Wie sieht die Zukunft aus? Gut – zumindest für Investoren an den Anleihemärkten. Zu diesem Ergebnis kommt das Analysten-Team von Vanguard mithilfe KI-gestützter Prognosemodelle. Unabhängig davon, ob ein eher optimistisches oder pessimistisches Modell zum Einsatz kommt, dürften sich in den kommenden Jahren rund um Fixed Income zahlreiche Volatilitätsquellen geben, die es zu nutzen gilt. Wie das gelingt und was es dabei zu beachten gilt, erklärt Joe Davis, globaler Chefökonom von Vanguard, in seinem Gastbeitrag.
Sowohl in einem optimistischen als auch in einem pessimistischen Szenario könnten aktive Anleihestrategien an Bedeutung gewinnen, das zeigen die KI-gestützten Prognosemodelle von Vanguard. Das Zinsumfeld der Zukunft dürfte sich deutlich von dem der Jahre 1983 bis 2020 unterscheiden, in denen Anlegerinnen und Anleger massiv von fallenden Zinsen profitiert haben. In einem Umfeld höherer Zinsen hätten aktive Strategien mehr Möglichkeiten, um Alpha zu generieren. Analysen von Vanguard deuten darauf hin, dass der Neutralzinssatz in den USA in den kommenden zehn Jahren unter anderem aufgrund der alternden US-Bevölkerung und steigender struktureller Defizite über dem Vor-Pandemie-Niveau liegen dürfte.
Ein neues Zinsumfeld erfordert neue Strategien
Das bedeutet auch, dass die – im Vergleich zu Vor-Pandemie-Zeiten – höheren Zinsen bleiben dürften. Am Beispiel der US-Märkte, rechnen wir sowohl in unserem optimistischen als auch in unserem pessimistischen KI-Szenario dauerhaft mit US-Leitzinsen jenseits der Vier-Prozent-Marke, allerdings aus unterschiedlichen Gründen: Im Positivszenario wären Zinsen von vier Prozent dem höheren Wachstum geschuldet. In diesem Fall könnte die Renditekurve flacher bleiben, als manche Beobachter aktuell erwarten, was Potenzial für aktive Duration-Strategien und möglicherweise auch für Kreditrisikostrategien schafft.
Szenarien für dauerhaft höhere Zinsen
Im Negativszenario würden wachsende strukturelle Defizite und Druck auf den US-Haushalt ebenfalls zu höheren Zinsen führen, zudem könnte dann die Inflation steigen. Das Marktumfeld würde sich in diesem Fall deutlich vom ersten Szenario unterscheiden: Die Zinsen würden möglicherweise steigen und die Zinskurve steiler werden – was ebenfalls Chancen für aktive Risikostrategien eröffnen würde. Bei anhaltend höheren Zinssätzen würden die Renditen aus Kursgewinnen zurückgehen und die Renditen aus der Wiederanlage von Erträgen zu höheren Zinsen steigen. Grundsätzlich wäre dies der Beginn einer neuen Ära, in der Anleihen mehr zur Portfoliorendite beitragen würden als in dem Niedrigzinsumfeld, das auf die globale Finanzkrise folgte.
Für aktive Anleihestrategien wäre keines der beiden Szenarien so „einfach“ wie das Umfeld der vergangenen Jahrzehnte gewesen sein mag, in dem die Zinsen ab 1983 kontinuierlich fielen. Vielmehr dürfte es zahlreiche Volatilitätsquellen geben, die es zu nutzen gilt – sei es, um Verluste durch steigende Effektzinsen abzufedern oder um Gewinne aus Preisverwerfungen zu schlagen. So oder so dürfte die Zeit für aktive Risikostrategien kommen, mit denen Anlegerinnen und Anleger die wahrscheinlichen Volatilitätsquellen kontrollieren oder ausschöpfen können.
Wenn KI enttäuscht: Chancen für aktives Management
Besonders in dem Fall, dass künstliche Intelligenz die Erwartungen nicht erfüllen kann, dürfte aktives Management an Bedeutung gewinnen. In diesem Szenario könnte eine Untergewichtung von Aktien und eine Übergewichtung von Anleihen der richtige Weg sein, um ein Portfolio für schwächere Konjunktur, enttäuschendes Gewinnwachstum und höhere Zinssätze aufzustellen. Innerhalb einer Anleihe-Allokation könnte sich eine Übergewichtung von Unternehmensanleihen (einschließlich High-Yield-Anleihen) gegenüber US-Staatsanleihen auszahlen, denn Staatsanleihen könnten unter Druck kommen, wenn die Frage nach der Tragfähigkeit der US-Schulden lauter wird.