Der wissenschaftliche Beraterkreis des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWE) fordert in einer Wachstumsagenda längeres Arbeiten, Rückkehr des Nachhaltigkeitsfaktors und Abschaffung der Rente mit 63. Ein Blick nach Dänemark zeigt, wie eine nachhaltige Rentenreform funktionieren könnte.
In diesem Jahr hat die Schärfe bei der Debatte um die Zukunft der Rentenversicherung deutlich zugenommen. Zuletzt hatte Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche ihre Forderung nach einem höheren Renteneintrittsalter wiederholt und dabei Unterstützung von einem Beraterkreis für evidenzbasierte Wirtschaftspolitik erhalten. Den Expertenkreis hatte das Bundeswirtschaftsministerium installiert. Zu diesem gehören die Ökonomen Prof. Veronika Grimm, Prof. Justus Haucap, Prof. Stefan Kolev und Prof. Volker Wieland.
Dieser Expertenrat hatte im September in einem Impulspapier darauf hingewiesen „dass wir angesichts einer höheren Lebenserwartung länger arbeiten müssen“, sagte Reiche damals. Die Experten warnen vor massiven Folgen der Alterung der Gesellschaft. „Ohne eine entschlossene Reformagenda droht die Rentenversicherung zu einer zunehmenden Belastung des Bundeshaushalts zu werden – und zur tickenden Zeitbombe für die Generationengerechtigkeit", heißt es weiter. Schon heute müssten mehr als 90 Milliarden Euro zusätzlich aus dem Bundeshaushalt aufgebracht werden, wenn das Rentenniveau bei 48 Prozent gehalten werden soll.
Die Berater schlagen vor, dass künftig zwei Drittel der gewonnenen Lebenszeit auf die Erwerbstätigkeit und ein Drittel auf den Ruhestand entfallen. „Ab 2031 – wenn die schrittweise Anhebung des gesetzlichen Renteneintrittsalters auf 67 Jahre abgeschlossen ist – müsste das Rentenalter etwa alle zehn Jahre um ein halbes Jahr steigen", schreiben die Ökonomen. Die Grenze von 69 Jahren würde so „erst Anfang der 2070er Jahre" erreicht.
Vorschläge zu einer Wachstumsagenda für Deutschland
Nun hat der wissenschaftliche Beraterkreis ein Gutachten mit Vorschlägen für eine „Wachstumsagenda für Deutschland" veröffentlicht. Darin enthalten sind auch wichtige Hebel für die Sozialversicherung und insbesondere für die Rentenversicherung. Und: Die „Wachstumsagenda“ macht deutlich, dass die deutsche Rentenversicherung in ihrer heutigen Form langfristig nicht finanzierbar ist. Der Bericht fordert grundlegende Strukturreformen, um die Belastung für nachfolgende Generationen zu verringern und die Tragfähigkeit des Systems zu sichern.
Die Autoren der Wachstumsagenda sehen in einer Kopplung des Rentenalters an die Lebenserwartung einen unverzichtbaren Schritt. Damit soll sichergestellt werden, dass die Zahl der Rentenjahre im Verhältnis zur Lebensarbeitszeit stabil bleibt. „Wir werden mehr arbeiten müssen, wenn wir den Umfang der Sozialversicherungen bewahren wollen, ohne zeitgleich den nachfolgenden Generationen noch mehr Lasten zu hinterlassen“, heißt es in dem Papier.
Renteneintrittsalter erhöhen am Beispiel Dänemark
Als „besonders eindrückliches Beispiel für die nachhaltige Ordnung einer Rentenversicherung" ziehen die Berater die Reform in Dänemark heran. Dort liegt das Renteneintrittsalter aktuell bei 67 Jahren und soll bis 2040 auf 70 Jahre angehoben werden. Dies geschieht in mehreren Etappen. Für 2030 ist ein Rentenalter von 68 Jahren vorgesehen. 2035 soll es auf 69 Jahre ansteigen. Die Entwicklung soll alle fünf Jahre kontrolliert werden. Wenn sich die Lebenserwartung wie prognostiziert entwickelt, könnte das Renteneintrittsalter im Jahr 2060 bei 73 Jahren liegen.
Deutschland, so der Bericht, müsse sich an diesem Modell orientieren, um die Finanzierungsbasis der Rentenversicherung langfristig zu sichern. Das aktuelle System, das die Renten automatisch an die Lohnentwicklung koppelt, stelle „eine große Belastung“ für die Rentenkasse dar. Stattdessen solle über eine Indexierung an die Inflation nachgedacht werden, um die Ausgaben besser zu steuern.
Zudem müsse der Nachhaltigkeitsfaktor wieder eingeführt werden. Dieser Mechanismus wurde 2018 ausgesetzt und sorgt eigentlich dafür, dass das Verhältnis zwischen Beitragszahlern und Rentnern bei der Rentenanpassung berücksichtigt wird. Ohne diesen Faktor steige das Risiko, dass die Beitragssätze künftig übermäßig wachsen, während die Rentenansprüche gleichzeitig immer schwerer zu finanzieren seien. Das Papier fordert zudem die Abschaffung der Rente mit 63.
Reiche hatte den Reformbedarf bereits zuvor als „umfassend und dringlich" bezeichnet. Zudem dürften die Reformen jedoch „nicht ausschließlich zulasten der jungen Generation und unserer Wettbewerbsfähigkeit" gehen.