Immer mehr Jüngere empfinden das deutsche Rentensystem als ungerecht und überholt. Laut aktueller DIA-Generationenstudie droht die Legitimität der Rentenversicherung zu erodieren.
Der Generationenvertrag, jahrzehntelang Symbol des sozialen Zusammenhalts in Deutschland, steht vor einer Vertrauenskrise. Die neue Generationenstudie „Konsens oder Konflikt – wie verstehen sich Generationen?“ des Deutschen Instituts für Altersvorsorge (DIA) zeigt: 44 Prozent der Befragten halten die finanzielle Belastung der Jüngeren durch Renten- und Sozialsysteme für zu hoch. Nur ein gutes Drittel empfindet sie als angemessen.
Diese Wahrnehmung markiert einen Wendepunkt in der Debatte um die Zukunftsfähigkeit der gesetzlichen Rentenversicherung. Vor allem die 30- bis 49-Jährigen äußern sich kritisch und damit jene Generation also, die mitten im Berufs- und Familienleben steht und gleichzeitig Kinder erzieht, für pflegebedürftige Eltern sorgt und eigene Altersvorsorge betreiben soll.
Rentenvertrauen schwindet – Reformbedarf bleibt ungenutzt
„Wir wissen seit Jahrzehnten, dass das System kippen wird – und tun zu wenig, um es zu ändern“, warnt der Generationenforscher Dr. Rüdiger Maas, der die Studie mit einem Experteninterview begleitet hat. „Der Generationenvertrag ist eine Frechheit gegenüber den Jüngeren: Sie finanzieren ein System, von dem sie selbst kaum noch profitieren werden.“
Laut der Studienautorin Sylvia Kreyßel-Minar zeigt sich hier ein strukturelles Problem. Denn der politische Wille zur Reform sei zwar erkannt, die Bereitschaft zur Umsetzung jedoch gering. „Das deutsche Rentensystem gilt als Symbol sozialer Sicherheit. Doch diese Stabilität ist trügerisch. Reformen werden oft verschoben, weil sie politisch unbequem sind. Daraus resultiert ein struktureller Stillstand, der die politische Debatte entkernt – und langfristig die Legitimität des Generationenvertrags gefährdet“, so Kreyßel-Minar.
Die DIA-Studie macht deutlich, dass Reformstau und demografische Dynamik den Generationenvertrag langfristig gefährden. Über 75 Prozent der über 60-Jährigen lehnen eine Anhebung des Renteneintrittsalters ab. Jüngere hingegen zeigen sich offener. Rund 17 Prozent der 18- bis 39-Jährigen befürworten ein längeres Arbeiten, um das System zu stabilisieren.
Generationengerechtigkeit als Prüfstein für die Rentenpolitik
Das Thema Generationengerechtigkeit wird laut Studie zum zentralen gesellschaftlichen Prüfstein. Viele Jüngere empfinden eine doppelte Belastung: hohe Abgaben heute und unsichere Ansprüche morgen. Diese Wahrnehmung bedroht nicht nur die Akzeptanz, sondern die Legitimität des Umlagesystems selbst.
Ältere wiederum sehen sich durch die Debatte moralisch unter Druck gesetzt, da ihre erworbenen Ansprüche infrage gestellt werden. Hier treffen unterschiedliche Zukunftsbilder aufeinander: Während die Jüngeren an Nachhaltigkeit und Eigenverantwortung denken, verteidigen Ältere die gewohnte Stabilität.
„Wir brauchen einen echten Neustart im Denken. Ein gerechter Generationenvertrag muss alle einbeziehen – auch Beamte und Selbstständige. Nur so lässt sich Vertrauen zurückgewinnen“, unterstreicht Maas. Das DIA fordert deshalb eine offene Debatte über ein solidarisches, generationengerechtes Rentensystem. Denn die Skepsis gegenüber dem bestehenden Modell wächst, doch sie könne auch Anstoß für neue Lösungen sein.