Allianz will Frauen fairer entlohnen

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Das Berliner Fair Play Innovation Lab versteht sich auch als Reaktion darauf, dass man sich auf die Gesetzgeber nicht verlassen will, wenn es um faire Löhne geht. Nach Prognosen der Internationalen Arbeitsorganisation ILO dauert es im jetzigen Tempo noch 70 Jahre, bis Männer und Frauen weltweit gleichen Lohn für gleiche Arbeit erhalten: vorausgesetzt, es gibt keine Stagnation oder Rückschläge.

In Deutschland resultiert die Ungleichheit auch aus Gehaltsverhandlungen. "Zu beobachten ist, dass sich Lohnlücken weniger im Tarifgehaltsbereich zeigen, wo es klare Regeln zur Eingruppierung in Gehaltsklassen gibt, sondern dort, wo Führungs- und Fachkräfte ihre Vergütung frei verhandeln", sagt Henrike von Platen, CEO und Gründerin des FPI, dem "Handelsblatt". Sie hat die Analyse-Software gemeinsam mit internationalen Expertinnen und Experten entwickelt.

Die Allianz will zum Jahreswechsel die erste Analyse der Gehälter vornehmen, wobei neben der Grundvergütung auch Boni eingerechnet werden sollen. Aber bei dieser ersten Bestandsaufnahme soll es nicht bleiben: Regelmäßig werden die Gehälter mit Hilfe des Universal Fair Pay Checks durchleuchtet, kündigt der Versicherer an.

Laut "Handelsblatt" ist bei der Angleichung der Löhne keineswegs garantiert, dass Frauen automatisch deutlich mehr bekommen. Unter Umständen müssten sich männliche Mitarbeiter auch auf Nullrunden oder unterdurchschnittliche Gehalts-Anpassungen einstellen.

Kaum Frauen in Dax-Vorständen

Ein Problem löst aber auch das Analysetool nicht: Noch immer sind Vorständinnen in deutschen Dax-Konzernen unterrepräsentiert. Bei der Allianz Deutschland wirken aktuell drei Frauen in Chef-Positionen: Katja de la Vin͂a als Finanzchefin, Nina Klingspor als Vorstandsvorsitzende der Allianz Private Krankenversicherungs-AG und Personal-Chefin Renate Wagner. Neben ihnen sitzen sechs männliche Entscheider im Vorstand.

Trotz des Ungleichgewichts macht die Allianz Deutschland mit einem Frauenanteil von rund 33 Prozent im Schnitt aller Dax-Konzerne eine recht gute Figur. Ende September betrug der Frauenanteil der 30 wertvollsten Börsenunternehmen (Dax 30) im Schnitt 12,8 Prozent, so zählte die schwedische Albright-Stiftung.

Wo Frauen in den Vorstandsetagen unterrepräsentiert sind, so sind sie im Gegenzug weit häufiger von Niedriglöhnen, Teilzeitarbeit und prekärer Beschäftigung betroffen als Männer. So liegt der Anteil der Niedriglohnbezieherinnen an allen Arbeitnehmerinnen mit 27 Prozent wesentlich höher als der entsprechende Anteil der Männer (16 Prozent), berichtet das Statistische Bundesamt. Hier wirkt sich aus, dass Frauen noch immer die Hauptlast bei der Kindererziehung und der Pflege Angehöriger tragen und öfter ihre Erwerbsbiographie unterbrechen.

Coronakrise belastet besonders Frauen

Dass sich die Gehälter zwischen Frauen und Männern künftig weiter angleichen, wie es die ILO-Prognose verheißt, ist keineswegs garantiert. Laut einer Studie des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB) führt aktuell die Coronakrise dazu, dass die Ungleichheit der Geschlechter auf dem Arbeitsmarkt wieder zunehme:

Frauen kümmerten sich im Lockdown eher um die Kinder und reduzierten ihre Arbeitszeit, während die Männer Homeoffice machten: Vielfach nahmen Frauen zudem mangels Betreuungsmöglichkeiten auch Minusstunden in Kauf, die sie nacharbeiten müssen. Werden Schulen und Kindergärten in den kommenden Wochen verstärkt dicht gemacht, weil die Infektionszahlen steigen, dürfte das erneut überproportional zulasten der Frauen gehen.