Bundessozialgericht setzt Krankenkassen bei Wahltarifen enge Grenzen

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Der PKV-Verband als Interessenvertreter der Privatversicherer begrüßt das Urteil. Und sieht damit den Wettbewerb geschützt. „Wir freuen uns, dass nach mehr als 10 Jahren Rechtsstreit nun das Bundessozialgericht die Rechtsauffassung des PKV-Verbandes bestätigt, dass derartige Wahltarife in gesetzlichen Krankenkassen rechtswidrig sind“, sagt Florian Reuther, Direktor des Verbandes der Privaten Krankenversicherung (PKV). „Sie überschreiten den gesetzlichen Rahmen für Leistungen der GKV und führen zu unzulässigen Wettbewerbsverzerrungen. Solche Wahltarife sind systemfremd in der GKV und ein Übergriff in den funktionierenden privatwirtschaftlichen Zusatzversicherungsmarkt“.

Aus Sicht des PKV-Verbandes seien Wahltarife der Krankenkassen ordnungspolitisch verfehlt, positioniert sich Reuther weiter. Und weist auf Tücken der Tarife hin, weshalb auch der Verbraucherschutz auf der Strecke bleibe: “Da Krankenkassen einen Wahltarif jederzeit schließen können, entfällt für die GKV-Versicherten der entsprechende Versicherungsschutz ersatzlos. Dies ist bei einer PKV-Zusatzversicherung aufgrund des lebenslangen Leistungsversprechens nicht möglich", so Reuther.

Vorwurf der Rosinenpickerei zurückgegeben

Die AOK Rheinland sieht das erwartungsgemäß anders. Und gibt das Argument der Wettbewerbsverzerrung umgehend zurück. Stichwort Kontrahierungszwang: Die Krankenkassen sind verpflichtet, alle diejenigen, die die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllen, aufzunehmen, unabhängig von deren Alter, Gesundheitszustand oder ihrer finanziellen Leistungskraft. Also auch Menschen mit Behinderungen und Vorerkrankungen. Altersgrenzen gibt es jedoch, wenn jemand von der PKV in die GKV zurückkehren will.

Zwar wurden auch die Privatversicherer 2007 verpflichtet, einen Tarif anzubieten, der allen offen steht: der sogenannte Basistarif. Doch dieser ist in der Regel nicht nur sehr teuer, sondern bietet auch nur ein eingeschränktes Leistungsniveau. Auch bei Zusatztarifen können die Privatversicherer Menschen ablehnen, die chronische Krankheiten oder Vorerkrankungen haben. Ihnen bleiben die Bonbons der Privatversicherer wie Zweibettzimmer im Krankenhaus, Auslandsschutz etc. somit oft verwehrt.

"Wir bedauern, dass viele Menschen beispielsweise aufgrund von Vorerkrankungen künftig keine Möglichkeit mehr haben, sich zu vertretbaren Konditionen abzusichern, wie es bei unseren Wahltarifen der Fall war. Hier ist der Gesetzgeber gefordert", positioniert sich AOK-Chef Günter Wältermann. Vorrangiges Ziel sei es nun, "unseren Versicherten, die seit zwölf Jahren auf ihre Ansprüche aus den Wahltarifen vertrauen, die Sicherheit zu geben, dass sie auch aktuell geschützt sind".

"Unabhängig davon werden wir ihnen in Kooperation mit unserem Partner aus der Privaten Krankenversicherung, der vigo Krankenversicherung, ein Angebot unterbreiten, das sie auch künftig absichert sind", verspricht Wältermann weiter.

Das Argument der Wettbewerbsverzerrung ist auch insofern diskutabel, weil die meisten Privatversicherer zumindest in der Vollversicherung selbst von staatlichen Zuschüssen profitieren, wenn auch indirekt. Fast die Hälfte aller Privatversicherten hat Anrecht auf Beihilfe: Hier übernimmt der Staat 50-70 Prozent der anfallenden Arzt- und Behandlungskosten. Im letzten Jahr musste allein der Bund seine Rückstellungen für Beihilfsschulden um 2,78 Prozent erhöhen: auf 191 Milliarden Euro. Die Ausgaben der Bundesländer sind hierbei noch gar nicht eingerechnet (der Versicherungsbote berichtete).