Geschäftsmodell vieler Legal Techs wird vor BGH verhandelt

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Vor dem Bundesgerichtshof wird aktuell das Geschäftsmodell vieler Legal Techs verhandelt, die zu überhöhten Mieten, Mängeln bei Urlaubsreisen, Hartz IV oder anderen Rechtsthemen beraten. Dabei zeichnet sich ab, dass diese tatsächlich triumphieren könnten: Wenn nachgewiesen werden kann, dass sie eigentlich Inkasso-Firmen sind.

Sollen Rechtsberatungen auch im Internet möglich sein - standardisiert und möglichst preiswert? Mit dieser Frage beschäftigt sich aktuell der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe, wie die Süddeutsche Zeitung sowie das Fachportal Legal Tribune Online am Mittwoch berichten. Damit wird auch die Zukunft vieler sogenannter Legal Techs verhandelt, die sich auf eben diese Rechtsberatungen spezialisiert haben bzw. spezialisieren wollen.

Rechtsberatungs-Inkasso?

Geklagt hat das Legal-Tech Mietright, heute als Lexfox bekannt. Die Gründer bieten unter anderem Rechtsberatungen an, wenn Mieter der Meinung sind, dass ihnen unzulässig hohe Wohnkosten berechnet werden. Doch handelt es sich tatsächlich um eine Rechtsberatung? Die Sache ist nicht ganz einfach. Denn streng genommen handelt es sich um ein Mischmodell aus Inkasso und Rechtsberatung.

Das Modell funktioniert folgendermaßen: Zunächst prüft Mietright die Ansprüche seiner Kunden unverbindlich, wozu ein Onlinetool dient: ein einfacher Rechner, der die gezahlte Miete mit der gesetzlich vorgeschriebenen Mietpreisbremse abgleicht. Bezahlt der Kunde mutmaßlich zu viel für die Wohnung, so kann er auf einen Button klicken und seine Ansprüche gegenüber dem Vermieter an das Legal Tech abgeben. Die GmbH verlangt dann die Rückzahlung der überhöhten Miete — und beauftragt einen Anwalt, wenn der Immobilienbesitzer nicht zahlen will. Im Erfolgsfall erhält Mietright ein Drittel der Jahresersparnis als Provision.

Als ein Vermieter nicht zahlen wollte: Mietright forderte 23.49 Euro weniger Miete im Monat plus 166,90 Euro vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten, klagte das Start-up. Dabei geht es um nicht weniger als die Legitimität des eigenen Geschäftsmodells:

Der Vermieter hatte eine Zahlung mit dem Argument verweigert, das junge Unternehmen sei ja überhaupt nicht legitimiert, derartige Forderungen zu stellen: Die Abtretung von Mietansprüchen verstoße gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG). Gemäß § 10 dieses Gesetzes sei Mietright als Inkassounternehmen registriert, erbringe aber unerlaubt eine Rechtsberatung.

Was darf ein Inkassoanbieter mit Blick auf das Recht?

Die Frage ist nun, wo der Schwerpunkt der Tätigkeit von Legal-Techs ist. Die Firmen bestreiten, dass sie schwerpunktmäßig Rechtsdienstleistungen erbringen. Sie sehen sich als Inkassofirma, weil man ja ohnehin nur tätig werde, wenn die Kunden ihre Ansprüche abtreten: Dann wäre ihnen auch erlaubt, massenhaft online und gegen Provision tätig zu werden.

Liegt der Schwerpunkt der Tätigkeit hingegen auf der Rechtsberatung, wäre ihr Geschäftsmodell gesetzwidrig. Nach dem Gesetz dürfen eigentlich nur Anwälte Rechtsdienstleistungen anbieten. Zudem sind Erfolgshonorare Advokaten nur sehr eingeschränkt erlaubt. Wobei ergänzt werden muss, dass der Gesetzgeber in bestimmtem Umfang auch Inkasso-Firmen gestattet, zu Rechtsfragen zu beraten: Das zeigen zwei Urteile des Bundesverfassungsgerichts von 2002 und 2004.

