In einer heute veröffentlichten Pressemitteilung streitet Unister ab, dass es sich wirklich um Steuerbetrug handelt. Streitgegenstand sei eine Dienstleistung des Unternehmens, die auf den Portalen ab-in-den-urlaub.de, fluege.de und reisen.de angeboten wird. Gegen eine zusätzliche Gebühr übernimmt Unister die Stornogebühren bis zu 200 Euro, die anfallen können, wenn der Kunde einen Flug storniert. Am Dienstag überraschte die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) Unister mit der Entscheidung, dass es sich bei dieser Dienstleistung um ein Versicherungsprodukt handelt.

Grauzone der Versicherungsaufsicht

Grundlage für die Bewertung bildet das Versicherungsaufsichtsgesetz. Dort wird unter anderem festgelegt, unter welchen Umständen eine Dienstleistung ein Versicheurngsprodukt ist. Der genaue Wortlaut: "Das Versicherungsgeschäft betreibt, wer gegen Entgelt für den Fall eines ungewissen Ereignisses bestimmte Leistungen übernimmt, wobei das übernommene Risiko auf eine Vielzahl durch die gleiche Gefahr bedrohter Personen verteilt wird und der Risikoübernahme eine auf dem Gesetz der großen Zahl beruhende Kalkulation zugrunde liegt." Nimmt man diesen Text zur Grundlage, dann könnte es für die Dienstleistung von Unister zutreffen.

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Unister hat natürlich die Möglichkeit, gegen diesen Beschluss gerichtlich vorzugehen. Es finden sich in der Praxis viele Beispiele, bei denen Firmen das Risiko von Ereignissen über die Kundschaft streuen und entsprechende Preise kalkulieren. Ein Beispiel ist die Deutsche Bahn, bei der man Zugtickets ohne Stornomöglichkeit verbilligt kaufen kann, aber bei den teuren Tickets mit Stornomöglichkeit wird das Risiko auch gestreut. Eines macht die Deutsche Bahn aber anders: Dort ist es Bestandteil des Tickets und wird nicht als Extra-Produkt ausgewiesen.

Fragwürdig ist deshalb das Vorgehen der Versicherungsaufsicht. Denn eine Mitteilung der BaFin, dass es sich bei der angebotenen Dienstleistung möglicherweise um eine zu versteuernde Versicherungsleistung handelt, hätte ausgereicht. Wieso gleich die Verhaftungen und die Durchsuchung der Büros stattfand, darüber lässt sich durchaus streiten. Dem Ruf des Unternehmens kommt dies nicht zugute.

Wenn diese Dienstleistung von der BaFin als Versicherung eingestuft wird, dann hat das weitreichende Konsequenzen. Erstens, sie hätte nie angeboten werden dürfen. Schon gar nicht von Unister, denn dazu benötigt das Unternehmen eine entsprechende Erlaubnis. Es fehlen aber alle Vorraussetzungen, die an ein Versicherungsunternehmen gestellt werden.

Unister zahlte Umsatzsteuer - aber keine Versicherungssteuer

Der Sachverhalt ist also komplizierter, als es auf den ersten Blick aussieht - und die Rechtslage möglicherweise weniger eindeutig. Für ein Versicherungsprodukt muss in Deutschland Versicherungssteuer gezahlt werden. Im Falle von Unister wären das 19 Prozent. Da Unister aber bereits 19 Prozent Umsatzsteuer gezahlt hat, wo ist da der Tatbestand des Steuerbetrugs?

Dafür kann es zwei Gründe geben. Die Versicherungssteuer ist nicht der Umsatzsteuer gleichzusetzen, auch wenn der Prozentsatz gleich ist. Beide Steuern fließen in unterschiedliche Töpfe und wenn man in dem einen Schulden hat und in dem anderen ein Guthaben, dann gleicht sich das leider nicht aus. Die Bürokratie lässt grüßen, denn aus Sicht des Unternehmens gibt es das Geld ja nur einmal.

Die Versicherungssteuer kommt zu 100 Prozent dem Bund zugute. Deshalb hat auch der Bund ein großes Interesse daran, dass solche Dienstleistungen als Versicherung eingestuft werden. Wäre es "nur" eine Umsatzsteuer, dürfte der Bund nur 51,4 Prozent behalten, den Rest würden sich Land und Gemeinde teilen. Da INES eine sächsische Einrichtung ist, muss man in diesem Falle feststellen, dass das Vorgehen gegen Unister ein Nachteil für das Land Sachsen und die Stadt Leipzig darstellen könnte.

Es gibt jedoch einen zweiten Grund, weshalb der Tatbestand des Steuerbetrugs im Raum steht. Hat ein Unternehmen Ausgaben, dann darf es die Umsatzsteuer gegenrechnen, sie verringert sich dadurch. Für die Versicherungssteuer gilt das nicht. Da Unister hier für die Kunden die Stornokosten übernommen hatte, hat das die gezahlte Umsatzsteuer reduziert. Es könnte daher auch nur um diese Differenz beim Steuerstreit gehen.

Anonyme Anzeige führte zu Verhaftungen

Bereits im Frühjahr hatte es einen Versuch gegeben, angestossen durch die Zeitschrift ComputerBild, die Dienstleistung von Unister zu unterbinden. Streitpunkt war damals ein vorbelegtes Häkchen bei der Buchung, mit dem der Kunde automatisch den Stornoservice mitbuchte.

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Wer wirklich hinter den aktuellen Vorfällen steckt, bleibt spekulativ. Bekannt ist nur, dass eine anonyme Anzeige der Auslöser war. Die Vorgehensweise ist fragwürdig und zeigt wenig Respekt gegenüber den Firmengründern, die immerhin in kürzester Zeit über 1500 Arbeitsplätze geschaffen haben. Es ist sicher fraglich, abgesehen von Gesetzen und Verordnungen, wer bei der Dienstleistung wirklich geschädigt wurde. Unister ist bekannt dafür, mutige Vertriebswege zu begehen, sonst wäre der jetzige Erfolg auch nicht möglich gewesen. Zweifler könnten deshalb einwenden: Der einzige Schaden liegt bei den Versicherungsgesellschaften, die bei diesem Geschäft außen vor geblieben sind. Inwiefern es sich tatsächlich um einen kriminellen Vorgang handelt, müssen die Richter nun klären.

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