DVAG-Vorstand - Online und offline sind im Vertrieb keine Gegensätze!

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Die Deutsche Vermögensberatung hat bereits in den 90er Jahren ihre Vermögensberater mit Laptops ausgestattet. Gefährdet die Digitalisierung das Geschäftsmodell von Deutschlands größtem eigenständigem Allfinanzvertrieb? Müssen nicht viele Vermögensberater um ihren Job fürchten, wenn immer mehr Verbraucher ihre Versicherung per App abschließen? Der Versicherungsbote hat mit Christian Glanz, Mitglied des Vorstands der Deutschen Vermögensberatung AG (DVAG) gesprochen, ob und wie sich der Trend hin zu digital auf das Geschäftsmodell der DVAG auswirken könnte - und wie sich der Vertrieb auf die wandelnden Kundenbedürfnisse einstellt.

Versicherungsbote: Sie haben früh Ihre Vermögensberater mit Tablets ausgestattet. Warum hat sich die Investition gelohnt?

Die Deutsche Vermögensberatung hat eine Tradition als „Early Adopter“ von innovativen Technologien im Vertrieb. Als erstes Unternehmen in Europa führte die DVAG bereits in den frühen 1990ern Laptops im Vertrieb ein. Da war es nur konsequent, im Jahr 2010 als erster Finanzdienstleister das iPad im Vertrieb einzusetzen.

Heute nutzen die Vermögensberater in ihrem Berufsalltag über 50 selbst entwickelte DVAG-Apps! Innerhalb unserer Apps haben wir alle Daten verfügbar, die automatisch mit dem CRM-System synchronisiert werden. Änderungen, die im Kundengespräch auf dem iPad vorgenommen werden, werden mit unserem zentralen CRM-System abgeglichen. Wir können zudem den elektronischen Antrag für alle Produktbereiche direkt auf dem iPad abbilden. Das Einzigartige daran ist der Anschluss dieser Anträge an die Systeme unserer 14 Produktpartner. Das bedeutet, ein auf dem iPad unterschriebener Antrag wird, ohne manuelle Eingriffe, direkt an den jeweiligen Produktpartner weitergeleitet und dort automatisch verarbeitet. Mithilfe dieser umfassenden Investitionen in die IT-Vertriebsunterstützung gestalten wir die Prozesse immer effektiver und erhalten ein voll integriertes System für alle Beteiligten – also Berater, Produktpartner und Kunden. Die Vermögensberater können sich damit voll auf das Kerngeschäft, die ganzheitliche Finanzplanung für ihre Kunden, konzentrieren.

Quelle: Deutsche Vermögensberatung AG / AachenMünchener Versicherung AG

Die Deutsche Vermögensberatung verfügt über mehr als 3.400 Geschäftsstellen und Direktionen. Hand aufs Herz: Wie viele Vermögensberater müssen um ihren Job fürchten, wenn sich die Digitalisierung durchsetzt?

Bei uns stehen eindeutig weiterhin der Mensch und die persönliche Beratung im Vordergrund. Darauf können sich unsere Vermögensberater und Kunden verlassen!

Natürlich wird die Digitalisierung dazu führen, dass sich Prozesse und Verhalten der Verbraucher verändern. Doch die Komplexität in der Finanzwelt wird weiter bestehen bleiben und sich voraussichtlich noch verstärken. Erst im persönlichen Gespräch mit den Kunden lässt sich ein tragfähiges Finanzkonzept entwickeln, das deren individuelle Lebenssituation, Wünsche und Finanzlage einbindet.

Gleichzeitig ist die Digitalisierung eine große Chance für die Vertriebsunterstützung: Wir können dem Vertrieb effektives Handwerkszeug an die Hand geben, sodass sich die Berater ganz auf das Beratungsgespräch und ihre Kunden konzentrieren können. Wir setzen alles daran, unseren Finanzexperten die Vertriebsunterstützung zu geben, die heute für eine qualifizierte Beratung vonnöten ist.

Und was mir besonders am Herzen liegt: Die Vermögensberater wissen, dass sie in einem Familienunternehmen arbeiten, dem es nicht um die kurzfristige Rendite, sondern um ein langfristiges, gesundes Wachstum geht. Dies bestimmt unser ganzes Handeln.

Sie werten es im Jahresbericht 2016 als Erfolg, dass sich die Zahl der Vermögensberater erneut um 340 erhöht hat. Bei Versicherern wurde zuletzt eher darauf gedrängt, Stellen abzubauen, speziell im Vertrieb bei den Agenturen. Auch Banken reduzieren die Zahl der Filialen – und damit Beratungsangebote vor Ort. Wieso stellen Sie sich hier gegen den Branchentrend?

