Formularprozesse im Stillstand: Warum veraltete Datenerfassung Unternehmen ausbremst

Fehlerhafte und veraltete Formularprozesse bremsen Versicherungen und Finanzdienstleister aus. Das kostet nicht nur Zeit, sondern auch das Vertrauen der Kunden. Moderne, dynamische Lösungen sind gefragt. Denn in der mobilen Welt von heute erwartet niemand mehr das Formular von gestern, meint Jochen Razum, CX-Experte bei Smart Communications.

Formulare sind das Rückgrat vieler Abläufe in Finanzinstituten und Versicherungen, von der Kontoeröffnung über Vertragsabschluss oder -änderungen bis hin zu Leistungsanträgen. Doch in der täglichen Praxis wirken sie oft wie Relikte aus einer anderen Zeit. Statt Prozesse zu ermöglichen, verlangsamen sie sie. Statt Informationen zu strukturieren, erzeugen sie Fehlerquellen. Und statt Kundenerwartungen zu erfüllen, schaffen sie Frust.

Ein Begriff, der die strukturelle Schwäche vieler Formularprozesse auf den Punkt bringt: NIGO – Not In Good Order. Gemeint sind fehlerhafte oder unvollständige Formulare, die vor der Weiterverarbeitung manuell korrigiert werden müssen. Das kann eine vergessene Unterschrift sein, ein Zahlendreher im Geburtsdatum oder ein uneinheitliches Datumsformat.

Was nach Kleinigkeiten klingt, verursacht auf Organisationsebene erhebliche Mehrarbeit: Zusatzaufwand in der Sachbearbeitung, Rückfragen bei Kund:innen, Verzögerungen im Ablauf. Fehlerhafte Formulare sind eine Belastung für interne Teams und die Motivation leidet, wenn einfache Aufgaben immer wieder manuell nachbearbeitet werden müssen. Gleichzeitig fehlt die Zeit für die Betreuung komplexerer Anliegen. Und das alles für Informationen, die sich mit besser gestalteten Prozessen häufig problemlos und fehlerfrei erfassen ließen.

Mehr als ein internes Ärgernis

Die Folgen reichen weit über den Backoffice-Bereich hinaus. Eine von Smart Communications in Auftrag gegebene Studie zeigt: 63 Prozent der deutschsprachigen Verbraucher:innen würden die Interaktion mit einem Unternehmen abbrechen, wenn die Formularprozesse zu kompliziert sind – ein deutlicher Anstieg im Vergleich zu den 45 Prozent im Vorjahr.

Bis 2030 werden laut Prognosen mehr als 85 Prozent der Bevölkerung in Deutschland ein Smartphone nutzen – über alle Altersgruppen hinweg. Die Erwartung, Formulare mobil ausfüllen zu können, ist längst Realität. Viele heutige Lösungen sind dafür aber nicht ausgelegt: Sie sind zu kleinteilig, zu fehleranfällig, zu wenig responsiv. Wer das mobile Nutzungserlebnis nicht ernst nimmt, grenzt einen Großteil seiner Zielgruppe aus.

Das Vertrauen in eine Organisation beginnt oft schon beim Ausfüllen des ersten Feldes eines Formulars. Wer hier durchfällt, riskiert, dass Anträge abgebrochen oder gar nicht erst begonnen werden und verliert nicht nur Zeit, sondern auch Glaubwürdigkeit.

Gerade in sensiblen Branchen wie der Versicherungs- und Finanzindustrie, wo Vertrauen ein zentraler Faktor ist, können fehleranfällige und komplizierte Prozesse zu einem echten Reputationsrisiko werden.

PDF ist kein Fortschritt

Die vermeintliche Digitalisierung durch ausfüllbare PDFs verschafft Unternehmen selten den erhofften Modernisierungsschub. Statische Formularfelder lösen keine Probleme – sie verlagern sie nur in die Bearbeitung. Dass viele Organisationen diese Methode dennoch als „digitalen Standard“ betrachten, ist Ausdruck einer Minimalstrategie, die mit den Anforderungen der heutigen Nutzer:innen nicht Schritt halten kann.

Formulare, die sich an gedruckte Vordrucke anlehnen, statt an digitale Möglichkeiten, sind ein Beispiel dafür, wie Digitalisierung auf halbem Weg stehen bleibt.

Was stattdessen gebraucht wird

Moderne Formularprozesse zeichnen sich durch drei Eigenschaften aus: Sie sind dynamisch, kontextbasiert und benutzerfreundlich. Sie passen sich dem Wissen, dem Gerät und der Situation der Nutzerin oder des Nutzers an. Relevante Informationen werden vorausgefüllt, unnötige Fragen ausgeblendet, Eingaben automatisch geprüft. Elektronische Signaturen sind integriert, Validierungen laufen im Hintergrund. Erst wenn alles plausibel und vollständig ist, kann das Formular übermittelt werden.

Kund:innen müssen sich nicht wiederholen und Mitarbeitende erhalten strukturierte, konsistente Datensätze. Das spart Zeit – nicht nur im Frontend, sondern auch in der Weiterverarbeitung und Archivierung.

Compliance-Risiken nicht unterschätzen

In regulierten Branchen ist der Umgang mit personenbezogenen und sensiblen Daten besonders kritisch. Fehlerhafte Formulare können nicht nur Prozesse verzögern, sondern auch rechtliche und regulatorische Konsequenzen nach sich ziehen – etwa wenn Einwilligungen nicht korrekt dokumentiert sind oder Angaben fehlen, die für eine Prüfung notwendig wären.

Digitale Formulare, die rechtskonforme Prozesse abbilden und Dokumentationsanforderungen automatisiert erfüllen, sind hier nicht nur ein Effizienzfaktor, sondern eine Grundvoraussetzung für sichere und nachvollziehbare Kommunikation.

Digitalisierung beginnt mit dem Formular

Die NIGO-Quote ist kein technisches Detail, sondern Ausdruck struktureller Versäumnisse. NIGO-Dokumente entstehen dort, wo Prozesse nicht konsequent zu Ende gedacht wurden – und wo digitale Möglichkeiten nicht genutzt werden, um echte Verbesserungen zu erzielen.

Der Weg zu effizienteren, fehlerärmeren und kundenfreundlicheren Abläufen beginnt oft mit einer simplen Frage: Warum sehen unsere Formulare eigentlich noch so aus wie vor zehn Jahren?

Wer bereit ist, diese Frage ernsthaft zu beantworten, kann Abläufe modernisieren, interne Ressourcen freisetzen und das Vertrauen von Kund:innen stärken – durch unkomplizierte und effiziente Kommunikation.