Wie positionieren Sie sich zu einem möglichen Provisionsdeckel oder gar Provisionsverbot? Wären solche Markteingriffe aus Ihrer Sicht wünschenswert? Wäre dies überhaupt ein probates Mittel, die Rendite der Verträge zu steigern?
Mit meinem oben genannten Ausweis könnte man gegebenenfalls einen Deckel definieren. Aber der Markt würde das aus meiner Sicht alleine lösen. Provisionsverbote würden dazu führen, dass viele Durschnittsbürger auf sich alleine angewiesen wären.
Sie evaluieren und zertifizieren auch die Nachhaltigkeit der Lebensversicherer. Bis 2050 will die Branche klimaneutral werden – das ist allerdings ein langer Zeitraum. Schon aufgrund der langen Laufzeiten können sich Versicherer nur nach und nach von klimaschädlichen Investments trennen, die nach unserem Wissen noch immer einen Großteil ausmachen. Wie nachhaltig ist die Branche aus Ihrer Sicht? Tut sie genug?
Gerade die deutschen Versicherer haben sich stark bewegt, seit sie über ihre Nachhaltigkeitsbemühungen berichten müssen. Mit dem von mir mitentwickelten DIN-Nachhaltigkeitsscore für Finanz- und Lebensversicherungsprodukte sowie der neuen europäischen Nachhaltigkeitsberichtserstattung wird die Transparenz dieser Bemühungen noch deutlicher – und kann in der Performance gemessen werden. Meine Meinung: die werden sich noch mehr anstrengen, um als gute Schüler dazustehen.
Können die Kundengelder ähnlich renditenstark angelegt werden, wenn sie in nachhaltige Fonds und andere „grüne“ Anlageprodukte umgeschichtet werden?
Leider haben wir durch die Ukrainekrise eine Verwerfung der Performance gesehen: Ölproduzierende Unternehmen und vor allem Rüstungsunternehmen haben grüne Investments deutlich überholt. Bei Rüstung muss man sich natürlich fragen, ob es nicht doch nachhaltig ist, wenn ich durch diese Investitionen den Erhalt von demokratischen Systemen garantiere. Das ist zum Beispiel meine Meinung.
Aber insgesamt gilt, dass Unternehmen, bei denen Nachhaltigkeit in der Unternehmensstrategie verankert ist, die besseren Versicherungsrisiken sind, da sie verantwortungsbewusster und vorausschauender agieren. Das sollte auch die richtige Grundlage sein, um besser zu performen als ein Unternehmen, das Rohstoffe aus der Erde holt oder Chemikalien produziert, die unsere Fortentwicklung gefährden. Von daher ist meine Antwort auf Ihre Frage: ja, wenn ich bei "grün" keinen puristischen Ansatz fahre, sondern den Transitionsprozess mit berücksichtige.
Die Fragen stellte Mirko Wenig. Das Interview ist im Versicherungsbote Fachmagazin 01/2024 erschienen, das hier kostenfrei abonniert werden kann.