Wirtschaftsweiser fordert Eingriff bei Beamtenpensionen und Wegfall der Witwenrente

Quelle: Sachverständigenrat Wirtschaft

Der Wirtschaftsweise Martin Werding warnt vor einer Überlastung der Rentenversicherung und fordert klare Reformen. Längeres Arbeiten, höhere Abschläge bei Frühverrentung, die Streichung der Witwenrente und ein Umbau der Beamtenpensionen gehören für ihn dazu. Auch die kapitalgedeckte Vorsorge müsse dringend gestärkt werden.

Bereits Anfang Juli 2025 hatte Martin Werding, Mitglied des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, mehr Mut in der Rentenpolitik eingefordert. Der Professor für Sozialpolitik und öffentliche Finanzen schlug damals eine grundlegende Neuausrichtung der geplanten Rentenkommission vor. Der im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD verankerte Auftrag zur Prüfung einer neuen Kenngröße für das Gesamtversorgungsniveau sei zu eng gefasst und vernachlässige zentrale Herausforderungen der Alterungsgesellschaft.

In wenigen Jahren könnte auch die Rentenversicherung deutlich teurer werden. Spätestens 2028 erwartet der Ökonom einen „sprunghaften Anstieg“ der Rentenbeiträge von derzeit 18,6 auf knapp 20 Prozent. Damit wäre die Gesamtsozialabgabenquote bereits bei 45 Prozent. "Die Frage ist nicht, ob die Beitragssätze irgendwann 50 Prozent erreichen, sondern wann das geschieht", sagte Werding damals gegenüber der "Rheinischen Post". Ohne tiefgreifende Reformen steuert Deutschland ungebremst auf diese hohe Abgabenquote zu.

Nun legt der Wirtschaftsweise in einem aktuellen Interview mit der "Rheinischen Post" nach. „Die aktuelle Entwicklung ist atemberaubend“, so Werding zur finanziellen Lage der Sozialkassen. Mit Blick auf die demografische Entwicklung warnt der Ökonom vor einem drastischen Anstieg der Beitragssätze.

Ein zentraler Punkt für Werding ist das Renteneintrittsalter. Schon heute sei die durchschnittliche Rentenbezugsdauer doppelt so lang wie in den 1960er Jahren. Deshalb müsse die Regelaltersgrenze auch nach 2031 – wenn sie bei 67 Jahren liegt – weiter steigen. Werding schlägt eine Kopplung an die Lebenserwartung vor: Zwei Drittel der zusätzlichen Lebenszeit sollen in Erwerbsarbeit fließen, ein Drittel in den Ruhestand.

Konkret würde das bedeuten: Alle zehn Jahre steigt die Regelaltersgrenze um sechs Monate. Die Folge: 2050 läge sie bei 68 Jahren, 2070 bei 69 Jahren. Frühverrentung soll weiterhin möglich sein – jedoch mit höheren Abschlägen. Aktuell werden 3,6 Prozent pro Jahr abgezogen. Werding hält fünf bis sieben Prozent für angemessen.

Die Entscheidung der Bundesregierung, das Rentenniveau bis 2031 bei 48 Prozent zu halten, kritisiert Werding als kostspielig: „Das wird teuer werden: Entweder müssen die Steuerzuschüsse stark steigen oder die Beiträge für Arbeitnehmer und Arbeitgeber“. Allein bis 2040 würden sich die Mehrkosten auf über 300 Milliarden Euro summieren.

Reformbaustein: Beamtenversorgung

Auch die Mütterrente, wie sie derzeit gestaltet ist, sieht der Ökonom skeptisch. Zwar seien Anreize zur Steigerung der Geburtenrate im Umlagesystem sinnvoll. Rückwirkende Maßnahmen seien jedoch wirkungslos. Zudem verweist Werding auf frühere Sonderregelungen, etwa die Rente nach Mindestentgeltpunkten für ältere Mütter.

Einen weiteren Reformbaustein sieht Werding im Umgang mit der Beamtenversorgung. Die durchschnittliche Pension liegt bei 3.600 Euro und damit mehr als doppelt so hoch wie die gesetzliche Durchschnittsrente. Dennoch lehnt er es ab, Beamte in die gesetzliche Rentenversicherung einzubeziehen. „Es hat dem System noch nie geholfen, weitere Gruppen einzubeziehen. Denn sie bedeuten steigende Rentenansprüche in der Zukunft. Das gilt vor allem für Beamte, deren Lebenserwartung höher ist als beim Schnitt der Bevölkerung. Zudem würde man damit die Probleme nur verschieben", erklärt Werding.

Stattdessen schlägt Werding vor, neuen Beamten künftig eine Basisrente zu gewähren, ergänzt um eine Betriebsrente – nach dem Vorbild der Privatwirtschaft. Außerdem solle nur noch verbeamtet werden, wer hoheitliche Aufgaben übernimmt. Für Lehrkräfte und Hochschuldozenten sei das nicht zwingend erforderlich.

Die zusätzliche kapitalgedeckte Vorsorge ist für Werding unverzichtbar. Die von der Ampel angedachte Finanzierung über Schulden – etwa beim „Generationenkapital“ – sieht er kritisch. Die geplante Frühstart-Rente, bei der jedes Kind vom sechsten bis zum 18. Lebensjahr staatlich geförderte Beiträge erhält, begrüßt er jedoch. Sie könne einen Impuls für mehr Finanzbildung setzen. Was fehlt, sei eine Anschlussregelung für junge Erwachsene und bestehende Erwerbstätige.

Auch die Witwenrente stellt Werding infrage. Frauen seien heute weitgehend in der Lage, selbst für ihren Lebensunterhalt zu sorgen. In Schweden etwa wurde die lebenslange Witwenrente bereits 1990 für alle nachfolgend geschlossenen Ehen abgeschafft. In Deutschland sei eine solche Reform möglich – mit ausreichendem Vorlauf, damit sich Betroffene anpassen können.