Der Versicherungsvertrieb im B2B-Umfeld befindet sich im Wandel. Während persönliche Kontakte, individuelle Beratung und langfristige Kundenbeziehungen weiterhin erfolgskritisch sind, drängt eine neue Entwicklung in den Mittelpunkt: Der Einsatz künstlicher Assistenzsysteme. Doch wie verändert sich dadurch das Rollenverständnis des Key-Account-Managers in der industriellen Versicherungswelt? Und was bedeutet das konkret für die tägliche Arbeit? Diesen Fragen widmet sicht Benjamin Lampmann, Key-Account-Manager beim Versicherungsmakler LEUE & NILL, in einem Gastbeitrag.
Rollenverlagerung durch Automatisierung
Die ersten Auswirkungen sind bereits spürbar. Viele administrative Aufgaben, die bislang vom Key-Account-Manager erledigt wurden, lassen sich heute automatisieren. KI-gestützte Systeme übernehmen Recherchearbeiten, aggregieren Kundendaten, pflegen CRM-Systeme und werten Vertragswerke aus. Chatbots in Kundenportalen beantworten Standardanfragen zu Produkten und Konditionen - in vielen Fällen sogar schneller und fehlerfreier als der Mensch.
In der Folge verschieben sich die Aufgabenschwerpunkte. Statt Datensätze zu pflegen oder Dokumente zu analysieren, kann sich der Key-Account-Manager stärker auf die individuelle Kundenberatung und die Entwicklung risikogerechter Deckungskonzepte konzentrieren. KI schafft Freiräume - vorausgesetzt, man ist bereit, diese intelligent zu nutzen.
Technik ersetzt keine Beziehung
Trotz zunehmender Automatisierung bleibt der persönliche Kontakt ein entscheidender Erfolgsfaktor. Gerade im B2B-Geschäft, wo Verträge oft hohe Summen bewegen, und langfristige Geschäftsbeziehungen gepflegt werden, ist Vertrauen nicht digitalisierbar. Der Kunde erwartet nach wie vor einen festen Ansprechpartner, der seine Branche kennt, Zusammenhänge versteht und Risiken realistisch einschätzen kann.
KI kann hierbei unterstützen, aber nicht ersetzen. Systeme können Daten zusammenfassen, Gesprächsnotizen generieren oder Risikoprofile analysieren – aber die Interpretation bleibt Aufgabe des Menschen. Die Rolle des Key-Account-Managers wird dadurch aufgewertet: Weniger Sachbearbeitung, mehr strategische Beratung.
Neue Anforderungen im Alltag
Mit der Verlagerung der Aufgaben ändern sich auch die Anforderungen. Datenkompetenz und technisches Verständnis werden zu Schlüsselqualifikationen. Wer moderne KI-Systeme einsetzen will, muss verstehen, wie sie funktionieren, wo ihre Grenzen liegen und wie ihre Ergebnisse bewertet werden können. Die Fähigkeit, Daten aus unterschiedlichen Quellen zu kombinieren und daraus individuelle Lösungen abzuleiten, gewinnt an Bedeutung.
In einigen Unternehmen entstehen heute bereits neue Rollen wie „Key Account Analyst“ oder „Sales Enablement Specialist“, die eng mit den Vertriebsverantwortlichen zusammenarbeiten. Sie bereiten Informationen auf, unterstützen bei der Kundenanalyse und liefern Entscheidungsgrundlagen – oft auf Basis automatisierter Datenverarbeitung. Der klassische Key-Account-Manager wird damit Teil eines hybriden Vertriebsmodells, in dem Mensch und Maschine gemeinsam arbeiten.
Beispielhafte Entwicklungen aus der Praxis
Versicherer wie UNIQA und R+V setzen bereits heute auf KI-gestützte Assistenten im Vertrieb. In einem konkreten Fall konnte ein digitaler Tarifassistent die Antwortzeit auf vertriebliche Rückfragen halbieren – bei gleichbleibend hoher Antwortqualität. In einem Pilotprojekt zur Flottenversicherung kamen vernetzte Dashcams zum Einsatz, die kritische Fahrmanöver erkannten und Risiken in Echtzeit bewerteten. Der Key-Account-Manager wird damit entlastet und erhält dadurch ein präziseres Bild vom Kunden und kann dieses aktiv in die Beratung einfließen lassen.
Auch internationale Märkte zeigen ähnliche Tendenzen. Während in Deutschland häufig noch zögerlich getestet wird, setzen Anbieter in den USA oder Asien bereits offensiv auf KI-unterstützte Vertriebslösungen. Unterschiede gibt es vor allem bei der Datenverfügbarkeit und der regulatorischen Offenheit für automatisierte Entscheidungsprozesse. Das branchenfremde Beispiel Klarna zeigt zudem, dass manche Unternehmen bereits disruptiv ihren gesamten Kundensupport durch KI ersetzen. Der Trend zur Veränderung lässt sich somit aus der Praxis bereits klar ableiten.
Grenzen und Herausforderungen
Trotz aller Vorteile ist der Einsatz von KI nicht ohne Hürden. Systeme sind nur so gut wie die Daten, die ihnen zur Verfügung stehen. Falsch interpretierte Muster oder unzureichende Trainingsdaten können zu Fehleinschätzungen führen. Darüber hinaus ist die Akzeptanz in der Praxis ein entscheidender Erfolgsfaktor. Einige Key-Account-Manager sehen KI noch als Bedrohung – nicht als Entlastung. Hier braucht es gezielte Schulung, Transparenz und klare Kommunikation.
Zudem ist nicht jede Aufgabe automatisierbar. Individuelle Verhandlungen, strategische Gespräche auf Geschäftsführungsebene oder die Begleitung komplexer Schadenszenarien bleiben weiterhin Domäne des Menschen. Die Kunst liegt darin, den richtigen Mix aus Technologie und persönlicher Beratung zu finden. Das wird zukünftig den Unterschied zwischen guten und schlechten Key-Account-Managern ausmachen.
Fazit: Ein Job mit verändertem Profil
Das Jobprofil des Key-Account-Managers im Industrieversicherungsvertrieb verändert sich durch den zunehmenden Einsatz künstlicher Assistenzsysteme grundlegend. Administrative Aufgaben werden reduziert, datenbasierte Entscheidungen erleichtert, neue Werkzeuge eröffnen neue Möglichkeiten. Gleichzeitig steigen die Anforderungen an strategisches Denken, technische Kompetenz und Beziehungsmanagement.
Der Key-Account-Manager wird künftig nicht ersetzt – er wird neu definiert. Als Mensch mit analytischem Verstand, digitaler Affinität und starkem Beziehungsmanagement wird er zum unverzichtbaren Bindeglied zwischen Versicherer und Industriekunde. Wer diese Entwicklung aktiv mitgestaltet, wird langfristig erfolgreicher beraten, verkaufen und binden können.