“modernes und liberales Gesetz“

In der Vorinstanz musste Mietright eine Niederlage kassieren: Das Landgericht (LG) Berlin lehnte zweitinstanzlich die Klage des Legal Techs ab. Doch nun deutet sich an, dass die jungen Berliner doch triumphieren könnten. Und mit ihnen viele Legal Techs, die ein ähnliches Geschäftsmodell verfolgen.

Das Rechtsdienstleistungsgesetz war erst im Jahr 2008 reformiert wurden. Wie die Vorsitzende Richterin des 8. BGH-Zivilsenats, Karin Milger, nun laut Süddeutscher Zeitung am Mittwoch hervorhob, sollte damals ein "modernes, liberalisiertes, zukunftsfähiges" Gesetz entstehen. Bis das Urteil gesprochen wird, muss man sich noch etwas gedulden: Das Urteil wird für den 27. November erwartet. Und doch ist das Statement ein Hinweis auf ein liberales Urteil im Sinne der Online-Dienstleister.

Auch nach Karen Milger komme es auf die Frage, ob Legal Techs wie Mietright Rechtsberatungen erbringen, gar nicht an, berichtet Legal Tribune Online. Es müsse vielmehr verhandelt werden, ob das Geschäftsmodell noch Inkasso-Tätigkeit im Sinne des RDG sei oder nicht. Hier könnte sich ein Wandel des Inkasso-Bildes andeuten:

"Da macht ein Versandhaus oder eine Telefongesellschaft Forderungen gegenüber einem Kunden geltend und die Inkasso-Firma versucht, den Kunden nun zu überzeugen, dass er doch noch zahlt." Bei den neuen Inkasso-Unternehmen sei es eher andersherum. "Hier klagen Verbraucher gegen Vermieter oder Fluggesellschaften". Doch das Gericht gehe davon aus, dass dem überarbeiteten Rechtsdienstleistungsgesetz ein "weiter Inkassobegriff" zugrunde liege, so Milger. Die Richterin wollte sich ausdrücklich noch nicht auf ein Ergebnis festlegen.

Schutz vor unqualifizierter Beratung?

Doch in Deutschland gibt es eine einflussreiche Anwaltlobby: die auf ihre Privilegien beharrt. Allein im deutschen Bundestag sitzen mehr als 150 Juristinnen und Juristen, die meisten sind Anwälte: kein Beruf ist häufiger vertreten. Und so verteidigen Anwälte und ihre Berufsverbände ihr Rechtsberatungsmonopol weiterhin.

"Nach unserer Auffassung ist es im vorliegenden Fall so, dass ein Unternehmen, das nicht als Inkasso-Unternehmen tätig ist und auch nicht als Rechtsanwalt zugelassen ist, Dienstleistungen erbringt, die ausschließlich ein Rechtsanwalt durchführen darf," zitiert tagesschau.de Marcus Mollnau, Präsident der Rechtsanwaltskammer Berlin. Schon der Geldbetrag sei ein Hinweis darauf, dass eigentlich eine Rechtsberatung erbracht werde: 166 Euro Gerichtskosten gegen 23,49 monatliche Mietersparnis. Es gehe im Rechtsstreit auch darum, Verbraucher vor unqualifizierter Beratung zu schützen.

Das Legal Tech wird von Jurist Matthias Siegmann vertreten. Dieser warnt laut Legal Tribune vor einem "rückwärtsgewandten Inkasso-Urteil". Die Legal Techs würden demnach den Anwälten ohnehin kein Geschäft streitig machen: Bei derartig kleinen Streitwerten wie etwa einer Mietersparnis würden die Mandanten erst gar nicht zum Anwalt gehen. Der vermeintliche Schutz vor unqualifizierter Beratung lasse sie letztlich mit leeren Händen dastehen. "§ 134 nützt hier nur einem, dem Vermieter, der gegen die Mietpreisbremse verstößt", so Siegmann.