Beitragserhöhungen stellen Versicherer vor große Herausforderungen. Kunden reagieren mit Kündigungen, Vertragsänderungen oder dem Wechsel in alternative Tarife. Eine aktuelle Studie beleuchtet die Risiken und zeigt konkrete Handlungsoptionen für die Branche.
Beitragsanpassungen gehören in der Assekuranz zum Alltag. Doch die aktuelle Studie „Beitragsanpassungen in der Assekuranz – Kundenreaktionen und Handlungsspielräume für Versicherer“ des Instituts Heute und Morgen verdeutlicht, wie sensibel Kunden auf steigende Prämien reagieren und welche Gefahren sich für die Bestände ergeben. Die Untersuchung basiert auf einer Befragung unter Versicherten, die in verschiedenen Spartenvon Beitragserhöhungen betroffen waren.
Besonders hoch ist das Risiko von Abwanderungen nach einer Beitragsanpassung in der Kfz- und Tierversicherung. 15 Prozent der Kunden kündigen dort nach einer Beitragserhöhung ihren Vertrag. In der Wohngebäudeversicherung liegt die Quote bei sieben Prozent, in der PKV mit vier Prozent deutlich niedriger. Auffällig ist jedoch, dass bereits kleine Anpassungen in preissensiblen Sparten wie der Kfz-Versicherung eine spürbare Wechselbereitschaft auslösen können.
Doch nicht alle Kunden steigen aus. Viele reagieren mit einer Reduktion ihres Versicherungsschutzes. Immerhin neun Prozent der Kfz-Kunden und fünf Prozent der PKV-Versicherten reduzieren im Fall einer Erhöhung ihre Leistungen. In der Wohngebäudeversicherung tun dies zwei Prozent, in der Tierkrankenversicherung drei Prozent. Damit bleibt zwar der Vertrag bestehen, doch der Versicherer erzielt weniger Prämieneinnahmen bei gleichzeitigem Fortbestand der Risikoverpflichtungen.
Beitragserhöhungen in einer Sparte können auch auf andere Verträge beim gleichen Anbieter Auswrkungen haben. Zwischen vier und 12 Prozent der Befragten gaben an, bei einer Kündigung auch weitere Policen in Frage zu stellen. Dieser Domino-Effekt birgt für Versicherer erhebliche Bestandsrisiken. Besonders gefährdet sind Kunden, die ihre Verträge anonym online abgeschlossen haben und deren Bindung an den Versicherer schwächer ist.
Die Studie zeigt grundlegend einen klaren Grenzwert: Steigen die Beiträge um mehr als zehn Prozent, steigt die Wechselneigung sprunghaft an. Ab dieser Schwelle empfinden viele Versicherte die Anpassung nicht mehr als nachvollziehbar oder gerechtfertigt. Für Versicherer bedeutet das, dass jede zweistellige Erhöhung besonders sorgfältig begründet und begleitet werden muss.
Persönlicher Kontakt wirkt stabilisierend
Versicherer haben aber durchaus Mittel, um Beitragserhöhungen abzufedern. Zentrale Stellschrauben sind:
- Transparente Kommunikation: Kunden reagieren am verständnisvollsten, wenn die Erhöhung mit Inflation und allgemeinen Kostensteigerungen begründet wird – verbunden mit dem Hinweis, dass die Absicherung langfristig gewährleistet bleibt.
- Flexibilität bei Tarifen: Besonders gefragt ist der Wechsel in Online-Tarife. 61 Prozent der Befragten würden diese Option einer Beitragserhöhung vorziehen. Auch eine erweiterte Datenübermittlung (27 Prozent Zustimmung) oder höhere Selbstbeteiligungen (23 Prozent) finden Zuspruch.
- Differenzierte Zielgruppenansprachen: Wichtig dabei ist, dass die Preis- oder Leistungsfokussierung der jeweiligen berücksichtigt wird.
- Reduktion des Leistungsumfangs: Nur für eine Minderheit (10 bis 16 Prozent) kommt dies als Alternative in Betracht – hier besteht die Gefahr, dass Kunden im Ernstfall unterversichert sind.
Im Bereich Kfz-Versicherung sowie private Krankenvollversicherung sind aktuell beispielsweise etwa 60 Prozent der Kunden bereit, zu einer reinen Online-Betreuung zu wechseln, um den bisherigen Beitrag beizubehalten. Rund ein Viertel der Kunden akzeptiert dafür auch eine höhere Selbstbeteiligung. Einen geringeren Leistungsumfang würden je nach Sparte nur 10 bis 16 Prozent der Versicherungskunden in Kauf nehmen.
„Die Studienergebnisse verdeutlichen, dass Versicherer kurz- und mittelfristige Wechselrisiken infolge von Beitragssteigerungen ernst nehmen und mit differenzierten Strategien aktiv gegensteuern sollten“, sagt Dr. Michaela Brocke, Geschäftsführerin bei Heute und Morgen. Studienleiterin Karina Grünhage ergänzt: „Empfehlenswert sind insbesondere die Stärkung des persönlichen Kontakts beim Vertragsabschluss, die aktive Gestaltung der subjektiven Preiswahrnehmungen durch nachvollziehbare Begründungen, das Angebot flexibler Alternativen zu Beitragserhöhungen – vor allem für besonders preissensible Zielgruppen – sowie ein regelmäßiges Kündigermonitoring“