Tenhagens 2. Märchenstunde und was Sie wirklich beachten sollten

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Lebensversicherung - Der ehemalige Chefredakteur von Finanztest, Hermann-Josef Tenhagen, rät in einem Beitrag auf Spiegel-Online grundsätzlich davon ab, Alt-Verträge klassischer Lebensversicherungen zu kündigen. Derart undifferenzierte Empfehlungen sind jedoch schlecht, denn sie können dazu führen, dass gutes Geld schlechtem Geld hinterher geworfen wird. Ein Kommentar.

Grundsätzlich

Verbraucher sollten sich vor(!) Kündigung, Beitragsfreistellung oder dem Verkauf einer Lebens- bzw. Rentenversicherung (gleich welcher Art) Gewissheit verschaffen. Dies funktioniert allerdings nur, wenn tatsächliche Spezialisten beauftragt werden. Dazu zählen u.a. Fachanwälte für Versicherungsrecht, freie Aktuare bzw. Versicherungsmathematiker, zugelassene Versicherungsberater oder Versicherungsmakler, die über tatsächliches Wissen zur erforderliche Vorgehensweise verfügen. Vorgenannte Spezialisten können nach Einholung der entsprechend erforderlichen Unterlagen beim Versicherer errechnen, welche Effektivverzinsung der betreffende Vertrag nach Kosten bisher tatsächlich erbracht hat. Sie errechnen auch den Effektivzins auf den gezahlten Beitrag, der nach derzeitigem Stand in etwa für die Zukunft zu erwarten ist.

Garantiezins bei der klassischen Lebens- und Rentenversicherung?

Nach Kosten ist es auch bei klassischen LV-Verträgen (z.B. klassische Kapitallebensversicherung und klassische Rentenversicherung) durchaus möglich, dass der Garantiezins auf den zu zahlenden Gesamtbeitrag weit unter dem vermeintlich garantierten Zins liegt. Dies ergibt sich daraus, dass der Garantiezins nur auf den tatsächlichen Sparanteil (z.B. nach Abzug der Versicherungskosten) gezahlt wird. Selbst bei den Tenhagen hochgelobten alten 4-Prozentern ergibt sich dadurch nicht selten eine Effektivverzinsung von unter 2% gerechnet auf den Zahlbeitrag.

Lebens- bzw. Rentenversicherungs-Auszahlung halbiert!

Um die Wichtigkeit der Einzelfallüberprüfung aufzuzeigen: Der Redaktion des Versicherungsbote liegt das konkrete Beispiel zu einer klassischen Lebensversicherung mit einem Garantiezins von 4% vor. Der Police lag mit Beginn eine Auszahlungserwartung von über 80.000,-- DM (umgerechnet rund 41.000,-- Euro) zugrunde - gemäß jährlichem Wertmitteilungsschreiben des Versicherers, hier aus dem Jahr 1999. Laut letztem Wertmitteilungsschreiben aus dem Jahr 2014 zur gleichen Police (Beiträge wurden stets bezahlt, keine Beitragspause) ergab sich lediglich noch eine (vom Versicherer selbst geschätzte) Auszahlungserwartung in Höhe von 19.000,-- Euro. Die Auszahlungswerwartung hatte sich von 1999 bis 2014 also mehr als halbiert.

Experten haben zu dieser Police errechnet, dass sich bei Fortführung zur derzeitigen Überschussbeteiligung (trotz 4% Garantiezins) nach Kosten ein Effektivzins von gerade einmal 1,61% zum Ablauf ergäben hätte - wohlgemerkt bei einer Gesamtlaufzeit von 36 Jahren. Der Effektivzins, gerechnet im Falle einer Kündigung zu 2014, betrug - betrachtet auf den tatsächlich gezahlten Rückkaufswert - jedoch noch 2,59 Prozent.

Da die Versicherungssumme wegen der sehr geringen Höhe zu vernachlässigen und auch nicht mehr notwendig war, hat der Versicherungsnehmer den Vertrag (für sich vorteilhaft und auf eigenes Bestreben) vorzeitig gekündigt und den gezahlten Rückkaufswert anderweitig (hier in einen offenen Investmentfonds) investiert. Auch seine zukünftigen Beiträge investiert der ehemalige Versicherungsnehmer nun dort. Dieses Beispiel zeigt deutlich, dass Herr Tenhagen mit seiner pauschalen Einschätzung zu älteren, klassischen LV-Policen irrt.

Fazit

Die Äußerungen von Tenhagen im Beitrag auf Spiegel-Online, dass alte klassische LV-Verträge prinzipiell nicht zu kündigen sind, ist viel zu undifferenziert und daher als faktisch falsch einzustufen. Mithin ist auch bei älteren klassischen Kapitallebensversicherungen und klassischen Rentenversicherungen stets eine Einzelfallbetrachtung notwendig wenn die Entscheidung ansteht, ob eine derartige Police gekündigt oder beibehalten werden soll.