Viele Deutsche sparen mehr, doch ihre Ziele rücken in weite Ferne. Eine neue BVR-Auswertung zeigt: Die gefühlte Notwendigkeit zu sparen wächst deutlich schneller als die reale Sparfähigkeit. Das führt zu einer Rekord-Sparlücke mit Folgen für Altersvorsorge und Vermögensaufbau.
Das Jahr 2024 war für viele private Haushalte in Deutschland finanziell eine Zerreißprobe. Trotz einer historisch hohen Sparquote und steigenden Geldvermögens geraten immer mehr Menschen in eine paradoxe Lage: Sie sparen zwar, erreichen ihre selbst gesteckten Ziele aber nicht. Der Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) hat nun Zahlen vorgelegt, die die Dimension dieses Problems verdeutlichen.
Laut der repräsentativen BVR-Sparumfrage stieg das durchschnittliche monatliche Sparvolumen im Jahr 2025 auf 192 Euro. Das ist ein Plus von rund 32 Prozent gegenüber dem Vor-Corona-Jahr 2019 (145 Euro). Auch die Sparfähigkeit, also der theoretisch mögliche Maximalbetrag, erhöhte sich auf 215 Euro. Doch die gefühlte Sparnotwendigkeit liegt im Schnitt bei 298 Euro. Damit klafft eine Lücke von mehr als 100 Euro zwischen Wunsch und Wirklichkeit. Das ist ein neuer Höchstwert.
"Die Ergebnisse zeigen, dass die Sparbedarfe der Deutschen aktuell stärker steigen als ihre Sparfähigkeit. Selbst Menschen mit mittleren Einkommen verfehlen ihre Zielbeträge in einem immer größeren Ausmaß", so BVR-Chefvolkswirt Dr. Andreas Bley. "Die erhöhte Sparquote täuscht darüber hinweg, dass die meisten Bundesbürgerinnen und Bundesbürger ihre Sparziele verfehlen. Damit droht die Vorsorgelücke weiter zu steigen."
Besonders deutlich zeigt sich diese Diskrepanz bei Haushalten mit niedrigen Einkommen. Wer weniger als 50 Euro monatlich spart, liegt im Schnitt 135 Euro hinter dem, was als notwendig erachtet wird. Aber auch mittlere und höhere Einkommen schaffen es vielfach nicht, ihr Sparziel zu erreichen.
Die wachsende Sparlücke ist kein rein psychologisches Phänomen, sondern Ausdruck realer Belastungen. Inflation, gestiegene Lebenshaltungskosten und unsichere wirtschaftliche Aussichten lassen den Vorsorgedruck steigen. Zwar erhöhte sich das Geldvermögen der privaten Haushalte 2024 um 7,4 Prozent auf 9.419,8 Milliarden Euro. Inflationsbereinigt verlieren diese Werte jedoch an Schlagkraft. „Von dem höheren Geldvermögen können weniger Waren und Dienstleistungen erworben werden“, heißt es in der Analyse.
Auch die Verteilung ist problematisch: Die reichsten 10 Prozent der Haushalte besitzen über 70 Prozent des Nettogeldvermögens, während die ärmere Hälfte nicht einmal einen Prozent hält. Hinzu kommt: Wohlhabendere Haushalte erzielen durch Aktien und Fonds höhere reale Renditen, während weniger Vermögende ihr Geld meist in zinsarmen Bankeinlagen oder Versicherungsprodukten parken und diese entsprechend geringere Erträge erzielen.
Für die Altersvorsorge bedeutet dies: Gerade jene, die ohnehin knapp kalkulieren müssen, bleiben in schwachen Anlageformen gefangen und laufen Gefahr, ihre Vorsorgeziele dauerhaft zu verfehlen. Der BVR fordert daher eine Stärkung der finanziellen Bildung sowie gezielte Fördermaßnahmen für Haushalte mit geringem Spielraum. Nur so könne langfristig verhindert werden, dass breite Teile der Bevölkerung beim Vermögensaufbau ins Hintertreffen geraten.
"Wer die gesetzliche Rente ergänzen und echte Vermögensbildung ermöglichen will, muss mehr Menschen den Zugang zu renditestarken Vorsorgelösungen eröffnen. Finanzielle Bildung, einfache Produkte und gezielte Förderung sind dafür zentrale Hebel", sagt Bley. Die im Koalitionsvertrag angekündigte Frühstartrente und die geplante Reform der Riester-Rente sind aus Sicht des BVR wichtige Schritte. Sie setzten richtige Impulse, würden aber zu kurz greifen. Um eine spürbare Breitenwirkung zu erzielen, brauche es ein staatlich gefördertes Altersvorsorgedepot, das allen Erwerbstätigen offensteht.