Gräfer-Kolumne: Weg mit dem Ballast! Wie wir in der Krise Potenziale aufzeigen können

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Viele Verbraucher schauen wegen Inflation und steigenden Energie- sowie Lebenshaltungskosten genau auf die Ausgabenseite. Wo kann man gegebenenfalls den Rotstift ansetzen. Warum Versicherer und Vermittler jetzt dabei helfen sollten, den Versicherungsschutz auf die aktuelle Lebens- und Liquiditätssituation anzupassen und vielleicht sogar unnötige Policen auszusortieren, erklärt Martin Gräfer, Vorstand der Versicherungsgruppe die Bayerische.

Inflation und explodierende Lebenshaltungskosten – auch die Versicherungswirtschaft merkt, dass viele Menschen den Euro mittlerweile zweimal umdrehen. Das gibt uns die Gelegenheit konsequent ganz im Sinne unserer Kundinnen und Kunden zu handeln. Ein vielleicht unerwartetes Plädoyer für weniger unnötige Versicherungen.

Quelle: Versicherungsgruppe die Bayerische

Erinnern Sie sich noch an Momente ohne Krise? Manchmal lehne ich mich zurück, schließe die Augen und denke an eine Zeit vor der Pandemie. An eine Zeit, als wir noch keine Kriege vor unserer Haustür hatten. Und an eine günstigere Zeit, als ein warmes Wohnzimmer noch nicht als Luxusgut galt. Unsere größte Herausforderung ist nicht die Krise, sondern es sind die Summe der Krisen. Diese Anhäufung lässt die Verunsicherung der Bevölkerung ansteigen. Meldungen wie die des Ifo-Instituts, dass wir im Geschäftsklima auf den Tiefpunkt des Pandemiebeginns zurückgefallen sind, schüren die Unsicherheit zusätzlich.

Unsicherheit. Bereits im Namen zeigt sich doch die Dissonanz zu dem, was wir tagtäglich eigentlich tun: versichern. Wir sind doch diejenigen, die den Menschen in schlechten Zeiten zur Seite stehen. Dinge ersetzen. In der Notlage helfen. Natürlich konnten wir eigentlich noch nie Sicherheit garantieren, aber wir standen und stehen als Branche dann ein, wenn es galt einen Schaden zumindest wirtschaftlich wieder gut zu machen. Eine Leistung die durchaus Angst nimmt und die zu einem unbeschwerten Leben beiträgt. Zu diesem Fundament unseres Handelns müssen wir genau jetzt im vorläufigen Höhepunkt der Krise, zurückkommen: Wir müssen unseren Kundinnen und Kunden beistehen. Wir müssen ihnen versichern, dass sie durch diese herausfordernde Zeit kommen werden. Vor dieser großen Aufgabe stehen nun unsere Beraterinnen und Berater. Sie sind der direkte Kontakt und Ansprechpartner. Sie müssen nun Potenziale zeigen – Sparpotenziale.

Sparpotenzial eins: Selbstbeteiligung anheben

Muss es die Markenbutter aus dem Berchtesgadener Land sein oder reicht auch die Discounter-Marke? Muss ich wirklich noch zum Baumarkt oder tut es der alte Türknauf noch? Muss es wirklich eine Flugreise sein oder reicht nicht ein ausgedehntes Wochenende in Österreich? Ich maße mir nicht an darauf eine Antwort zu geben, aber es scheint völlig klar: viele Menschen müssen sparen. An allen Ecken und Enden. Das zeigt nicht nur die direkte Beobachtung auch in meinem Bekanntenkreis oder meiner Familie. Auch der Konsumklimaindex der Gesellschaft für Konsumforschung, der erst vor wenigen Tagen veröffentlicht wurde, stürzt geradezu ab.

Die Aufgabe von Versicherungen ist es daher nicht zwanghaft an fixen Policen festzuhängen. Alles, was nun zu teuer wirkt, könnte zukünftig gestrichen werden. Kundschaft, die einmal weg ist, ist nur schwer wiederzubekommen. Marketing- und Sales-Fachleute sprechen oftmals auch von Retention. Dieser Anglizismus beschreibt, wie gut oder schlecht es Unternehmen gelingt, ihre Kundinnen und Kunden langfristig zu halten. Es ist unsere wichtigste Aufgabe, diese Retention besonders in Krisenzeiten hochzuhalten. Den Menschen Wege aufzuzeigen, dass sie ihre wichtigen Produkte kostengünstiger halten können.

Versicherer müssen in schweren Zeiten ein guter Partner sein


Retention hat im englischsprachigen Raum eine zweite Bedeutung: Es ist nicht nur die Rate, in welchem Maße Kundinnen und Kunden gehalten werden können. Retention ist auch das englische Wort für Selbstbeteiligung bei Versicherungen. Und genau hier liegt gerade ein hohes Potenzial für Versicherte, Geld zu sparen und somit für Versicherungen ihren Kundenstamm langfristig zu halten. Denn wenn die Endverbraucherinnen und Verbraucher nun aktuell ihre Selbstbeteiligung anheben, können sie den Schutz zu einem günstigeren monatlichen Beitrag halten. Der eigentliche Schadensfall tritt für viele schließlich selten ein. Die höhere Selbstbeteiligung werden die meisten also nie spüren. Die monatliche Entlastung hingegen schon. Warum nicht auch Selbstbeteiligungen neu denken? Wir bei der Bayerischen bieten schon seit Jahren eine Selbstbeteiligung, die nicht je Schaden angewandt wird, sondern die sich auf ein gesamtes Jahr bezieht und über nahezu alle Versicherungen rund um das eigene Einfamilienhaus gerechnet wird. Die Ersparnis auf der Beitragsseite ist erstaunlich und wirklich spürbar. Wobei wir jede Form von Assistence – Leistung bei jedem Schaden bieten. Eine Idee die so kaum im Markt geboten wird. Ich finde jetzt ist die Zeit für Kreativität auch in dieser Frage.

