Wohngebäudeversicherung: Urteil zeigt hohe Haftungsrisiken bei Sturm

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Für die erforderliche Sorgfalt reicht aber nicht der Augenschein oder eine Kontrolle nur von Teilen des Gebäudes, wie die Richter betonten. Stattdessen muss eine Überprüfung „im Rahmen der technischen Möglichkeiten alle die Konstruktionselemente erfassen, bei welchen etwa auftretende Mängel zu einer Lösung von Gebäudeteilen führen können.“ So hätte die Kirche zum Beispiel in regelmäßigen Abständen das Kirchen-, aber auch das Kirchturmdach kontrollieren müssen – dies umso mehr, wenn es an anderen Teilen des Gebäudes schon zu Sturmschäden kam.

Mehr noch: Die drohende Gefahr durch herabfallende Ziegel hätte auch dazu führen müssen, dass die Kirche die Festigkeit jedes einzelnen Dachziegels sachgerecht kontrollieren lässt. Angemessen hierfür wäre zum Beispiel der Einsatz eines Hubsteigers gewesen. Mit Verweis auf unverhältnismäßige Kosten hielt die Kirche solche Maßnahmen jedoch nicht für geboten.

Da der Kirche letztendlich nicht der Entlastungsbeweis gegen den Anscheinsbeweis unzulänglicher Instandhaltung und Kontrolle gelang, entschied das Gericht trotz der Einwände: Die Kirche hat in Regress für den Schaden zu haften.

Klimawandel: Haftungsrisiken steigen mit den Anforderungen

Besonders brisant in Zeiten des Klimawandels sind hierbei Ausführungen des Gerichts zu außergewöhnlichen Natur- beziehungsweise Windereignissen. Denn streng sind auch die Bedingungen, unter denen ein solches Ereignis Grundstückbesitzer aus der Haftung entlässt. So muss der Grundbesitzer sogar bei Windstärke 12 bis Windstärke 13 auf der Beaufort-Skala und damit sogar bei orkanartigem Sturm für herabfallende Gebäudeteile haften. Und das, obwohl ab Windstärke 12 schon „schwere Verwüstungen“ drohen, wie eine Seite des Deutschen Wetterdiensts zur Beaufort-Skala darstellt.

Das Oberlandesgericht verweist in seinem Urteil sogar darauf, dass in technischen Regelwerken für Bauwerke oft eine Begrenzung der Windlast auf Windstärken bis 12 vorgegeben ist. Aber das könnte für die Zukunft auch vor Gericht nicht mehr reichen. Gerade aufgrund des Klimawandels ist nicht ausgeschlossen, dass Gebäude zukünftig als fehlerhaft eingeschätzt werden, die einer größeren Windstärke nicht standhalten. Das hat seinen Grund, wie das Gericht ausführt: Größere Windstärken sind in Zeiten des Klimawandels nicht mehr als außergewöhnliches Naturereignis anzusehen.

Der schwer zu widerlegende Anscheinsbeweis hingegen wird erst erschüttert ab Werten im mittleren Bereich von 14 Beaufort und demnach von mehr als 150 km/h, wie das Gericht unter Verweis auf weitere Urteile ausführt (zum Beispiel OLG Zweibrücken NJW-RR 2002, 749 oder OLG Koblenz NVwZ-RR 2004, 322 [323]). Erst ab solchen Windgeschwindigkeiten also werden die Grundstückseigentümer aus der Pflicht entlassen, einen Entlastungsbeweis gegen den Anscheinsbeweis zu leisten. Solche Windgeschwindigkeiten aber bedeuten wahrhaft extreme Wetterverhältnisse – wie das Beispiel von „Sturm Lothar“ zeigt, der zu Weihnachten 1999 tobte. Europaweit forderte der Sturm damals 110 Todesopfer.