Die Rentenpolitik der Bundesregierung steht massiv in der Kritik. Ökonom Axel Börsch-Supan warnt vor milliardenschweren Fehlentscheidungen und einer ungerechten Lastenverteilung zulasten der jungen Generation. Reformen seien längst überfällig. Doch die Politik scheut klare Schritte.
Die Ankündigung eines „Herbstes der Sozialreformen“ durch Bundeskanzler Friedrich Merz stößt beim Ökonomen Axel Börsch-Supan auf scharfe Kritik. Das gilt insbesondere, was die Rentenpolitik betrifft. „Die Haltelinie bei der Rente festzuschreiben, wird bis 2045 mehr als 500 Milliarden Euro kosten. Und mit der Mütterrente setzt die Koalition noch eins drauf, deren Ausweitung kostet weitere fünf Milliarden Euro im Jahr. Gröber kann man die Zeichen der Zeit nicht missachten“, warnt der Rentenexperte in einem Interview mit der "Wirtschaftswoche"
Bereits in diesem Jahr erwartet die Rentenversicherung ein Defizit, der Bundeszuschuss steigt auf 134 Milliarden Euro. Trotzdem setzt die Koalition auf Versprechen, die vor allem die heutige Rentnergeneration begünstigen. Börsch-Supan kritisiert diesen Kurs scharf: „Man muss wohl zähneknirschend erkennen, dass die Koalition sich an der Rentenfrage nicht zerstreiten will – selbst wenn das heißt, den größten Unsinn zu produzieren.“
Reformstau und alte Fehler
Börsch-Supan verweist auf frühere Rentenkommissionen, deren Empfehlungen wichtige Weichen stellten. Dazu zählten für ihn etwa der Nachhaltigkeitsfaktor oder die Rente mit 67. Umso unverständlicher sei es, dass die Politik diesen Weg wieder verlasse: „Es ist eine irre Dummheit, den Nachhaltigkeitsfaktor mit der Haltelinie wieder aufzugeben und damit diese Schwerstarbeit vergeblich zu machen. Das ist zudem ungerecht, weil sie die Lasten einseitig zu Ungunsten der Jüngeren verschiebt“
Statt Reformen durchzusetzen, setze die Regierung auf eine neue Rentenkommission, deren Vorschläge aber erst 2027 vorliegen sollen. Der Wirtschaftswissenschaftler zweifelt am Nutzen: „Ob eine Kommission die rhetorische Macht hat, sich gegen eben verabschiedete Kabinettsbeschlüsse zu stellen, ist fraglich". Überdies würden Vorschläge dieser neuen Rentenkommission erst Mitte 2027 vorliegen. Damit dürfte der Zug für eine Rentenreform in dieser Legislaturperiode abgefahren sein. Schließlich fehle dann „nur noch ein gutes Jahr bis zum nächsten Bundestagswahlkampf. Und Einschnitte bei der Rente sind bekanntermaßen kein beliebtes Wahlkampfthema", unterstrich der promovierte Volkswirtschaftler.
Rentenalter an Lebenserwartung koppeln
Ein zentraler Hebel für Börsch-Supan ist das Renteneintrittsalter. „Wir können nicht alle länger leben und kürzer arbeiten. Das hält die Rentenversicherung nicht durch“, sagt der Mathematiker. Eine Kopplung des Rentenalters an die Lebenserwartung sei unvermeidlich, um die Finanzierung der Rente langfristig zu sichern. Kompromisse seien denkbar. So könnten beipielsweise Ausnahmeregelungen für Geringverdiener oder gesundheitlich stark belastete Berufsgruppen eingeführt werden.
Die aktuellen Regierungspläne zur sogenannten „Aktivrente“ bewertet er dagegen als inkonsequent. „Dass Menschen länger arbeiten, könnte man auch anders erreichen. Eben, indem das Rentenalter über 2030 hinaus weiter steigt“, so Börsch-Supan.
Frust zeigt der Ökonom über die mangelnde Bereitschaft der Politik, unangenehme Wahrheiten auszusprechen. „So lange wissen wir, dass in Deutschland immer weniger Beitragszahler auf immer mehr Rentner kommen und die Generation der Babyboomer das Ungleichgewicht massiv verschärfen wird. In der Politik aber herrscht grobe Uneinsichtigkeit. “, so sein Resümee.