Stellen Sie sich vor, sie hätten mehrfach Beihilfe zu Mord geleistet. Sie hätten Terroristen unterstützt und Drogenbaronen dabei geholfen, ihre Blutdollars reinzuwaschen. Mit diesen schmutzigen Geschäften haben Sie gutes Geld verdient. Doch als Sie auf der Anklagebank sitzen und auf die Verurteilung warten, bestellt Sie der verhandelnde Richter ins Hinterzimmer. Er sagt: „Sind Sie damit einverstanden, als Strafe einmalig einen Teil Ihres Monatsgehaltes zu zahlen? Dann sind Sie ein freier Mann und die Sache ist vergessen!“ Undenkbar? Nicht, wenn es sich bei dem Angeklagten um Europas größtes Bankhaus handelt.

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Blutgeld und schmutzige Dollar

Ein ähnlicher Deal zwischen einem allzu milden Richter und einem Angeklagten hat am Dienstag, dem 13. Dezember 2012 stattgefunden. Auf der Anklagebank saß die britische Großbank HSBC, der milde Richter war die amerikanische Regierung. Über Jahre hinweg hat die Bank Geschäfte mit Drogendealern und Terroristen gemacht. Sie ermöglichte finanzielle Transaktionen in die USA, an denen zwielichtige Kreise aus Ländern wie Iran, Nordkorea, Birma und Saudi Arabien beteiligt waren. Einige davon stehen in Verdacht, mit Al Quaida zu kooperieren. Die HSBC half auch dem berüchtigten Drogenkartell Sinaloa, ihre Blut-Dollars aus Kokaingeschäften reinzuwaschen. Stolze 340 Seiten dick ist der Untersuchungsbericht des US-Senats, der alle Verfehlungen auflistet.

Allein die Geschäfte der HSBC-Filiale in Mexiko (HBMX) lassen einen erschaudern. Unter den Kunden waren laut dem Senatsreport mehrere Drogenbosse. Es handelt sich dabei um jene Drogenkartelle, die eine Blutspur durch das Land ziehen. Mafia-Banden, die kritische Journalisten entführen, foltern und töten lassen. Die schon 14jährige Kinder als Killermaschinen anwerben. Zwischen den Jahren 2006 und 2010 fielen dem Drogenkrieg laut einer Erhebung der mexikanischen Regierung 47.515 Menschen zum Opfer.

Die HSBC hat ihre Hände in Blut getaucht. Sie hat den Kartellen geholfen, ihre Drogengelder auf Konten im Ausland zu transferieren, auf die Cayman Islands und in die USA. Wer mit solchen Verbrechern Geschäfte macht, der sollte eigentlich keine Bank betreiben dürfen. Der gehört aus dem Verkehr gezogen, die Verantwortlichen hinter Schloss und Riegel gebracht. Und tatsächlich stand es eine Zeit lang zur Debatte, ob die HSBC ihre Zulassung für den US-Markt verliert.

Peanuts statt Strafverfolgung

Doch nichts geschah, was die Bank hätte fürchten müssen. Stattdessen hat sich die HSBC mit der US-Regierung auf einen Vergleich geeinigt. Gegen die Zahlung von 1,9 Milliarden Dollar wird die strafrechtliche Verfolgung ausgesetzt. Die Beobachter des Deals reiben sich verwundert die Augen. Dies sei „ein schwarzer Tag für die Rechtsstaatlichkeit“, kommentierte etwa die New York Times, weil nun die Geldwäsche von Drogen- und Terrorgeldern ohne strafrechtliche Konsequenzen bleibt. Englands Premierminister David Cameron ist sogar persönlich in die USA gereist, um im Sinne der HSBC zu intervenieren.

In den deutschen Medien wird die ausgehandelte Summe von 1,9 Milliarden Dollar als Rekordstrafe beklatscht. Die Sache hat allerdings einen Haken. Tatsächlich handelt es sich dabei, gemessen an der Größe des britischen Geldhauses, um Peanuts. Die HSBC erzielte im Jahr 2011 einen Gewinn vor Steuern von 22 Milliarden US-Dollar. Nun muss die Bank für ihr kriminelles Handeln eine Strafe zahlen, die weniger als das ausmacht, was sie in einem Monat verdienen kann. Dies soll eine gerechte Strafe sein? Sie ist wohl nicht mal geeignet, künftige Geldwäscher abzuschrecken. Um auf das Eingangsbeispiel zurückzukommen: Es ist, als könne man sich mit der Zahlung eines Monatsgehaltes von einer Verurteilung wegen Beihilfe zum Mord freikaufen.

Too big to jail

Empört reagierten amerikanische Wirtschaftswissenschaftler auf den Deal. Die Regierungsberichte würden belegen, dass die HSBC bereits seit 15 Jahren mit krimineller Energie agiere, kritisiert der Ökonom William K. Black auf der Webseite „New Economic Perspectives“. Aber das Bankhaus sei zu groß, dass es selbst für ein schweres Vergehen wie Geldwäsche nicht zur Verantwortung gezogen werden könne. Denn eine Verurteilung würde einen Erdrutsch an den Börsen ähnlich der Lehman-Brothers-Pleite auslösen und das weltweite Finanzsystem ins Wanken bringen. Folglich bezeichnet William K. Black Geldinstitute von der Größe der HSBC als "potentielle Massenvernichtungswaffen". "Too big to fail" bedeutet eben auch "Too big to jail".

Für die Zukunft heißt dies aber, systemrelevante Banken können Gesetze brechen, ohne dass die Verantwortlichen eine Verurteilung oder gar Gefängnisstrafe fürchten müssen. Stellt der Zusammenbruch eines Geldhauses ein systemisches Risiko dar, dann agiert die Bank quasi im rechtsfreien Raum. Sie kann immer mit der Aushandlung von Vergleichen eine Strafverfolgung abwenden.

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„Ja, Verbrechen zahlt sich immer noch aus“, kommentiert den HSBC-Deal auch L. Randall Wray, Wirtschaftsprofessor an der University of Missouri-Kansas, auf der Webseite EconoMonitor. Auch er schätzt die ausgehandelte Strafe als zu gering ein. „Leute, das sind Billionen-Dollar-Plus-Banken. Eine Billion sind Tausend Milliarden. Der Chicago Mob würde das als einen wirklich gelungenen Coup betrachten – zahle der Polizei ein paar Donuts und du hast alle Freiheiten Geld zu waschen.“

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