IDD – aktueller Umsetzungsstand

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Das „Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/97 (IDD) vom 20.07.2017“ hat die Versicherungswirtschaft in letzter Zeit schwer beschäftigt. Auch in den kommenden Monaten wird die IDD noch Anstrengungen der Branche erfordern. Norman Wirth, geschäftsführender Vorstand im Bundesverband Finanzdienstleistung e.V. und Fachanwalt bei Wirth Rechtsanwälte, hat sich die neuen Regeln angesehen – und erklärt, worauf sich Versicherungsvermittler einstellen müssen.

Mit dem Gesetz vom 20.07.2017 wurde die Richtlinie (EU) 2016/97 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.1.2016 über den Versicherungsvertrieb (kurz IDD) in deutsches Recht umgesetzt. Darüber hinaus sollte mit dem Gesetz entsprechend der Koalitionsvereinbarung die Honorarberatung im Versicherungsbereich gestärkt werden. Das Gesetz trat nun - von einigen Ausnahmeregelungen abgesehen - zum 23.2.2018 in Kraft.

Gesetz ohne Provisionsverbot und Doppelbetreuungspflicht

Erwähnt sei kurz, dass zwei ursprünglich vorgesehene Punkte nun doch nicht umgesetzt worden sind. Einerseits das sogenannte Provisionsgebot im Privatkundenbereich. Makler sollen auch weiterhin die Möglichkeit haben, sich für Servicedienstleistungen oder auch die Vermittlung von Nettopolicen oder Beratungsleistungen, die letztlich nicht zum Versicherungsabschluss führen, vom Kunden vergüten zu lassen. An dieser Stelle gern auch die Klarstellung, dass gesetzlich – entgegen einigen anderen Stimmen - nirgends reglementiert ist, dass Makler nur bei Vermittlungserfolg einen Vergütungsanspruch für eine geleistete Tätigkeit haben. Anderes kann vereinbart werden.

Auch die sogenannte Doppelbetreuungspflicht hat letztlich doch nicht Eingang in das IDD-Umsetzungsgesetz gefunden. Diese hätte dazu geführt, dass den Versicherern die gesetzliche Pflicht auferlegt worden wäre, auch Kunden mit bestehender Maklervollmacht zu betreuen - oder aber die Versicherungsmakler zu beaufsichtigen. Die ursprünglich geplante und deutlich übertriebene Aufwertung der wenigen Versicherungsberater ist nach meiner Auffassung nicht Realität geworden. Vielmehr erscheint die äußerst kompliziert geregelte Durchleitung der Provision an den Kunden bei nun erlaubter Vermittlung auch von Bruttoprodukten als erhebliches Hemmnis.

Grundsätzlich steht die IDD-Umsetzung auf drei Säulen:

1. dem IDD-Umsetzungsgesetz, mit seinen Änderungen hauptsächlich in der Gewerbeordnung (GewO), dem Versicherungsvertragsgesetz (VVG) und dem Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG)

2. der Versicherungsvermittlungsverordnung

3. den delegierten Rechtsakten

Diese Dreiteilung macht eine konsistente Gesamtbetrachtung extrem schwierig. Insbesondere, da wir aktuell jeweils unterschiedliche Zeitpunkte des Inkratretens und der Anwendung haben.

Versicherungsvermittlungsverordnung

Die neue Versicherungsvermittlungsverordnung liegt seit Monaten im Entwurf vor und hat nun kurz vor der parlamentarischen Sommerpause eine weitere Hürde genommen. Mit leichten Änderungen zum ursprünglichen Entwurf hat das Bundeskabinett die Verordnung gebilligt. Nun müssen im Herbst noch der Bundestag und dann auch der Bundesrat zustimmen. Größere Probleme sind hierbei nicht zu erwarten. Ein Inkrafttreten wird damit jedoch erst gegen Ende des Jahres oder 1.1.2019 wahrscheinlich.