Weil die Deutsche Vermögensberatung fest zum Unternehmensmotto „Menschen brauchen Menschen“ steht und seit mehr als 40 Jahren sehr erfolgreich danach handelt. Denn aus der täglichen Beratungspraxis wissen wir: Unsere Kunden schätzen das direkte Gespräch. Gerade bei komplexen Produkten oder der Veränderung der individuellen Lebenssituation fragen sie aktiv nach persönlicher Beratung. Seit Jahren bauen wir unsere Marktführerschaft auf diesem Grundsatz weiter aus: Weil nur eine langfristige und vertrauensvolle Kundenbeziehung Erfolg haben kann. Die rund sechs Millionen Kunden bestätigen dies. Darüber hinaus sehen wir diesen Branchentrend auch als Chance: Erst kürzlich haben einige unserer selbstständigen Vermögensberater in den Räumlichkeiten von ehemaligen Deutsche Bank-Filialen neue Beratungszentren eröffnet. Während andere schließen, ist die Deutsche Vermögensberatung als Ansprechpartner in Sachen Finanzen, Versicherungen und private Vorsorge da.

Der Finanz- und Versicherungsvertrieb hat ein Nachwuchsproblem. Wie setzt sich die Altersstruktur der Vermögensberater zusammen? Und was unternehmen Sie, um neue Vermittler zu gewinnen?

Mit Blick auf die Demografie wird es immer anspruchsvoller, insbesondere jüngere Menschen für den Beruf des Vermögensberaters zu gewinnen. Wir begegnen dieser Herausforderung durch innovative Ansätze, einer Intensivierung unserer Ausbildung sowie umfangreichen Einarbeitungsprogrammen. Und das sehr erfolgreich: Immerhin 80 Prozent der neuen Partner sind jünger als 35 Jahre. Die DVAG bietet dabei ganz unterschiedliche Einstiegswege an, die sich an der persönlichen Situation der Berufsinteressierten orientieren. Wir sprechen beispielsweise Branchenkenner durch die Möglichkeit eines Direkteinstiegs an. Ein persönlicher Mentor erleichtert die ersten Schritte und steht mit Rat und Tat zur Seite. Mit Blick auf die hohen Anforderungen des Berufs investieren wir mit rund 76 Millionen Euro ganz erheblich in die fachliche Aus- und Weiterbildung sowie Managementausbildung.

In der heutigen digitalisierten und oftmals schnelllebigen Welt herrscht in der Finanzbranche ein hoher Nachfragedruck – auch durch die veränderten Ansprüche der Kunden. Nicht jedes Unternehmen unterstützt seine Berater hier so intensiv, wie wir es tun. Unsere Aufgabe ist es, den Vermögensberatern alles an die Hand zu geben, was für eine branchenübergreifende, am Bedarf des Kunden ausgerichtete Allfinanzberatung notwendig ist. Dazu gehören insbesondere die Aus- und Weiterbildung, ein wettbewerbsfähiges Produktangebot, moderne IT-Vertriebsunterstützung sowie die Lösung von regulatorischen Rahmenbedingungen.

Bestandsräuber, Amazon Echo und Millionen-Investitionen

In den vergangenen Jahren sind mit den Insurtechs Clark, Knip oder auch myfeelix diverse Online-Makler gestartet, die auch darauf abzielen Kunden in ihren Bestand zu ziehen. Wie sehen Sie die Entwicklung - stellen die „Bestandsräuber“ ein ernsthaftes Problem für Vermittler dar?

Fin- und Insurtech-Startups stehen noch immer vor großen Herausforderungen. Die hohen regulatorischen Hürden im Banken- und Finanzsektor, zum Beispiel was Informations-, Dokumentations- und Sorgfaltspflichten angeht, stellen selbst für Gründerteams mit Branchenkenntnissen häufig hohe Hürden dar. Hinzu kommt außerdem, dass eine ausreichende Vertrauensbasis seitens der Kunden gegenüber jungen Startups, die noch keine größere Bekanntheit genießen, fehlt. Denn gerade in der Versicherungs- und Finanzindustrie wird mit sensiblen Kundendaten gearbeitet. Als größter eigenständiger Finanzvertrieb Deutschlands haben wir einen Vertrauensvorsprung und somit einen eindeutigen Wettbewerbsvorteil. Im Blick haben wir dabei auch die Erwartungen der Kunden an ein umfassendes digitales Angebot. Als Bestandteil der zukunftsorientierten IT-Vertriebsunterstützung bieten wir etwa „MeineApp“ an. Damit haben unsere Kunden jetzt überall ihre Finanzinformationen und „ihren“ Berater dabei. Mit dieser App schaffen wir einen zusätzlichen Kontakt zwischen Vermögensberater und Kunden und können gleichzeitig ein digitales Service-Angebot bieten, das viele Vorteile für den Kunden bereithält.

