifizierte und verlässliche Informationen liefern zu können.

Besonders für den Mittelstand eignet sich diese Vorgehensweise, denn sie ist agil und kann schnell umgesetzt werden. Hier braucht es nicht immer die neuesten generativen KI-Modelle aus der Cloud. Lieber sollte eine Lösung gewählt werden, die Versicherungen nicht in Kostenspiralen stürzt und lokal mit unternehmenseigenen Daten arbeiten kann. Derartige Lösungen gibt es bereits. Unternehmen müssen lediglich den Anfang wagen.