Aus der dann neugefassten Verordnung werden sich insbesondere Konkretisierungen zum Thema Weiterbildungspflicht ergeben. Gesetzlich vorgeschrieben sind von nun an 15 Zeitstunden Weiterbildung pro Kalenderjahr. Bereits in früheren Jahren freiwillig erworbene „gut beraten“-Punkte werden nicht angerechnet. Ein bisher umstrittener Punkt erscheint jetzt gelöst. Hierbei ging es um die Frage ob und wenn, in welcher Weise die erfolgte Weiterbildung nachgewiesen werden muss. Es ist zu erwarten, dass bei Onlineveranstaltungen (Webinaren) eine abschließende Erfolgskontrolle stattzufinden hat. Bei Präsenzveranstaltungen wird es voraussichtlich bei einer strengen Anwesenheitskontrolle bleiben.

Quelle: (c) Norman Wirth Der Kreis derjenigen, die die Weiterbildungspflicht zu erfüllen haben, wird weit gefasst. Die Weiterbildungspflicht betrifft alle Mitarbeiter, die im Versicherungsvertrieb tätig sind. Der Gewerbetreibende muss seine eigene Weiterbildung und die seiner Mitarbeiter auf Verlangen nachweisen können. Welche Inhalte der Gesetzgeber für die 15-Stunden-Pflicht voraussichtlich anerkennen wird, ist in Anlage 1 des Entwurfs für die neue Verordnung niedergeschrieben. Die Weiterbildungspflicht betrifft alle Mitarbeiter, die im Versicherungsvertrieb tätig sind. Wer damit gemeint ist, ergibt sich aus der Definition von Versicherungsvertrieb (Art. 2 Abs. 1 Nr. 1 IDD): „die Beratung, das Vorschlagen oder Durchführen anderer Vorbereitungsarbeiten zum Abschließen von Versicherungsverträgen, das Abschließen von Versicherungsverträgen oder das Mitwirken bei deren Verwaltung und Erfüllung, insbesondere im Schadenfall, einschließlich der Bereitstellung von Informationen über einen oder mehrere Versicherungsverträge aufgrund von Kriterien, die ein Kunde über eine Webseite oder andere Medien wählt, sowie die Erstellung einer Rangliste von Versicherungsprodukten, einschließlich eines Preis- und Produktvergleichs, oder ein Rabatt auf den Preis eines Versicherungsvertrags, wenn der Kunde einen Versicherungsvertrag direkt oder indirekt über eine Website oder ein anderes Medium abschließen kann.“

Delegierte Rechtsakte

Delegierte Rechtsakte

Nicht unrelevant sind auch die delegierten Rechtsakte der Europäischen Kommission zu den Themen:

1. Versicherungsanlageprodukte und

2. Zielmarkt und Vertrieb, mit denen die jeweiligen Themenkreise konkreter gefasst werden und welche unmittelbar Recht in allen EU-Ländern werden – ohne das ein gewähltes Parlament hier noch einmal zustimmen muss, wohlgemerkt. Diese Rechtsakte waren eigentlich seit dem 23.2.2018 in Kraft und anzuwenden. Aber: Die erfolgte rückwirkende Verschiebung der IDD auf europäischer Ebene - welcher sich Deutschland nicht angeschlossen hat - betrifft auch die delegierten Rechtsakte. Die Anwendung der beiden Rechtsakte wurde angepasst an die Änderung der IDD. Dafür gab es einen eigenen delegierten Rechtsakt.

IDD-Umsetzungsgesetz

Das IDD-Umsetzungsgesetz ist am 29.6.2017 beschlossen und weitestgehend nun am 23.2.2018 in Kraft getreten. Seine Vorgaben sind zu beachten und anzuwenden. Einige Änderungen seien nachfolgend herausgegriffen:

Änderung § 34d Gewerbeordnung

§ 34d GewO enthält nun zwei Erlaubnistatbestände: Zum einen die Erlaubnis für Versicherungsvermittler (Absatz 1), zum anderen für den Versicherungsberater (Absatz 2) – was bisher der § 34e Gewerbeordnung ist. Beide Erlaubnisse schließen sich gegenseitig aus. Die beabsichtigte Stärkung des Berufsbildes Versicherungsberater dürfte mit der Neuregelung, welche explizit regelt, dass auch die Vermittlung von Versicherungsverträgen nun zum Berufsbild des Versicherungsberaters gehört, nicht von Erfolg gekrönt sein. Insbesondere die komplizierte Regelung in § 48c Versicherungsaufsichtsgesetz für den Fall der Vermittlung eines „Brutto“-tarifs und der Auskehrung eines Teiles der eingepreisten Provision auf das Prämienkonto des betreffenden Vertrages dürfte eine breitere Anwendung verhindern.

