Zunehmende Extremwetter und stetig steigende Kosten machen die Wohngebäudeversicherung zu einem der schwierigsten Zweige im Kompositgeschäft. Zuletzt bereitete nur die Kfz-Versicherung den Unternehmen noch mehr Kummer. Der Versicherungsbote stellt die Marktführer vor – und ordnet sie mit Kennzahlen ein.
Die Wohngebäudeversicherung schützt den größten Vermögenswert vieler Haushalte: das eigene Zuhause. Mit Elementarschutz wird sie zum Sicherungsnetz nach Flut, Starkregen oder Sturm. Zugleich bleibt die Sparte anspruchsvoll: Klimarisiken nehmen zu, Bau- und Lohnkosten steigen, behördliche Auflagen verlängern den Wiederaufbau – mit unmittelbaren Folgen für die Bilanz.
Wer in den letzten Jahren ein Unwetter traf, kennt die Kaskade: erst Notabdeckung und Trocknung, dann die teuren Schritte – Gerüst, Ziegel und Holz, Dämmung, Putz, Böden. Material ist knapp, Handwerker sind ausgelastet; jede Verzögerung treibt die Rechnung. Genau diese Bau- und Arbeitskosten erhöhen den Schadenaufwand in der Wohngebäudeversicherung. Genau dieser Schadenaufwand setzt den Versicherern zu.
Hinzu kommen Großschäden wie im Ahrtal, die sich tief in die Bilanzen eingraben. Auch 2023 – das Jahr, auf das sich die folgenden Zahlen beziehen – war überdurchschnittlich teuer: Unwetter verursachten rund 5,7 Milliarden Euro versicherte Schäden, davon etwa 3,7 Milliarden im Sachbereich (Versicherungsbote berichtete). Besonders hart traf es Regionen mit hoher Exponierung: Bayern verzeichnete 2,051 Milliarden Euro, Hessen 892 Millionen Euro. Diese Großschadenlage erklärt, warum das Geschäft trotz Sanierungsschritten fragil bleibt – und bereitet die Bühne für die Kennzahlen der Wohngebäudeversicherung 2023.
Branchenzahlen 2023: Luft-Holen unter Druck
Nach harten Jahren gelingt der Sparte 2023 erstmals eine kleine Atempause: Der Branchenschnitt der Schaden-Kosten-Quote fällt auf 99,30 Prozent. Von Entwarnung kann trotzdem keine Rede sein. Fünfundzwanzig von fünfzig Gesellschaften liegen weiterhin über einhundert, und im versicherungstechnischen Ergebnis bleibt der Durchschnitt je Versicherer bei minus 14,59 Millionen Euro; zweiunddreißig von fünfzig schreiben hier Verlust. Die Stabilisierung ist real – aber fragil.
Operativ hellt sich die Schadenquote auf 72,05 Prozent (gegenüber 76,74 Prozent im Jahr 2022). Beim Schadenaufwand je Vertrag zeigt sich jedoch die neue Normalität in Wellen: Vor dem Ahrtal lag er bei rund 300 Euro (2018: 311,21; 2020: 299,42), sprang 2021 auf 508,23 Euro, fiel 2022 auf 425,65 Euro – und steigt 2023 wieder auf 459,72 Euro. Entlastung kommt daher vor allem über die Einnahmeseite: Die gebuchten Bruttoprämien je Versicherer erhöhten sich um 16,5 Prozent auf 224,82 Millionen Euro, die Durchschnittsprämie je Vertrag um 16,6 Prozent auf 649,38 Euro (seit 2018: plus 54 Prozent). Parallel schrumpft die Vertragsbasis von 375.573 (2021) über 366.902 (2022) auf 362.012 (2023).
Die Durchschnittszahlen erzählen allerdings nur die halbe Geschichte – die andere Hälfte ist Geografie. Denn Versicherer, die in Unwetterregionen wie Bayern oder Hessen besonders aktiv sind, tragen in solchen Jahren die größere Last. Die Folge sind spürbare Ausschläge in den Ergebnissen einzelner Gesellschaften: Quoten können je nach Wetterjahr deutlich springen. Wie aber schlugen sich die Marktführer 2023? Die Kennzahlen stellen wir im Folgenden vor.
Die Marktführer in Kennzahlen
Drei Häuser prägen das Geschäft besonders – Allianz, Provinzial und R+V. Zusammen vereinen sie knapp 29 Prozent Marktanteil. Ihre Profile zeigen sehr unterschiedliche Wege durch das schwierige Umfeld.
Allianz – Primus mit Gegenwind
Die Allianz behauptete mit einem Marktanteil von 13,58 Prozent souverän ihre Spitzenposition im Markt der Wohngebäudeversicherung. Die gebuchten Bruttoprämien legten 2023 um 17,5 Prozent auf 1,609 Milliarden Euro zu (2022: 1,369 Milliarden Euro; +240,23 Millionen Euro). Trotz dieses Wachstums schrumpfte der Vertragsbestand im Kurz- wie im Langfristvergleich deutlich: von 2.522.473 Verträgen 2018 auf 2.268.215 2023 (−254.258 bzw. −10,1 Prozent); allein gegenüber 2022 ergibt sich ein Minus von 192.932 Policen. Das zeigt: Der Marktführer steigert zwar die Einnahmen, kämpft aber mit einem kleiner werdenden Kundenstamm.
Ertragsseitig bleibt das Bild schwach: Eine Schaden-Kosten-Quote von 107,89 Prozent (Rang 35 von 50) steht für ein deutlich defizitäres Jahr; im versicherungstechnischen Ergebnis verbucht die Allianz −123,26 Millionen Euro. Zum Vergleich: 2022 lag der Fehlbetrag bei −67,39 Millionen Euro, im Katastrophenjahr 2021 sogar bei −179,81 Millionen Euro. Das zeigt: Auch der Marktführer tut sich schwer, das Geschäft in der Wohngebäudeversicherung nachhaltig über die Kostenschwelle zu heben.
