Nachhaltigkeit in der Versicherungsindustrie – Stellschrauben, Konzepte & konkrete Maßnahmen

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Versicherer wollen und müssen nachhaltiger werden. Das beginnt mit einfachen Maßnahmen: umfasst aber die gesamte Geschäftskultur. Ein Kommentar von Neodigital-Vorstand Stephen Voss.

Nachhaltigkeit ist ein Begriff, der oftmals von unserem Umgang mit den natürlichen Ressourcen definiert wird. Die Allermeisten denken dabei direkt an „Öko“ oder „Bio“, aber Nachhaltigkeit bedeutet viel mehr – auch wenn es manchmal nicht auf den ersten Blick erkennbar ist. So kann man beim Gebäudebau Beton einsetzen und dennoch, gerade aufgrund seiner Langlebigkeit, dabei nachhaltig und ressourcenschonend sein. Das hat dann erstmal mit „Bio“ wenig zu tun. Sorgt aber dafür, dass unsere Umwelt und damit die Biologie um uns herum geschont wird.

Ähnliche Wege kann man auch in der Finanzdienstleistung gehen, spezieller noch in der Versicherungsindustrie. Auch hier gibt es Konzepte, die vielleicht nicht auf den ersten, aber spätestens auf den zweiten Blick nachhaltig und ökologisch sind und langfristig Kosten sparen. Doch wie kann das funktionieren?

Am Anfang war das Papier

Beginnen wir einmal mit dem Offensichtlichen: dem Vertrieb von Versicherungen. Das geschieht im klassischen Modell über den regionalen Vertrieb, über Agenturen und Geschäftsstellen. Schließlich befindet sich der Vertrieb von Versicherungen in Deutschland immer noch, schaut man auf die Vermittlerstatistiken, mit gut der Hälfte in der Hand der Ausschließlichkeit, also dem den Versicherungsgesellschaften ausschließlich verbundenen Vermittlern, die zumeist regional und in der Fläche den Kunden vor Ort beraten. Das ist personalintensiv und dazu gehören auch Arbeitsplätze und Büroräume.

Quelle: Neodigital Wenn eine Versicherungsdienstleistung dagegen digital beraten, abgeschlossen, übermittelt und bearbeitet werden kann, ist es möglich, auf Druck und Papier zu verzichten. Es entstehen keine Emissionen durch Drucker und Toner, es wird kein Papier verbraucht zum Ausdruck der Versicherungsscheine oder Policen und im Schadenfall wird nicht ein Papierformular ausgefüllt, sondern es wird digital vom Kunden erstellt und online übermittelt. Das ist nicht nur umweltschonender, sondern auch noch viel schneller. Und das alles vor Ort ohne Versand, der wiederum die Umwelt durch den beim Transport entstehenden CO2 belasten würde. Allein deswegen spricht schon viel für den digitalen papierlosen Weg.

Zu noch mehr Nachhaltigkeit und damit ökologischer Entlastung gelangt man dann, wenn dieser Versicherungsabschluss und vor allem die vorher stattgefundene Beratung ebenfalls voll-digital in den Workflow integriert wurde. Nun muss der Makler/Vermittler auch nicht extra zum Kunden fahren oder der Kunde in die Agentur kommen. Auch das entlastet die Umwelt und auch das Verkehrsaufkommen, gerade wenn man bedenkt, wieviel Kilometer die Fahrzeugflotten der Unternehmen pro Jahr zurücklegen. Digital schließt hier die Beratung ausdrücklich mit ein, das ist kein Gegensatz, im Gegenteil: Die digital gestützte Beratung ist durch die automatisierte Dokumentation für alle Seiten nochmals sicherer.

„Virtuell“ spart CO2

An dieser Stelle wird es nun spannend. Spinnen wir den Gedanken einmal weiter und stellen uns vor, der Vertrieb und die Beratung kann komplett digital erfolgen. Damit entfällt, auch wenn das aktuell nicht jedermanns Sache ist, die Notwendigkeit, ein Büro mit festen Öffnungszeiten zu betreiben. Das ist natürlich ein Extrembeispiel, aber wir sehen ja bereits in anderen Branchen, dass zumindest die Geschäftsräume verkleinert, Etagen reduziert und Flächen verringert werden. Im kleinen Maßstab müssen Geschäftsräume also weniger (oder eben gar nicht mehr) klimatisiert oder beheizt werden. Die viel beschworene Innenstadtlage verliert an Bedeutung, Geschäfts- kann zu Lebensraum umgewandelt werden. In diesem Modell reduzieren sich die Wegstrecken: und trotzdem steigert sich wegen des direkten Zugangs die Service- und Kommunikationsgeschwindigkeit. Anders gesagt: Die Kundenzufriedenheit nimmt sogar zu.