Zuletzt haben viele Insurtechs Kooperationen mit größeren Banken, Versicherern und Vertrieben gestartet. Wann gibt es die erste Zusammenarbeit mit der DVAG?

Wir sind Kooperationen gegenüber neuen Partnern grundsätzlich aufgeschlossen, wenn unsere hohen Standards im Datenschutz und der Qualität weiterhin erfüllt werden können. Denn auch wir als Marktführer profitieren von neuen Geschäftsmodellen und technischen Innovationen für unseren Vertrieb. Beispielsweise arbeitet die Deutsche Vermögensberatung seit Kurzem mit Cringle zusammen. Die innovative Zahlungslösung von Cringle wird über die Kunden-App der DVAG „MeineApp“ den Kunden zur Verfügung gestellt und so das Versenden von Geld per Smartphone wesentlich vereinfacht. Zudem bleiben wir offen für weitere vertriebsnahe Möglichkeiten und sind daran interessiert, die Vernetzung zu Gründern zu intensivieren. Erst kürzlich engagieren wir uns beim Startup-Accelerator Axel Springer Plug and Play.

Inzwischen stehen bereits die ersten digitalen Versicherer in den Startlöchern. Wie positionieren Sie sich zu den Wettbewerbern, die Versicherungen und Vorsorgeprodukte ausschließlich im Netz vertreiben wollen?

Bei einfachen Finanzprodukten sehen wir schon das Potenzial für Online-Abschlüsse. Aber: Auch hier ist man nicht vor falschen Entscheidungen gefeilt. Denn was bei einer Sachversicherung vielleicht noch möglich ist, stößt bei einer umfassenden Finanzplanung sehr schnell an Grenzen. Das vertrauensvolle Gespräch zwischen Kunde und Vermögensberater wird sich jedoch nicht durch die Beantwortung einiger Standardfragen per Mausklick ersetzen lassen. Denn eine auf die individuellen Lebensumstände, Ziele und Wünsche abgestimmte Finanzplanung lässt sich nicht per Algorithmus bewerkstelligen. Gleichwohl spielt die Informationstechnologie auch bei der persönlichen Beratung und bei der Erledigung des „Papierkrams“ eine immer wichtigere Rolle. Es gilt, die Prozesse für den Vermögensberater und für den Kunden immer weiter zu optimieren. Deshalb sind online und offline im Vertrieb keine Gegensätze. Es geht vielmehr darum, beides optimal zu verzahnen.

Welche Perspektiven hat die persönliche Beratung in der Zukunft? Erste Anbieter experimentieren bereits mit der Beratung mittels „Amazon Echo“ über vorgefertigte Textbausteine. Auch für die DVAG ein denkbares Modell?

Rein aus technischer Sicht ist dies schon sehr interessant. Auch wir haben uns zusammengesetzt und uns diese Entwicklung im Hinblick auf eine zukunftsorientierte IT-Vertriebsunterstützung angesehen. Generell sehen wir zahlreiche Vorteile im Einsatz von sprachbasierten Assistenten und prüfen derzeit, wie diese die Prozesse bei unseren Vermögensberatern und in der Kundenberatung vereinfachen könnten.

Welche Digital-Initiativen treibt die DVAG derzeit voran? Können Sie uns einen Einblick in aktuelle Entwicklungen in Ihrem Haus geben?

Allein in 2016 beliefen sich die Ausgaben für die IT-Unterstützung auf rund 75 Millionen Euro. Und wir investieren weiter gemeinsam mit unseren Partnergesellschaften, um diese noch weiter zu optimieren. Die Fernunterschrift etwa, ist hier ein zentrales Thema. Auch die Videoberatung, um von unterwegs überall mit dem Vermögensberater in Kontakt treten zu können, steht ebenfalls in den Startlöchern. Natürlich erhoffen wir uns auch von Kooperationen mit Fintechs und Startups neue Impulse für den mobilen Vertrieb. Zudem werden wir, unter Berücksichtigung der regulatorischen Rahmenbedingungen, die Antragsprozesse aus Sicht des Beraters und des Kunden noch weiter vereinfachen. Dies sind nur einige Entwicklungen, die weiterverfolgt werden, um unsere Vermögensberater in ihrer persönlichen Arbeit zu unterstützen.

Die Fragen stellte Jenny Müller