In § 34d Absatz 1 Satz 4 GewO wird der Begriff der Versicherungsvermittlung konkretisiert. Die Tätigkeit als Versicherungsvermittler umfasst danach unter anderem auch das Mitwirken bei der Verwaltung und Erfüllung von Versicherungsverträgen, insbesondere im Schadensfall. Damit greift der Gesetzgeber einen typischen Streitfall der Vergangenheit auf, ohne ihn jedoch abschließend zu regeln. Denn immer wieder stand die Frage im Raum, ob die Unterstützung im Schadensfall eine nebenvertragliche Maklerpflicht oder nicht schon eine unerlaubte Rechtsdienstleistung ist. Obwohl aber jetzt die Unterstützung im Schadensfall als Maklerpflicht gesetzlich festgeschrieben ist, erfolgt damit keine konkrete Trennung zwischen "erlaubt" und "nicht erlaubt". Makler sollten insofern auch in Zukunft im Zweifel ihre Kunden eher auf einen spezialisierten Anwalt verweisen, unter anderem um

1. ein Abmahnrisiko zu vermeiden

2. sich nicht dem Risiko auszusetzen, den eigenen Kunden fehlerhafte Hilfestellung zu geben

3. hierfür gegebenenfalls auch keinen Schutz der eigenen Vermögensschadenshaftpflichtversicherung zu haben;

4. und Zeit für die eigentliche Tätigkeit frei zu halten.

Provisionsabgabeverbot

Die neue Bestimmung zum Provisionsabgabeverbot, welche grundsätzlich verbietet, Zuwendungen an Versicherungskunden weiterzugeben, hat Ausnahmen. Neben einer Bagatellgrenze von 15 Euro je Kunde, Vertrag und Jahr heißt es, dass das Provisionsabgabeverbot keine Anwendung findet, soweit die Zahlung an den Kunden zur dauerhaften Leistungserhöhung oder Prämienreduzierung des vermittelten Vertrages verwendet wird. Jede Zahlung einer Versicherung oder eines Versicherungsvermittlers an den Kunden kann zumindest indirekt zur Prämienreduzierung führen. Die Diskussion zu diesem Thema ist eröffnet, denn die BaFin vertritt die Meinung, dass eine solche Prämienreduzierung allein direkt im Vertrag, also auch nur unter Mitwirkung des jeweiligen Versicherungsunternehmens erfolgen darf. Eine Begründung gibt dafür das Gesetz nicht her und lässt die BaFin auch konsequent vermissen. Es besteht daher zu diesem Thema eine nicht unerhebliche Rechtsunsicherheit. Insofern empfiehlt sich aktuell keinesfalls, gegen das Verbot zu verstoßen, es sei denn mit entsprechend kalkuliertem Risiko.

Versicherungsanlageprodukte

Die wohl relevanteste Veränderung für Vermittler dürfen sich aus der Neuregelung bei der Vermittlung von Versicherungsanlageprodukten ergeben. Hier gelten jedoch deutlich erweiterte Informations- und Beratungspflichten. Der Gesetzgeber fordert nun – in Anlehnung an die geltenden Vorschriften zur Finanzanlagenberatung – bei Beratungen zu solchen Versicherungsprodukten eine sogenannte Geeignetheitsprüfung. Hierzu müssen diverse Informationen vom Kunden erfragt (Kenntnisse und Erfahrungen im betroffenen Anlagebereich, finanzielle Verhältnisse, Anlageziele und Risikotragfähigkeit und –bereitschaft des Versicherungsnehmers) und bei der Auswahl entsprechender Produkte zugrunde gelegt werden. Vermittler sollten hier sehr genau schauen, dass sie für die Umsetzung der geforderten Prozesse kompetente Unterstützung erhalten – über entsprechende Software, Verbünde, Pools etc.

Fazit

Es wird sicherlich noch mehrere Monate dauern, bis sich die Branche halbwegs einheitlich den neuen Vorgaben angepasst hat. Gerade in Zeiten von Automatisierung und Digitalisierung der Prozesse ist das jedoch auch dringend erforderlich. Fakt ist: Nur mit gutem Partner, gut informiert und gut unterstützt sind die aktuellen und kommenden Änderungen zu bewältigen.