Man erkennt schon hier: Es geht nicht um einen grünen „Anstrich“, ein paar Bäume rund um das Firmengebäude machen noch keinen nachhaltigen Versicherer. Es geht viel tiefer.

Nachhaltigkeit und Verbrauchernutzen

„Firmengebäude“ ist dabei ein sehr schönes Stichwort: Der ideale nachhaltige Versicherer hat die ehemals analogen und personalintensiven Betriebsvorgänge digitalisiert. Denkt man das zu Ende, erscheint es nur logisch, dass die gleiche Dienstleistung, also der Versicherungsschutz, mit weniger Mitarbeitern erbracht werden kann. Wenn aber hunderte von manuellen Prozessen in der Tarifierungs- und Angebotsverwaltung obsolet sind, dann kann in viel kleineren Einheiten auch viel effektiver gearbeitet werden – so die Theorie. Die Mitarbeiter werden von aufwendigen, zeitintensiven Prozessen entlastet und können sich effektiver um Beratung und Kundenwohl kümmern. Weniger Personal bedeutet weniger Bürofläche, weniger Kosten, weniger Verkehr und letztendlich dann auch – ein schöner Nebeneffekt – bei gleicher oder besserer Leistung günstigere Produkte. Dann wird aus „Nachhaltigkeit“ auch noch „Verbrauchernutzen“, der sich positiv in der Kostenrechnung widerspiegelt. Auch das ist ein Grund, warum bei der Produktauswahl auf Nachhaltigkeit und effizienter Verarbeitung geachtet werden sollte. Der Kunde achtet nämlich ebenso bereits darauf.

Nachhaltig, unabhängig, kosteneffizient

Die Digitalisierung hat aber noch einen weiteren Einfluss auf die Nachhaltigkeit. Eine digitale Dienstleistung ist ortsunabhängig, es gibt also keinen werthaltigen Grund, in der Innenstadt einer Metropole einen Büroturm zu errichten, wenn dies genauso gut in weniger zersiedelten Gebieten möglich ist. Natürlich gibt es Gründe, in zentralen Metropolen präsent zu sein, das steht außer Frage, aber es müssen eben nicht mehr Einheiten für Tausende Mitarbeiter sein. Das entlastet nicht nur die Bilanz und den Kunden beim Preis, sondern eben auch die gesamte Infrastruktur, Logistik und Flächennutzung. Ein weiterer Nebeneffekt, aber es sind eben viele Nebeneffekte.

Man sieht hieran ganz deutlich, es geht nicht darum, einfach nur keinen Atomstrom mehr zu verwenden oder den Papierverbrauch zu reduzieren. Es geht darum, das Thema „Nachhaltigkeit“ von Anfang an in das Design und die Verhaltensmuster einer Organisation zu integrieren. Bei einer Versicherung startet dies im Vertrieb und endet bei den Leistungen im Versicherungsfall. Dazwischen gilt es eine Vielzahl von Entscheidungen zu treffen: Wie viel Personal benötigt der Betrieb, welche Flächen sind für die Mitarbeiter vorzuhalten, welchen Anteil an Homeoffice lässt man zu und wieviel davon ist sinnvoll? Präsenztermine haben eine Berechtigung, aber muss eine Projektbesprechung vor Ort sein oder geht das nicht mittlerweile bequemer und effizienter per Videokonferenz? Und wenn denn dann mal gereist werden muss, welche Verkehrsmittel sind in Anbetracht von Zeit, Kosten und Ressourcen sinnvoll? Auch hier gilt, nicht die „Öko-“, sondern die „Nachhaltigkeits-Brille“ aufziehen, es kann durchaus sinnvoller sein zu fliegen, weil mehrere Termine an einem Tag zu erledigen sind, als mit der Bahn zu fahren. Und umgekehrt. Eines ist klar, Nachhaltigkeit bedarf Planung und Struktur sowie natürlich auch den Willen, althergebrachtes in Frage zu stellen.

Merke: ein „Nachhaltigkeits-Fan“ muss kein „Öko“ sein, aber ein bisschen „Öko“ hilft schon sehr viel. Zeit, das auch umzusetzen!

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