Lemonades Börsengang unterstreicht krisenfestes Geschäftsmodell der Neoversicherer

Quelle: Getsafe

Sowohl der Wirecard-Skandal als auch die Coronapandemie offenbaren derzeit die Stärke sogenannter Neoversicherungen. Ihr Modell beruft auf langfristigen digitalen Lösungen für Menschen, die gerade beginnen, ihre Risiken abzusichern. Ein Gastkommentar von Christian Wiens, CEO von Getsafe.

Vergangene Woche ging das US-amerikanische Insurtech Lemonade an die Börse – ein direkter Wettbewerber von Getsafe, der in den USA jungen Kunden Versicherungen per Smartphone App anbietet. Binnen 24 Stunden hatte sich der Aktienwert bereits verdoppelt - die Bewertung des Unternehmens lag bei Börsenschluss kurzfristig bereits bei über 4 Milliarden Dollar. Eine beeindruckende Leistung, die beweist, dass Insurtechs in Zeiten von Covid-19 krisenfest sind und sich erfolgreich am Markt etablieren.

Ganz anders dagegen die Fintech-Branche, die sowohl härter von der Coronapandemie getroffen wurde (Stichwort Kurzarbeit bei N26, Entlassungen bei Monzo und vermeintlich erzwungene Kündigungen bei Revolut), als auch derzeit durch den Wirecard-Skandal kritisch von Investoren und Kunden beäugt wird.

Woran liegt es, dass digitale Versicherer so krisenfest sind? Ihr Geschäftsmodell ist darauf ausgelegt, mit (in der Regel) jungen Kunden über Jahre zu wachsen; die Kunden zahlen vom ersten Tag an für die Leistung, und während Menschen oft mehrere Girokonten und Kreditkarten besitzen, haben sie nur eine Haftpflicht- oder Hausratversicherung, die sie auch und gerade in Krisenzeiten behalten.

Viele Neobanken dagegen haben extrem hohe Marketingausgaben; gleichzeitig sind die Umsätze noch gering. Die meisten von ihnen erheben keine Bankgebühren. Gerade wenn Menschen den Gürtel enger schnallen, wird es schwierig, das “Freemium Modell” zu monetarisieren. Stattdessen stammen die Einnahmen hauptsächlich aus Gebühren für Kreditkarten-Transaktionen, welche die Händler zahlen. Mit sinkenden Konsumausgaben in der Coronakrise schrumpfen auch die Einnahmen.

Der Wirecard-Skandal ruft Erinnerungen an die Finanzkrise 2009/10 hervor, die damals das Vertrauen der Kunden in traditionelle Banken zerrüttete. Neobanken wie Monzo, Revolut, Starling Bank oder N26 boten einen neuen Ansatz und konnten damals profitieren. Mit ihrem Versprechen “No bullshit banking” trafen sie die Erwartungen der jungen Generation und sie verzeichneten schnell hohe Wachstumsraten. Der Wirecard-Skandal dürfte jedoch jene Kritiker lauter werden lassen, die ohnehin an der Nachhaltigkeit und Langlebigkeit von Neobanken zweifelten.

Weil das Versicherungsgeschäft sehr langfristig ist – Kunden halten ihre Verträge viele Jahre, sogar Jahrzehnte – stehen Neoversicherer gerade jetzt gut da. Sie wachsen mit ihrer jungen Zielgruppe. Bis 2030 werden Millennials allein in Europa eine Milliarde neue Versicherungspolicen abschließen. Das ist ein gewaltiges Marktpotenzial.

Der erfolgreiche Lemonade-Börsengang ist für uns daher ein positives Signal: Digitales Versichern wird zur neuen Norm, und Neoversicherungen müssen den Vergleich zu Neobanken nicht scheuen - im Gegenteil.