Automatisierung in der Sachversicherung: Wo liegen die echten Einsparpotenziale?

Quelle: Neodigital

Welche Einsparpotenziale gibt es in Versicherungsunternehmen und wie lassen sich diese erschließen? Dieser Frage geht Stephen Voss, CEO von Neodigital, auch im vierten Teil seiner Kolumnen-Serie für Versicherungsbote auf den Grund. Konkret geht es dabei darum, was Versicherer wo mit welcher Technologie tun können, um Kosten zu reduzieren.

Wie schon in den vorangegangenen Artikeln beschrieben gibt es sie immer noch: Die Einsparpotentiale in der Versicherung – auch wenn viele etablierte Versicherer und Insurtechs meinen, schon alles gesehen, mindestens einmal angefasst oder DIE neue Lösung zu haben. Und ja, das Offensichtliche ist bereits optimiert. Aber es gibt sich auch trotzdem noch, sie entscheidenden Stellschrauben zur Kostenreduktion. Es wird nur um ein Vielfaches anspruchsvoller, genau diese verborgenen Einsparungen zu identifizieren und zu heben. Dazu kommt, dass Einsparungen quasi ohne Einsatz von Technologie, sei es in Form von „regulärer“ Digitalisierung oder KI, gar nichts mehr geht.

Wie kann das gelingen? Immerhin erwarten Kundinnen und Kunden von uns Versicherern schnelle Antworten, und das erstmal ganz unabhängig von der Sparte. Versicherer hingegen kämpfen mit stetig steigendem Kostendruck. Die voraneilende Inflation ist hierbei nur eine Komponente, die Demographie eine andere. Der Faktor Mensch wird knapp und vor allem teurer.

Vor allem in der Sachversicherung stehen die Bereiche Operations und Service daher im Fokus, wenn es um Effizienzsteigerungen geht. Die entscheidende Frage: Wie lassen sich Prozesse verschlanken, ohne dass Qualität oder Kundenzufriedenheit leiden? Ein genauer Blick ins Inputmanagement zeigt, dass auch hier unerwartet große Einsparpotenziale schlummern – und bereits heute abrufbar sind.

Automatisierte Abläufe statt manueller Bearbeitung

Das Inputmanagement ist das Eingangstor für nahezu alle Geschäftsvorfälle. Mit modernen Schnittstellen zum Bestandsführungssystem lassen sich sowohl Vertragsdaten als auch Belegarten automatisch zuordnen. Das Ergebnis: Standardfälle laufen ohne menschliches Zutun durch – von der Eingangsbearbeitung bis zur Bestandsaktualisierung. Das nennen wir dann echte Dunkelverarbeitung.

Es gibt viele Beispiele aus der Praxis die schon heute funktionieren:

  • Korrespondenz in Echtzeit: Ein eingehendes Kündigungsschreiben löst automatisch die passende Bestätigung aus.
  • Vertragsänderungen per Knopfdruck: Neue Bankverbindung oder Anschrift? Die Systeme reichern Daten eigenständig an und setzen Änderungen sofort um. Und das sowohl im Kundendialog als auch im Kernsystem auf den Datenbanken. Das klingt vielleicht naheliegend, in der Realität passiert das aber noch viel zu selten automatisch, sondern selbst Anschriftsänderungen durchlaufen mehrere manuelle Vorgänge, bis die Bestandsdaten wirklich aktualisiert sind.
  • Stornierungen ohne Wartezeit: Standardisierte Widerrufe oder Kündigungen führen direkt zur Vertragsbeendigung, auch das ist Kundenservice. Es ist ein Zeichen von Service, dem Kunden, der seine Gründe hat, das Vertragsverhältnis zu beenden, dies ebenfalls so einfach wie möglich zu machen. Im Übrigen fordert das auch zum Teil heute schon der Gesetzgeber.

Das spart nicht nur Zeit, es minimiert dazu noch recht deutlich das mögliche Kundenärgernis und vermeidet durch die Automation auch Fehlerquellen durch zu viele manuelle Eingriffe.

