Über 80 Prozent der Makler befürchten, dass die regulatorischen Anforderungen weiter steigen werden. Gleichzeitig haben die Vermittler Hoffnung auf Entlastung durch digitale Lösungen und bessere Unterstützung seitens der Versicherer.
Die Belastung für Versicherungsmakler steigt weiter und ein Ende scheint nicht in Sicht. Das zeigt eine aktuelle Studie der Bundesarbeitsgemeinschaft für Versicherungsmakler (BFV) in Kooperation mit dem Fachmagazin AssCompact. Unter den 565 befragten Vermittlern gaben 82,1 Prozent an, dass sie in den kommenden Jahren mit weiter verschärften regulatorischen Anforderungen rechnen. Nur 1,2 Prozent glauben an eine Entlastung, während 9,7 Prozent von gleichbleibender Regulierung ausgehen.
Der Tenor der Branche ist eindeutig. Die Bürokratie erstickt Beratung. Besonders zum Jahresende, wenn Kundenberatung, Vertragsprüfungen und Dokumentationspflichten zusammenkommen, ächzen viele Makler unter einer massiven Arbeitslast. „Versicherungsmakler legen Wert auf kundenindividuell passende Produkte und auf qualitativ hochwertige Beratung“, betont BFV-Koordinator Erwin Hausen. „Dafür brauchen sie passende Rahmenbedingungen: Effiziente und verlässliche Prozesse, digitale Tools und vor allem ausreichend Zeit für die persönliche Kundenbetreuung.“
Viele Vermittler sehen in der zunehmenden Regulierungsflut eine Bedrohung für die Qualität ihrer Arbeit. Über 90 Prozent der Befragten stufen den Dokumentationsaufwand durch IDD, MiFID II und ähnliche Vorgaben als „sehr hoch“ oder „eher hoch“ ein. Zwar erkennen 71,9 Prozent den Nutzen bestimmter Auflagen. Das gilt etwa bei Kundenaufklärung oder Weiterbildungspflichten.
Doch viele Regulierungen gelten als bürokratische Last ohne echten Mehrwert. Nur 22,5 Prozent sehen im Datenschutz (DSGVO) einen praktischen Nutzen für ihre Kunden, bei der Nachhaltigkeitspräferenzabfrage (ESG) sind es sogar nur 12 Prozent „Eine Überregulierung führt dazu, dass für qualifizierte Beratungen weniger Zeit bleibt. Doch die ist der eigentliche Kern des Verbraucherschutzes“, warnt Hausen.
Digitale Lösungen sollen Entlastung bringen
Ein Hoffnungsschimmer bleibt die Digitalisierung. Rund 60 Prozent der Makler sehen in digitalen Tools eine reale Chance, den Arbeitsaufwand zu reduzieren. Besonders deutlich ist die Aufbruchsstimmung bei Maklern unter 50 Jahren. 77,7 Prozent von ihnen bewerten das Potenzial digitaler Prozesse als hoch.
Die ältere Generation zeigt sich skeptischer: Nur 55,2 Prozent der über 50-Jährigen glauben an eine nennenswerte Entlastung durch Technik. Für viele bleibt die Realität, dass neue Systeme zwar Zeit sparen könnten, aber oft zusätzliche Schulungs- und Implementierungsaufwände verursachen.
Versicherer sollen Makler stärker unterstützen
Ein zentrales Ergebnis der Studie: Makler wünschen sich mehr Rückhalt von ihren Produktpartnern.
- 81,8 Prozent fordern einfachere Verwaltungsprozesse von den Versicherern.
- 78,6 Prozent wünschen sich Hilfe bei der Reduzierung von Haftungsrisiken.
- 76,6 Prozent plädieren für bessere digitale Tools zur Dokumentation.
- 63 Prozent hätten gerne konkretere Beratungshilfen,
- und 57,3 Prozent fordern regelmäßige Schulungen zu regulatorischen Änderungen.
Gerade im Hinblick auf ESG und Nachhaltigkeit sehen knapp 50 Prozent der Befragten zusätzlichen Unterstützungsbedarf.
Bürokratienotstand statt Fachkräftemangel
Interessant ist die Parallele zu anderen Branchen: Auch außerhalb der Versicherungswelt wird der „Bürokratienotstand“ zunehmend kritisiert. So monierte mit Prof. Dr. Hendrik Streeck (CDU), der neue Drogenbeauftragte der Bundesregierung und Mitglied im Gesundheitsausschuss des Bundestages, in einem Interview mit der Rhein-Zeitung dass Missverhältnis: „Fast die Hälfte der ärztlichen Arbeitszeit geht für Dokumentation drauf. Das entspricht 32.000 Vollzeitstellen, die eigentlich am Patienten gebraucht würden. Wir haben also nicht in erster Linie einen Personalnotstand – wir haben einen Bürokratienotstand.“
Der BFV sieht darin ein systemisches Problem: Immer neue Berichtspflichten und Prüfprozesse nehmen den Fokus von der eigentlichen Aufgabe und diese liegt im Kern in der Beratung und Betreuung der Kunden. „Während viele Politiker erkennen, dass die Überregulierung der Wirtschaft und den Verbrauchern schadet und daher ein Bürokratieabbau längst überfällig ist, scheint dies in deutschen und europäischen Gesetzgebungsgremien und Aufsichtsbehörden noch nicht bei jedem angekommen zu sein. Nicht Reden ist wichtig, sondern Handeln, vom Regulierungs-Moratorium bis hin zum Abbau belastender aber kaum hilfreicher Bürokratie“, appelliert Hausen.