Baloise: „Entscheidend für die Folgen des KI-Einsatzes ist der Mensch“

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Elon Musk, nicht gerade für seine Technikskepsis bekannt, hat vor einigen Wochen gemeinsam mit anderen Investoren in einem offenen Brief ein Innehalten gefordert, um die Folgen des Einsatzes von KI genauer abzuschätzen. Sehen Sie auch Risiken, wenn KI bei Versicherern verstärkt zum Einsatz kommt? Welche?

Zu den Gründen, warum Elon Musk sowie weitere Unternehmer und Forschende den Brief verfasst haben, lässt sich nur spekulieren.

Ohne Bewusstsein und eigenen Willen kann KI alleine bzw. aus sich selbst heraus kein Risiko darstellen. Entscheidend für die Folgen des KI-Einsatzes ist der Mensch. Von ihm gehen die Risiken aus. Und mit KI wird der Hebel deutlich größer, den der Mensch nutzen kann. Wir sehen heute schon, wie Social Media die Meinung von Massen beeinflusst. Jetzt können durch KI erzeugte Texte, Bilder, Videos oder auch Sprache von Nutzer:innen kaum noch als künstlich erzeugt erkannt werden. Das wird von Menschen auf der ganzen Welt genutzt werden. Eine wirksame Regulierung kann hier helfen, neue Tools sowie Aufklärung und kritisches Denken vielleicht viel mehr.

Wenn wir Versicherer eines können, dann ist es mit Risiken umgehen. So ist es auch beim Einsatz von KI. Beispielsweise könnten Risiken für einzelne Kundinnen und Kunden entstehen, wenn Entscheidungen automatisiert getroffen werden und die KI falsch trainiert wurde oder „halluziniert“. Allerdings stehen den Kundinnen und Kunden heute bereits durch den Datenschutz Informationsrechte zu, die einen solchen Fehler aufdecken können. Auch ein Versicherer braucht richtige Entscheidungen, da sonst das Geschäftsmodell nicht funktioniert, hat also ein Eigeninteresse, dass dieses Risiko nicht eintritt.

Ein weiteres Transformationsthema ist der Wandel von Unternehmen zu agilen Organisationen. Hat Baloise diesen Wandel bereits vollzogen oder ist dabei? Wenn ja, können Sie anhand von Beispielen erläutern, warum diese neuen Organisationsformen notwendig sind?

Viele Unternehmen sind heute noch so organisiert wie vor vielen Jahrzehnten. Damals wurde nach Funktionen strukturiert, um effizient die meist manuellen Tätigkeiten abzuarbeiten. Wenn immer mehr der eigentlichen Tätigkeit automatisiert wird und die Arbeit, die für uns Menschen übrigbleibt, immer komplexer wird, dann müssen wir uns schon fragen, ob die Organisation von damals heute noch die richtige ist.

Wenn nun heute eine motivierte Fachexpertin eine gute Idee hat und wir zwei und mehr Jahre brauchen, um sie technisch umzusetzen, dann bringen wir weder die Leistung, die im Zweifel der Kunde von uns erwartet, noch haben wir eine zufriedene Fachexpertin. Das können wir nur ändern, wenn wir die Art und Weise der Zusammenarbeit und damit die Arbeitsteilung verändern.

Bei Baloise in Deutschland sammeln wir seit ungefähr fünf Jahren Erfahrung mit agilem Arbeiten. Wir haben viel ausprobiert und die Vorteile erlebt. Durch agiles Arbeiten kommen viele neue Methoden und Rollen dazu. Sie können ihre Wirkung nicht vollständig entfalten, wenn man nicht alte weglässt oder mit dem gleichen Mindset unterwegs ist. Daher haben wir Mitte 2022 einen großen Schritt gewagt und stellen die gesamte Organisation um, prüfen aber auch, wo wieviel Agilität Sinn macht. Wir lassen diejenigen direkt miteinander arbeiten, die ein gemeinsames Produkt oder eine Dienstleistung für unsere internen oder externen Kundinnen und Kunden gestalten. Das tun wir unabhängig von Abteilungsgrenzen bzw. den auch in anderen Branchen bekannten „Silos“. So produzieren wir schneller sichtbare und bessere Lösungen. Wir sind noch nicht im Ziel, aber auf gutem Weg.

Welche anderen technologischen Entwicklungen und Trends müssen Versicherer derzeit im Auge behalten? Vielleicht auch solche, über die weniger in der Presse berichtet wird, weil sie nicht so greifbar und „sexy“ sind wie das Thema KI?

Ich würde gerne eine Gegenfrage stellen: Was wird bei all den Veränderungen und Trends denn mit Sicherheit bleiben? Sich das regelmäßig zu fragen, hilft enorm, um sich nicht in den vielen Trends zu verlieren und sogar eine Priorisierung vorzunehmen. Bleiben wird der Wunsch zu wohnen und der Wunsch mobil zu sein. Ein wichtiger Grund, warum wir uns bei der Baloise Gruppe mit dem Aufbau von einem Ökosystem in Home und Mobility beschäftigen.

Bleiben wird auch der Wunsch, bestimmte Risiken im Privatleben oder als Unternehmer nicht selbst tragen zu müssen. Um diese Risiken kümmern sich nicht nur Versicherer, sondern ein ganzes Ökosystem aus Vertrieben, Pools, Assekuradeuren, Gutachtern, Schadendienstleistern, Abwicklungsplattformen, Rückversicherern etc. Die Veränderungen in diesem Ökosystem werden gerne überlagert von trendigeren Themen wie KI oder Metaverse, dabei unterschätzt man die dortigen Umwälzungen und verpasst dadurch vielleicht eine Chance. Eine Chance, die auch die KI nicht gesehen hätte.

Die Fragen stellte Mirko Wenig