BaFin deckt Mängel in der Versicherungsberatung auf

Quelle: DALL-E

Die Finanzaufsicht BaFin hat mit einer Mystery-Shopping-Aktion gravierende Mängel in der Versicherungsberatung aufgedeckt. Viele Versicherer verfehlten zentrale Pflichten zur Kundenaufklärung und Produktpassung. Die Finanzaufsicht kündigt nun Gespräche mit betroffenen Unternehmen an.

Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hat in einer Mystery-Shopping-Aktion die Beratungsqualität beim Vertrieb von Versicherungsanlageprodukten untersucht. In 72 Beratungsgesprächen bei sechs Versicherungsunternehmen sowie deren Vertriebspartnern fanden sich deutliche Defizite bei der Einhaltung gesetzlicher Vorgaben. Ziel der Aktion war es, zu prüfen, ob Kunden angemessen beraten und Produkte empfohlen wurden, die tatsächlich ihren Bedürfnissen entsprechen. Im Fokus standen dabei unter anderem die Umsetzung von Vorschriften des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG), der Durchführungsverordnung für Versicherungsanlageprodukte (DVO VersAnIP), der Verordnung über Informationspflichten bei Versicherungsverträgen (VVG-InfoV) sowie der Offenlegungsverordnung. Die Aktion war Teil einer länderübergreifenden Initiative der europäischen Aufsichtsbehörde EIOPA.

Erhebliche Mängel bei der Bedarfsermittlung

Ein zentrales Problem dabei war die verpflichtende Bedarfsermittlung. Das systematische Erfassen der Wünsche und Bedürfnisse der Kunden wurde vielfach vernachlässigt. Angaben zur bisherigen Anlageerfahrung, zur finanziellen Situation, zum Anlageziel, zur geplanten Anlagedauer, Risikobereitschaft und zu Nachhaltigkeitspräferenzen wurden häufig gar nicht oder nur oberflächlich erfragt. Dies widerspricht den gesetzlichen Anforderungen und gefährdet die Eignungsprüfung empfohlener Produkte.

In der Hälfte der Fälle dokumentierten die Berater nicht, ob das empfohlene Produkt überhaupt zu den Kundenerwartungen passte. Nur 19 der 72 abgeschlossenen Verträge erfüllten die EIOPA-Kriterien zu Rendite, Risiko und Nachhaltigkeit. In zahlreichen Fällen konnte die Geeignetheit der Produkte in Hinblick auf Risikoklasse oder Renditeerwartung nicht eindeutig festgestellt werden.

Ein weiterer Kritikpunkt betrifft die Beratungsdokumentation. Die Vertragsunterlagen umfassten nicht selten mehr als 200 Seiten. In Einzelfällen waren es sogar über 400 Seiten. Viele davon waren unübersichtlich oder gar irreführend. So war teilweise unklar, auf welches Produkt sich ein Basisinformationsblatt bezog.

Ein besonderes Augenmerk richtete die Aufsicht auf die Bereitstellung von Pflichtinformationen. Die zu übergebenden Unterlagen wurden in vielen Fällen verspätet oder gar nicht überreicht. Eine Auswertung zeigt: Informationen zu Nachhaltigkeitsrisiken wurden nur in 76 Prozent der Gespräche bereitgestellt, Beratungsdokumentationen in 75 Prozent und das Basisinformationsblatt (BIB) lediglich in 68 Prozent der Fälle. Diese Werte dokumentieren erhebliche Defizite. Dabei ist dieser Prozess klar regulatorisch geregelt.

Multioptionsprodukte dominieren – Nachhaltigkeit oft Thema

Von den 72 untersuchten Verträgen entfielen 68 auf sogenannte Multioptionsprodukte, die eine fondsgebundene Anlagekomponente enthielten. Nur vier Verträge waren klassische Versicherungsprodukte ohne explizite Investmentauswahl. Insgesamt wurden dabei tendenziell längere Laufzeiten vereinbart als ursprünglich von den Testkunden gewünscht.

Auffällig: 53 der 72 Verträge enthielten nachhaltige Anlagekomponenten. Dabei hatten etwa 50 Prozent der Testpersonen von sich aus Nachhaltigkeitspräferenzen geäußert – diese wurden jedoch nicht immer in der Beratung aufgenommen oder adäquat dokumentiert.

In 94 Prozent der Beratungen seien die Kunden zwar über die erwartete Rendite informiert worden, in 81 Prozent auch über das Risikoniveau. Doch in rund einem Drittel der Gespräche wurden die Produktkosten nicht thematisiert. Die effektiven jährlichen Kosten bewegten sich in einer Bandbreite zwischen 0,71 und 3,29 Prozent. Zugleich blieben viele Renditeprognosen unter der Zielmarke von zwei Prozent, was Zweifel an der Wirtschaftlichkeit einzelner Angebote aufkommen lässt.

BaFin: Gespräche mit betroffenen Unternehmen geplant

Die Finanzaufsicht will nun mit den Versicherern in Kontakt treten, bei denen Auffälligkeiten festgestellt wurden. Ziel sei es, systematische Mängel zu identifizieren und zu beheben. Die BaFin betont, dass die Ergebnisse eine Momentaufnahme darstellen – gleichwohl seien sie ein wertvoller Indikator dafür, wie es um die Praxis der Versicherungsberatung in Deutschland bestellt ist.

Das Mystery Shopping soll laut BaFin auch künftig Bestandteil der Aufsichtspraxis bleiben, da diese Methode unmittelbare Einblicke in reale Beratungssituationen erlaubt – anders als die Auswertung von Verbraucherbeschwerden oder internen Prüfberichten, die nur mittelbare Informationen liefern.

Vertriebskanäle unter der Lupe

Die Untersuchung umfasste unterschiedliche Vertriebskanäle:

  • Exklusivvertrieb über Berater, die ausschließlich für ein Versicherungsunternehmen tätig sind
  • Bankenvertrieb (Bancassurance)
  • Außendienstmitarbeitende, die direkt beim Versicherer angestellt sind

Dabei kamen zwei Testkundenprofile zum Einsatz: Beide stellten sich als 30- bis 50-Jährige mit mittlerem Anlagewissen vor und gaben einen Anlagehorizont von 10 bis 15 Jahren an. Während Profil 1 nachhaltige Investments bevorzugte und einen niedrigen Liquiditätsbedarf hatte, zeigte Profil 2 keine Nachhaltigkeitspräferenzen und einen hohen Liquiditätsbedarf.