Sparpotenzial zwei: Überflüssigkeitscheck

Es gibt wohl mindestens zwei Arten von Versicherungen: Nice-to-have- und Must-have-Versicherungen. Ein gar nicht so kleiner Teil der Angebote am Markt zählt in die Kategorie Nice-to-have-Versicherungen. Wobei man das auch gar nicht pauschal sagen kann, denn die Frage kann nur entschieden werden vor dem Hintergrund dessen, was die Familie, was das Unternehmen wirklich an Versicherungen braucht. Ist eine Fahrradversicherung nicht existenziell, dann ist sie eben verzichtbar. Wirklich überflüssig sind viele gerade über den digitalen Handel verkauften Garantieversicherungen, die meisten davon braucht wirklich niemand. Gerade in Krisenzeiten sehe ich bei dieser Frage grundsätzlich ein enormes Sparpotenzial. Oftmals passt der angebotene Versicherungsschutz überhaupt nicht oder nicht mehr zu der Lebenssituation unserer Klienten. Sprechen wir offen mit ihnen. Niemand kennt den Markt so gut wie wir. Stellen wir ihnen die richtigen Fragen. Finden wir heraus, ob die Versicherung wirklich ein Nice-to- oder ein Must-have ist. Aber lassen wir immer unsere Kunden diese Entscheidung selbst treffen. Unsere Aufgabe ist, sie in die Lage zu versetzen diese Entscheidung treffen zu können.

Wichtig ist, dass wir uns auch in diesem Bereich als guter Partner zeigen. Dass wir nicht alle Klienten über einen Kamm scheren, sondern individuell auf sie und ihre Lebenssituation eingehen; und den optimalen Versicherungsschutz identifizieren. Jeder Jeck ist anders, jeder Versicherte auch. Dass wir als Teil der Versicherungswirtschaft aktiv dazu aufrufen, bestimmte Produkte zu vermindern, wird manch einen zunächst wundern. Doch auf lange Frist schafft es Vertrauen und das Gefühl, gut aufgehoben zu sein – eine wesentliche Stärke einer guten Versicherung.

Sparpotenzial 3: Flexibel bleiben!

Zugegeben, langfristig kein Sparpotenzial, aber ein wichtiger Punkt, um Kunden in engen Momenten helfen zu können, ist eine Steigerung der Flexibilität. Versicherungen müssen reagieren und bestimmte Zahlungsmodalitäten auf die aktuelle Situation ihrer Kundinnen und Kunden einstellen können. Vorbilder, dass ein solcher Ansatz funktioniert, gibt es am Markt: Beispielhaft erwähne ich Buy-now-Pay-later-Modelle, mit denen Fintechs und andere moderne Zahlungsdienstleister aktuell sehr erfolgreich sind. Kundinnen und Kunden erhalten die Ware oder Dienstleistung sofort und haben die Möglichkeit, die Zahlung unkompliziert eine begrenzte Zeit aufzuschieben. Dies bietet Flexibilität und Anpassung an unruhige Phasen.

Wir bei der Bayerischen praktizieren diesen Ansatz in unterschiedlichen Ausprägungen an unseren Produkten. So haben unsere Versicherten je nach Produkt die Möglichkeit, den Beginn des Schutzes einfach zu verlegen oder die Zahlung, um bis zu drei Monate aufzuschieben oder gar für sechs Monate auszusetzen. Für viele eine große Hilfe, wenn es mal eben enger ist.

Fazit: Appellieren wir an die eigene Risikotragfähigkeit


Risikotragfähigkeit. Was im ersten Moment nach Beamtendeutsch aus dem Formular 1B klingt, ist tatsächlich für viele eine gute Möglichkeit, gut versichert durch schwere Zeiten zu kommen. Wir müssen mit und für unsere Kunden deren Risikotragfähigkeit definieren. Ihnen Potenziale aufzeigen, wo sie durch ein höheres Risiko sparen können, ohne unterversichert zu sein. Wir müssen ihnen dabei helfen, den persönlichen Versicherungsschutz auf die aktuelle Lebens- und Liquiditätssituation anzupassen.

Die Währung der Versicherungswirtschaft in diesen Zeiten ist es nicht, nur ein guter Verkäufer zu sein – und ich bin ein großer Fan guter Verkäuferinnen und Verkäufer. Jetzt geht es auch darum unser Versprechen einzulösen und ein guter Partner zu sein. Wir müssen sie davon überzeugen, die richtigen Produkte zu den richtigen Konditionen zu haben. Wir müssen ihnen zeigen, dass es fatal ist, in Krisenzeiten aus falschen Motiven wichtige Versicherungen zu streichen. Doch wir müssen sie auch von einem Ballast befreien. Einen Ballast, den einige in fetten Zeiten aufgebaut haben. Mit dem manche Versicherer immer noch einen zu großen Umsatz machen.

Es ist mein Credo und das Credo der Bayerischen: Die richtige Prävention ist unerlässlich. Nehmen wir unserer Kundinnen und Kunden an die Hand. Zeigen wir ihnen, wie sie Sparpotenziale schöpfen können und das freigewordene Kapital optimal für sich und ihre Zukunft nutzen können. Und auch wenn wir alle der aktuellen Krisenrhetorik ein wenig überdrüssig sind: Wenn wir ein paar Menschen ein bisschen Sicherheit schenken können, ist vielen geholfen.