Wirtschaftsweise zur Rentenversicherung: 'Kollaps wird unweigerlich kommen'

Quelle: Stefan Boness / sachverstaendigenrat-wirtschaft.de

Die gesetzliche Rentenversicherung steht nach Einschätzung der Wirtschaftsweisen Monika Schnitzer vor massiven Herausforderungen. „Wenn die Regierung nichts tut, wird der Kollaps unweigerlich kommen“, warnt die Ökonomin in einem Interview. Neben Reformen bei der Rente fordert sie auch ein stärkeres finanzielles Eigenengagement der Bürger in der Pflegevorsorge.

Die sozialen Sicherungssysteme in Deutschland stehen vor enormen Herausforderungen, die durch den demografischen Wandel und steigende Kosten immer drängender werden. Doch die Politik schreckt aus Angst vor Wählerverlusten vor dringend notwendigen Reformen zurück, mahnte die Wirtschaftsweise Monika Schnitzer vor einiger Zeit in einem Interview in der Fachzeitschrift "Aktuar Aktuell" von der Deutschen Aktuarvereinigung: „Bei all den dramatischen Entwicklungen und Konflikten in verschiedenen Regionen dieser Welt will ich vorsichtig sein mit Superlativen, aber die Herausforderungen der gesetzlichen Rentenversicherung sind so gewaltig, dass das Thema ins Zentrum der Programme aller Parteien rücken müsste, die die Zukunft dieses Landes ernsthaft gestalten wollen“

Angesichts der aktuellen Debatten schlägt die Wirtschaftsweise erneut Alarm. Denn die sozialen Sicherungssysteme in Deutschland sind ihrer Einschätzung nach nicht zukunftsfest. Besonders die Rentenversicherung stehe vor einer massiven Schieflage. „Das Verhältnis von Jung zu Alt verschlechtert sich immer weiter und die Baby-Boomer gehen jetzt erst in Rente. Es wird immer schwieriger, die Rentenzahlungen aus den Beiträgen der arbeitenden Bevölkerung zu finanzieren. Wenn die Regierung nichts tut, wird der Kollaps unweigerlich kommen“, warnt Schnitzer in einem Interview mit dem "RedaktionsNetzwerkDeutschland"

Mit Blick auf die aktuelle schwarz-rote Bundesregierung zeigt sich die Ökonomin skeptisch, ob die dringend notwendigen Schritte eingeleitet werden. „Aktuell sieht es leider nicht so aus, als gingen Union und SPD große und mutige Reformen an. Dabei wären die nicht nur bei der Rente nötig“, so Schnitzer.

Ein zentraler Reformbaustein müsse aus ihrer Sicht eine stärkere Nutzung des Kapitalmarkts sein. „Dass Menschen selbst sparen, und das auch am Kapitalmarkt, sollte ein Baustein sein, um das Rentensystem zu stabilisieren. Eigentlich sollte es allen bewusst sein, dass die gesetzliche Rente allein nicht das einzige sein kann, worauf man sich im Alter verlässt“, erklärt sie. Besonders kritisch sieht sie, dass viele Bürger weiterhin auf Produkte wie Sparbücher oder klassische Lebensversicherungen setzen. „Der Aktienmarkt ist über die letzten Jahrzehnte immer der Markt gewesen, wo die Renditen deutlich höher waren. Sicherlich fehlt es zum Teil auch an Finanzbildung, das sollte gestärkt werden“, betont sie.

Doch die Rentenfrage ist nur ein Teil der sozialen Herausforderungen. Auch die Pflegeversicherung gerät nach Einschätzung Schnitzers zunehmend unter Druck. „Wir können auch die Ausgaben der Pflegeversicherung nicht weiter so ansteigen lassen. Natürlich muss es Unterstützung geben, aber es muss auch klar sein, dass jeder damit rechnen muss, irgendwann mal ein Pflegefall zu werden. Dafür muss er auch selbst vorsorgen“, sagt sie.

Als Beispiel verweist Schnitzer auf den Vorschlag des Beirats des Bundeswirtschaftsministeriums. Die Generation der Baby-Boomer solle die kommenden Jahre nutzen, um in einem Fonds zusätzlich Kapital anzusparen und damit ihre spätere Pflege zu finanzieren. Auch das eigene Vermögen müsse dabei stärker herangezogen werden. „Man kann nicht erwarten, dass der Staat das Eigenheim schützt, wovon am Ende die Erben profitieren, aber die Kosten der Pflege von der Allgemeinheit getragen werden“, so Schnitzer.