Kontrolle bleibt Pflicht

Doch Automatisierung bedeutet nicht, dass Kontrollmechanismen verschwinden. Ganz im Gegenteil: Sie müssen als Teil der Einsparmaßnahmen integriert werden, weil Technik angepasst und eventuell bereits vorhanden künstliche Intelligenz angelernt werden muss. Und dazu braucht man unter Umständen sogar zusätzlich neue und andere Mitarbeitende, weil das Anlernen und Überwachen ein anderes Skillset erfordert als die eigentliche Sachbearbeitung. Aber die gute Nachricht ist: Diese menschliche Intelligenz findet man derzeit auch auf dem Arbeitsmarkt und individuelle KI-gestützte Prüfschritte sind jederzeit in die Prozesse integrierbar. So kann etwa ein vorher ordentlich angelerntes System prüfen, ob das Kündigungsschreiben tatsächlich vom Versicherungsnehmer stammt oder ob beispielsweise im Falle einer Kündigung durch den Makler ein Vermittler überhaupt berechtigt ist, einen Vertrag zu beenden – denn hier erfolgt direkt der Cross-Check automatisiert auf das in der digitalen Vermittlerverwaltung hinterlegte Maklermandat. Das kann ein Mensch auch, aber eben nicht so schnell und dennoch ist die menschliche Intelligenz in ihrer Funktion wichtig, denn sie widmet sich nun den ausgesteuerten Sonderfällen. Auch das ist wichtig für eine gute Kundenservicebeziehung.

Im Ergebnis entsteht eine perfekte Balance: maximale Effizienz, aber ohne Risiko für rechtliche oder fachliche Fehler.

Hybride Lösungen für unstrukturierte Vorgänge

Wie schon vorangehend aufgezeigt. Ganz ohne Handarbeit geht es dann doch nicht. Manche Dokumente erreichen Versicherer in sehr unstrukturierten Formaten. Die handschriftliche Quittung eines Handwerkers mag vielleicht schwer zu lesen sein, aber wenn sie alle rechnungsrelevanten Daten beinhaltet, ist es immer noch eine ordentliche Rechnung und der Kunden wie auch der Dienstleister haben einen Anspruch auf ordentliche Verarbeitung. Hier übernimmt dann weiterhin ein Sachbearbeiter die manuelle Erfassung und Indizierung. Anschließend greift wieder die automatisierte Verarbeitung im Bestandsführungssystem. In einer intelligenten Umgebung lernt dabei gelichzeitig der Prozess diesen Sonderfall kennen und kann diesen dann zukünftig besser beurteilen und die manuelle Bearbeitungszeit weiter reduzieren.

Dieser hybride Ansatz verhindert Medienbrüche und sorgt dafür, dass auch „Ausreißer“ reibungslos in den Workflow integriert werden.

Einsparungen im Blick

Warum lohnt sich der Aufwand und wo versteckt sich das Einsparpotenzial genau? Die Antwort liegt in der Kombination aus Geschwindigkeit und Ressourcenschonung:

  • Das Backoffice wird spürbar entlastet.
  • Vorgänge laufen deutlich schneller durch.
  • Fehleranfälligkeit sinkt.
  • Betriebskosten werden nachhaltig reduziert.
  • Extrarunden im Service durch Missverständnisse mit dem Kunden werden vermieden.

Gerade in Zeiten, in denen Margen unter Druck stehen, können diese Effekte über die Wettbewerbsfähigkeit entscheiden. In einer Vielzahl von Versicherungssparten entscheiden wenige Prozentpunkte über Auskömmlichkeit oder Verlust. Da lohnt es sich in den Krümeln zu suchen.

Fazit: Der Hebel liegt im Inputmanagement

Die Sachversicherung steht vor der Herausforderung, effizienter und gleichzeitig serviceorientierter zu arbeiten. Das Inputmanagement erweist sich dabei als zentraler Hebel. Wer konsequent auf Automatisierung setzt, kann Prozesse verschlanken, Kosten senken und Kapazitäten für wertschöpfende Tätigkeiten freisetzen. Die Kunden erwarten bei einer Kontoänderung keine Serviceoffensive, sie erwarten schnelle präzise Erledigung.

Die eigentliche Frage lautet also nicht mehr: Ob Versicherer automatisieren sollten – sondern nur noch: Wie schnell?