Provinzial: Comeback nach schweren Jahren
Die Provinzial behauptete 2023 ihre Position als zweitgrößter Anbieter mit einem Marktanteil von 8,87 Prozent. Die gebuchten Bruttoprämien stiegen um 16,5 Prozent auf 1,051 Milliarden Euro (2022: 901,44 Millionen Euro). Der Vertragsbestand blieb nahezu stabil bei 1.100.959 Verträgen (2022: 1.110.941), ein Rückgang um 9.982 Policen (minus 0,9 Prozent). Bemerkenswert ist die Ergebniswende: Die Schaden-Kosten-Quote sank von 119,26 Prozent (2022) auf 82,47 Prozent (2023) – eine Verbesserung um 41 Ränge auf Platz 3 der gesamten Branche.
Auch im versicherungstechnischen Ergebnis gelingt der Provinzial die Rückkehr ins Plus: 2023 steht ein Gewinn von 48,86 Millionen Euro – nach einem Verlust von 150,66 Millionen Euro im Jahr 2022 und sogar 435,16 Millionen Euro im Jahr 2021. Im Sechsjahresblick 2018–2023 bleibt es zwar durchschnittlich bei einem Verlust von 82,95 Millionen Euro – damit jedoch besser als bei der Allianz, die im selben Zeitraum im Schnitt minus 101,29 Millionen Euro ausweist.
R+V: Stabiler Bestand, dennoch Verlustjahr
Die R+V Allgemeine erzielte mit einem Marktanteil von 6,32 Prozent den dritten Platz unter den Marktführern der Wohngebäudeversicherung. Die gebuchten Bruttoprämien stiegen um 13 Prozent auf 749,29 Millionen Euro (2022: 663,32 Millionen Euro), ein Zuwachs von 85,97 Millionen Euro. Die Anzahl der Verträge blieb mit 1.036.338 im Jahr 2023 nahezu unverändert gegenüber 1.038.574 im Jahr 2022 – ein Rückgang um 2.236 Verträge. Mit einer Schaden-Kosten-Quote von 102,58 Prozent (Rang 31 von 50) bleibt das Geschäft leicht defizitär.
Das versicherungstechnische Ergebnis gibt freilich wenig Anlass zur Freude: 2023 steht ein Verlust von 89,88 Millionen Euro zu Buche. 2022 lag der Fehlbetrag niedriger (–67,39 Millionen Euro), den größten Verlust verbuchte die R+V im Katastrophenjahr 2021 mit –136,88 Millionen Euro. Im Sechsjahresschnitt 2018–2023 ergibt sich ein durchschnittlicher Verlust von 68,57 Millionen Euro.
Die Ränge vier bis zehn in der Wohngebäudeversicherung
Hier folgt der Blick auf die Plätze vier bis zehn – eine kompakte Momentaufnahme des Jahrgangs 2023 mit Prämien, Verträgen, Schaden-Kosten-Quote und versicherungstechnischem Ergebnis:
- SV Gebäudeversicherung (Marktanteil 6,24 Prozent; Rang 4): Prämien 739,23 Mio. Euro (+13,3 Prozent), Verträge 1.348.268 (−3,0 Prozent), Combined Ratio 95,57 Prozent (Rang 17), versicherungstechnisches Ergebnis +20,12 Mio. Euro.
- Axa (5,66 Prozent; Rang 5): Prämien 670,54 Mio. Euro (+14,3 Prozent), Verträge 895.650, Combined Ratio 111,35 Prozent (Rang 44), Ergebnis −134,88 Mio. Euro.
- Bayerischer Versicherungsverband (4,08 Prozent; Rang 6): Prämien 483,17 Mio. Euro (+17,9 Prozent), Verträge 873.745, Combined Ratio 110,82 Prozent (Rang 42), Ergebnis −19,19 Mio. Euro.
- HUK-Coburg (4,00 Prozent; Rang 7): Prämien 474,85 Mio. Euro (+17,1 Prozent), Combined Ratio je Einheit 88,51 bis 97,10 Prozent, Ergebnis gesamt +59,34 Mio. Euro (VVaG +25,57, Allgemeine +24,58, HUK24 +9,19).
- LVM (4,00 Prozent; Rang 8): Prämien 474,23 Mio. Euro (+18,6 Prozent), Verträge 785.820 (+2,4 Prozent), Combined Ratio 102,36 Prozent (Rang 30), Ergebnis −51,46 Mio. Euro.
- Generali (4,00 Prozent; Rang 9): Prämien gesamt 474,59 Mio. Euro (Generali Deutschland 385,50, Dialog 89,09), Combined Ratio 106 bis 108 Prozent, Ergebnis gesamt −78,38 Mio. Euro (−59,38 / −19,00), Verträge 704.912 / 176.730.
- DEVK (3,11 Prozent; Rang 10): Prämien gesamt 368,33 Mio. Euro (Allgemeine 280,02, VVaG 88,31), Verträge 452.862 / 179.868, Combined Ratio 88,88 / 92,69 Prozent, Ergebnis gesamt +9,07 Mio. Euro (+7,41 / +1,66).
Hintergrund: Alle Zahlen sind dem Branchenmonitor Wohngebäudeversicherung 2024 der V.E.R.S. Leipzig GmbH entnommen – Differenzen hat Versicherungsbote ausgerechnet (ohne Gewähr). Der Monitor deckt die 50 größten Unternehmen (und damit 95 Prozent des Wohngebäude-Markts) ab und kann auf der Webseite der Leipziger Experten kostenpflichtig bestellt werden.