Berufsunfähigkeitsversicherung - Wie die GDV-Statistik 100.000 BU-Anträge verlor

Quelle: MikeBird/Pixabay

Im Januar dieses Jahres zählte der Versichererverband GDV rund 820.000 Anträge auf Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) in seinen Statistiken. In diesen Novembertagen berichtet der GDV von 720.000 Anträgen, die die Versicherer bearbeitet hätten. In beiden Meldungen soll es sich um Zahlen aus dem Jahr 2014 handeln. Der BU-Kundler und Versicherungsmakler Matthias Helberg stolperte über 100.000 vergessene(?) Kunden. Der GDV bedauert, mit seinen Zahlen Verwirrung gestiftet zu haben. Der Leser der Verbandsprosa weiß das aber nicht.

Manche statistischen Phänomene lassen sich zuweilen mit Winston Churchill erklären. Dem vormaligen britischen Premierminister zu Zeiten während und nach dem Weltkrieg II. wird dieser Satz zugeschrieben: „Ich traue, keiner Statistik, die ich nicht selbst gefälscht habe“. Zwar kann man den GDV nicht mit Sir Winston vergleichen, das wäre unangebracht, aber irgendwie braucht der kritische Konsument der GDV-Meldungen einen Erklärungsansatz, wenn der Versichererverband in einem Jahr mal 100.000 mehr oder weniger Anträge auf BU-Versicherungsschutz zählt und verkündet. Der GDV-Verband muss zwar sparen und Arbeitsplätze abbauen, aber Zahlen abbauen? Versicherungsmakler Matthias Helberg aus Osnabrück wunderte sich als Erster über 100.000 nachrichtenlos verschwundene BU-Anträge öffentlich auf Twitter:

In diesen Tagen berichtet der GDV über die Annahmequote der Versicherer. Einzelheiten lassen sich der Meldung des Verbands entnehmen. Der Versicherungsbote veröffentlicht die Grafik des Verbands unter Vorbehalt und ohne Gewähr, da sich die Zahlen nicht verifizieren und nicht falsifizieren lassen.

GDV-Meldung November 2016: Der Verband spricht von einer „Branchenauswertung (...) für das Jahr 2014.“ Weiter heißt es: “Die Auswertung basiert auf Unternehmensangaben zu 720.000 Versicherungsanträgen in der Berufsunfähigkeitsversicherung. Gemessen an den Versicherungsverträgen stehen die befragten Versicherungsunternehmen für 80 Prozent des BU-Marktes.“

Merke: 720.000 Stück, 80 Prozent Marktanteil

GDV-Meldung 6. Januar: „Bei knapp 823.000 Anträgen auf Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung gab es 2014 in fast 776.000 Fällen auch ein Versicherungsangebot. Das entspricht einer Annahmequote von über 94 Prozent. Die Statistik (...) stützt sich auf die Angaben von Unternehmen, die zusammen rund 84 Prozent des Marktes in der Berufsunfähigkeitsversicherung abdecken.“

Merke: 823.000 Stück, 84 Prozent Marktanteil

Versicherungsmakler Helberg, der mit seinem Blog eine höhere „Einschaltquote“ hat als millionenschwere Insurtechs wie etwa Knip und Clark, hat den GDV gefragt, wohin die im November seit Januar 100.000 weniger gemeldeten Anträge verschwunden sind. Der GDV antwortete auch dem Versicherungsboten zu dem Phänomen. Ein Verbandssprecher bedauert, wenn man „mit der Veröffentlichung Verwirrung gestiftet habe“ und verweist zu den unterschiedlichen Angaben zwischen Januar und aktuell auf eine „andere Datengrundlage“.

„An der jetzt veröffentlichten Umfrage zum Annahmeverhalten haben sich zum Teil andere Unternehmen beteiligt. So ist auch die Abweichung beim Marktanteil der antwortenden Unternehmen (84% vs. 80%) zu erklären. Der Marktanteil bezieht sich auf die Zahl der Verträge im Bestand, nicht auf den Marktanteil Neugeschäft“, schreibt der GDV. Auf die Tatsache, dass der Verband in beiden Meldungen, damals und heute, vom Jahr 2014 schreibt, geht der Sprecher nicht ein.

Es wäre dem Verband durchaus zuzumuten, ein konsistentes und vom vergleichenden, regelmäßigen Leser nachvollziehbares Datenmodell zu verwenden. Müssten wir Konrad Adenauer fragen, zu Churchills Zeiten bekanntlich erster deutscher Bundeskanzler, dann hätte der vielleicht zu alten und neuen Statistiken ein anderes seiner geflügelten Worte gebracht: „Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern“. Rheinländer Adenauer sagte aber noch einen weiteren berühmten Satz: „Die Mädchen sind an allem schuld“. Das war Kölsche Dialekt. Hochdeutsch: Die Medien sind an allem schuld.