Die Inflation macht auch vor Betriebsrenten nicht Halt. Doch welcher Maßstab zur Anpassung ist der richtige? Und wovon hängt das ab? Im Gastbeitrag für Versicherungsbote klärt Anja Sprick, Justiziarin bei Longial, diese Fragen.
Gesetzliche Regelung
Nach dem Betriebsrentengesetz (BetrAVG) ist der Arbeitgeber verpflichtet, alle drei Jahre zu prüfen, ob die laufenden Leistungen an die Geldentwertung angepasst werden müssen. Die für jede Betriebsrente individuellen Stichtage für eine Anpassung können zur Vereinfachung auf einen einheitlichen Stichtag im Jahr oder sogar im dreijährigen Turnus gebündelt werden. Aus dem Gesetz (§ 16 Abs. 2 BetrAVG) ergibt sich auch, welches die Maßstäbe sind, nach denen angepasst werden muss: Die Arbeitgeber können diesen entweder anhand der Entwicklung des Verbraucherpreisindexes (VPI) oder aber anhand der Entwicklung der Nettolöhne von vergleichbaren Arbeitnehmergruppen im Unternehmen ermitteln.
Was gilt, wenn die Versorgungsordnung nichts regelt?
Grundsätzlich ist zunächst ein Blick in die Versorgungsordnung erforderlich, um festzustellen, ob dort entsprechende Regelungen enthalten sind. In den meisten Fällen beinhalten Versorgungsordnungen jedoch keine solchen oder verweisen auf das Gesetz. Welcher Maßstab zur Anwendung kommt, ist in diesen Fällen grundsätzlich dem Arbeitgeber überlassen. Grundsätzlich kann ein Wechsel des Prüfungsmaßstabs vom VPI zur Nettolohnentwicklung und umgekehrt zu jedem Stichtag durchgeführt werden. Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, den einmal gewählten Maßstab dauerhaft beizubehalten.
Verbraucherindex als Referenz
Da der Verbraucherpreisindex - anders als die Nettolohnentwicklung vergleichbarer Arbeitnehmergruppen - durch die Veröffentlichung des Statistischen Bundesamtes leicht verfügbar und gut nachprüfbar ist, wird dieser bevorzugt als Referenz für die Anpassungsprüfung herangezogen. Zudem war in der Vergangenheit diese Variante in der Regel für den Arbeitgeber günstiger, da insbesondere bei langen Laufzeiten der Renten die Gehaltsentwicklung häufig über der VPI-Entwicklung lag.
Anpassung an die Nettolohnentwicklung eine sinnvolle Alternative?
Vor dem Hintergrund der angestiegenen Inflationsrate stellt sich für viele Arbeitgeber jedoch die Frage, ob die Nettolohnanpassung eventuell nun nicht die geeignetere Methode sein könnte?
Wird der Prüfungsmaßstab gewechselt, so ist laut Bundesarbeitsgericht (BAG) der Anpassungsbedarf jedoch immer von Rentenbeginn an zu prüfen, auch wenn im laufenden Rentenbezug gewechselt wird. Zunächst muss also die ursprüngliche Rente festgestellt werden - diese Ausgangsrente ist oftmals aber gar nicht mehr bekannt. Problematisch wird es insbesondere dann, wenn Rentnerbestände übernommen worden sind (etwa im Rahmen von Unternehmenszukäufen). Darüber hinaus müssen im Unternehmen vergleichbare Arbeitnehmergruppen bestimmt werden. Bei Rentnern wird dabei die frühere Berufsgruppe beziehungsweise Tätigkeit nicht unbedingt systemisch erfasst, so dass auf alte Unterlagen zurückgegriffen werden muss – sofern diese überhaupt noch vorhanden sind.
Ferner muss der zu vergleichende Nettolohn definiert werden. Ausgangspunkt hierfür sind die Bruttolöhne vergleichbarer Arbeitnehmer. Innerhalb der Vergleichsgruppe können jedoch unterschiedliche Abzüge anfallen (zum Beispiel je nach Steuergruppe). Und: In der Vergangenheit war die Nettolohnentwicklung in einigen Tarifbranchen (zum Beispiel in der Chemiebranche oder Metallindustrie) höher als der Preisindex. Bei größeren Rentnerbeständen ist demnach der Aufwand zur Bestimmung der Nettolohnentwicklung sehr hoch und nicht unbedingt vorteilhafter für den Arbeitgeber.
Was kann der Arbeitgeber tun?
- Je nach Höhe der Versorgung könnten versicherungsförmige Durchführungswege gewählt oder mit nicht-versicherungsförmigen Durchführungswegen kombiniert werden. Denn: Bei versicherungsförmigen Durchführungswegen (Direktversicherung, Pensionskasse und versicherungsförmiger Pensionsfonds) entfällt die Anpassungsprüfung, wenn ab Rentenbeginn sämtliche auf den Rentenbestand entfallende Überschussanteile zur Erhöhung der laufenden Leistungen verwendet werden. Darüber hinaus muss ebenfalls keine Anpassungsprüfung nach VPI oder Nettolohnentwicklung erfolgen, wenn eine Beitragszusage mit Mindestleistung erteilt wurde.
- Bei Versorgungszusagen, die nach 1999 erteilt wurden, besteht die Möglichkeit, eine Steigerung der laufenden Rente von mindestens einem Prozent jährlich zu versprechen. In diesem Fall entfällt die Prüfung. Bei neu zu erteilenden Versorgungszusagen kann diese Regelung von Anfang an in die Versorgungszusage aufgenommen werden. Bei bestehenden Zusagen ist allerdings eine nachträgliche Änderung vom Arbeitgeber einseitig nicht möglich. Hierfür bedarf es der Zustimmung der Versorgungsberechtigten.
- Bei Neurentnern könnte sich die Nettolohnanpassung für den Arbeitgeber unter Umständen derzeit günstiger auswirken. Dazu müssten dann vergleichbare Arbeitnehmergruppen bestimmt werden, der Nettolohn zu definieren und der Aufwand für den Arbeitgeber hierfür nicht unverhältnismäßig sein.
FAZIT
Bei der Prüfung der Anpassung gilt es, einige grundlegende Voraussetzungen wie beispielsweise den Rentnerbestand, die Durchführungswege, die Lohnentwicklung im Verhältnis zur Teuerung genau zu betrachten. Bei der Abwägung, welcher Anpassungsmaßstab für den Arbeitgeber tatsächlich finanziell vorteilhafter ist, kann die Hilfe eines versicherungsmathematischen Beraters empfehlenswert sein.