Durchaus spannend gestaltete sich auch das Programm der Femsurance: Auch wenn der Autor dieser Zeilen aufgrund von Terminen diese Vorträge nicht abdecken konnte. Dass die Branche etwas tun sollte, um mehr Frauen für sich zu gewinnen, liegt auf der Hand: Während im Innendienst der Versicherer mehr als jede zweite Fachkraft weiblich ist, die Branche also durchaus von Frauen geprägt, spiegelt sich dies in den Vorstandsetagen nicht annähernd wider. Bei den 60 größten Versicherungsunternehmen in Deutschland lag der Frauenanteil in den Vorständen im Spätherbst 2022 bei nur 16 Prozent, so eine Auswertung des DIW Berlin. Kaum eine andere Branche steht so schlecht da. Und im Vertrieb ist das Problem noch gravierender. Chronisch von Nachwuchsmangel geplagt, liegt zum Beispiel der Frauenanteil in der Maklerschaft -je nach Studie- zwischen zwölf und 14 Prozent, auch wenn repräsentative Auswertungen dazu fehlen.
FemSurance ist nun mit dem erklärten Ziel angetreten: „Frauen in der Versicherungsbranche stärken“. Wobei sich der Kongress vornehmlich an eine weibliche Zielgruppe richtete: ein Umstand, den man zur Diskussion stellen könnte, betreffen doch Fragen des Geschlechterverhältnisses auch die Männer in der Branche. Doch den teilnehmenden Frauen sollte es möglich sein, untereinander zu netzwerken, Erfahrungen auszutauschen, voneinander zu lernen. Diskutiert wurden hierbei auch spezielle Wünsche und Bedürfnisse einer weiblichen Zielgruppe.
Die Titel der Vorträge kündeten hierbei von Aufbruchstimmung: und lassen manch pointierten Vortrag vermuten, der auch Genderklischees thematisierte. „Wir brauchen keine pinken Versicherungsprodukte!“, war zum Beispiel der Vortrag von Hava Misimi überschrieben, Geschäftsführerin der Finanzberatung Yfinance. Und Katrin M. Heigl, Gründerin von Women@Allianz sowie Direktorin des Maklervertriebs bei Deutschlands größtem Versicherer, sprach zu dem Thema „Mind the Gap – Frauen denken an alle anderen außer an sich selbst“. Dass es im Vortrag von Alina Malcomess, Head of Car Insurance bei blau direct, auch um Männerbündnisse ging, lässt schon der Titel „Zwischenmännliche Kommunikation in der Versicherungsbranche“ vermuten.
Karl Theodor zu Guttenberg über die weltpolitische Lage
Zur weltpolitischen Lage sprach Dr. Karl-Theodor zu Guttenberg in einem Vortrag. Und nein, der Doktortitel ist kein Witz: Zwar hatte der frühere Bundesverteidigungsminister im Zuge der Plagiatsaffäre seinen Doktortitel verloren und musste von allen politischen Ämtern zurücktreten, nachdem er etwas viel von anderen abgeschrieben hatte, ohne seine Quellen auszuweisen. Doch mittlerweile hält der 51jährige einen korrekt erarbeiteten Doktortitel: erworben 2019 an der Universität von Southampton mit einer Dissertation über das Korrespondenzbankwesen.
Guttenbergs Einschätzung der globalen Situation fiel wenig optimistisch aus. Nach dem Zusammenbruch der kommunistischen Ostblock-Staaten sei der Siegeszug liberaler Demokratien ausgeblieben. Und der Eindruck, es sei eine bipolare Welt mit zwei Machtblöcken entstanden -mit den USA und China als neuen Supermächten- würde täuschen. Nach Einschätzung von Guttenberg leben wir stattdessen in einer multipolaren Welt. Aufstrebende Staaten wie Indien oder Brasilien gewinnen zunehmend an Einfluss, es bilden sich neue Bündnisse: etwa die BRICS-Gruppe, ausgehend von einem Zusammenschluss der Staaten China, Indien, Russland und Südafrika. Die Folge seien zahlreiche Konfliktsituationen, kaum noch beherrschbar und mit dem Potential für einen Flächenbrand: bis hin zu kriegerischen Auseinandersetzungen wie aktuell dem Ukraine-Krieg. Auch wenn zu Guttenberg keinen dritten Weltkrieg erwartet, so doch eine Zunahme derartiger gewaltsamer Eskalationen.