Die Verbraucherzentralen haben in den letzten drei Monaten Beschwerden von Betroffenen über Beitrags- und Wechselprobleme in der Privaten Krankenversicherung (PKV) ausgewertet.

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Aus den 140 Beschwerden leiten die Verbraucherzentralen den Vorwurf ab, dass private Krankenkassen die Beiträge massiv erhöhen und Wechsel in kostengünstigere Tarife erschweren.

Beitragsexplosionen zum Jahreswechsel

In den überprüften Fällen stiegen die Versicherungsprämien zum Jahreswechsel im Schnitt um 23,9 Prozent. Besonders negativ fielen die Central Krankenversicherung und die Gothaer Versicherung mit einer durchschnittlichen Erhöhung von 28,4 Prozent beziehungsweise 26,4 Prozent auf. Negative Spitze war eine Erhöhung um 60 Prozent bei der Central (versicherungsbote.de berichtete: „Central erhöht Beiträge drastisch“). Besonders betroffen waren langjährige Bestandskunden und ältere Versicherte. Die Beschwerden umfassen mit wenigen Ausnahmen Verträge, die länger als zehn Jahre bestehen und Versicherte, die älter als 45 Jahre sind.

Wechsel schwer gemacht

Die Erhebung zeige auch, dass das Wechselrecht der Versicherten in einen günstigeren Tarif vielfach unterlaufen werde. Um Wechselmöglichkeiten zu verbessern sei es erforderlich, dass

  • der Versicherer spätestens zwei Wochen nach Eingang des Antrags über den Tarifwechsel entscheidet,
  • Neutarife so gestaltet sind, dass ein Tarifwechsel ohne Gesundheitsprüfung möglich ist,
  • bei einem Tarifwechsel keine Gebühren erhoben oder Prämienerhöhungen begründet werden,
  • die Kalkulationsgrundlagen bei Beitragserhöhungen nachprüfbar sind und den Berechnungen des Aktuars entsprechen,
  • die für die nach dem 1. Januar 2009 abgeschlossen Verträge eingeführte Möglichkeit, seinen Anbieter zu wechseln, auf alle in der PKV Versicherten erweitert wird.

Grundlegende Reform der privaten Krankenversicherung sei überfällig

Steigenden Gesundheitskosten betreffen beide Versicherungssysteme gleichermaßen

Dr. Volker Leienbach, Direktor des PKV-Verbands, hielt es für unseriös, aus bundesweit 144 Beschwerden bei insgesamt 9 Millionen Privatvollversicherten Schlussfolgerungen über Systemfehler der PKV ziehen zu wollen. Er verwies auf mehrere unabhängige Analysen, die aktuell einen Beitragsanstieg in der PKV von durchschnittlich nur rund 2 Prozent festgestellt hätten. So habe z.B. das Analysehaus Morgen & Morgen sogar nachgewiesen, dass es für rund 45 Prozent der PKV-Tarife 2012 gar keine Beitragserhöhung gäbe.

Die langfristige Beitragsentwicklung von Gesetzlicher und Privater Krankenversicherung seit 1997 wurde auch von der Deutschen Aktuarvereinigung analysiert. Die jährlichen Steigerungen betragen demnach im Schnitt knapp 3,3 Prozent in der PKV und rund 3,1 Prozent in der Gesetzlichen Krankenversicherung. „Die steigenden Gesundheitskosten betreffen beide Versicherungssysteme gleichermaßen,“ so Volker Leienbach „wobei die PKV mit ihren kapitalgedeckten Alterungsrückstellungen weitaus besser darauf vorbereitet ist.“
Dass die Verbraucherzentrale bei der Wechselproblematik den Basistarif nicht erwähnte, weckte bei Leienbach „Zweifel an der Qualität ihrer Beratungsarbeit.“

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Grundlegende Reform der privaten Krankenversicherung sei überfällig

„Unabhängig von den akuten Problemen müssen in der PKV grundlegende Änderungen vollzogen werden, um Gerechtigkeitsdefizite auszugleichen und Effizienzsteigerungen zu erzielen“, sagte vzbv-Vorstand Gerd Billen. Innerhalb der PKV fehle es an einer Qualitätssicherung bei den Leistungserbringern und einer wirksamen Kostendämpfung. „Die Folgen einer finanziellen Überforderung der Verbraucher dürfen nicht sozialisiert werden, sondern müssen innerhalb des PKV-Systems gelöst werden“, mahnt Billen. Als wesentliche Eckpunkte für eine verbrauchergerechte Reform der PKV nennt der vzbv:

  • Einführung des Sachleistungsprinzips: Die Abrechnung erfolgt nur noch zwischen Leistungserbringer und Versicherungsunternehmen. Der Verbraucher erhält eine Kopie der Abrechnung. Für den Verbraucher hat dies den Vorteil, dass er sich nicht mehr mit seinem Versicherer über die Erstattung der Kosten streiten muss. Die Versicherer können durch spezielle Verträge mit den Leistungserbringern einerseits ihre Aufwendungen senken, andererseits direkt kontrollieren, wann welche Leistungen erbracht wurden und ob diese auch medizinisch notwendig waren.
  • Angleichung der Gebühren: Für Leistungen, die dem Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenkassen entsprechen, dürfen die Leistungserbringer auch nur die Gebühren der GKV abrechnen. Dies würde eine Angleichung des Angebots und Service bei der medizinischen Versorgung unabhängig vom Versichertenstatus des Patienten ermöglichen und die tendenzielle Überversorgung der Privatversicherten eindämmen.
  • Einkommenskomponente bei der Prämienkalkulation: Die Beiträge sollen nicht ausschließlich anhand des Risikos berechnet werden. Zusätzlich soll ähnlich wie beim Basistarif eine Kostendeckelung greifen, wenn die Beiträge die finanzielle Leistungsfähigkeit der Verbraucher übersteigen. Soziale Härten müssen dann über einen „Härtefall“-Fonds ausgeglichen werden, der innerhalb des PKV-Systems etabliert und durch PKV-Versicherte finanziert wird.

Gleiche Rahmenbedingungen für die gesetzlichen und privaten Krankenversicherer fordert der Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Jürgen Graalmann. "Die Lage der PKV ist ganz offensichtlich bedrohlich", sagte Graalmann am Mittwoch (28. März) im Interview mit der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Da die PKV "diese Krise nicht selbst unter Kontrolle" bekomme, werde immer wieder nach dem Gesetzgeber gerufen, damit dieser "die Verhandlungserfolge von AOK und Co. schlicht auf die Privaten" übertrage. "Vor diesem Hintergrund halte ich einen einheitlichen Versicherungsmarkt für die logische Konsequenz", so Graalmann und ergänzte: "Wenn das heutige Geschäftsmodell der PKV gescheitert ist, darf es keine politischen Kompensationsgeschäfte geben."

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PKV-Verbandsdirektor Volker Leienbach verwies auf die im internationalen Vergleich „hervorragende Gesundheitsversorgung in Deutschland mit kurzen Wartezeiten, freier Arztwahl und medizinischem Fortschritt für alle“.
Nur die Private Krankenversicherung treffe Vorsorge für den demografischen Wandel. Die Privatversicherten hätten einen großen Kapitalstock für ihre höheren Kosten im Alter gebildet – während die GKV ihre steigenden Ausgaben einfach den künftigen Generationen überlassen würde.

AOK-Bundesverband, PKV-Verband, VZBV
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