Sind einerseits ein vorbeifahrendes und andererseits ein am Straßenrand parkendes Auto in einen Unfall verwickelt, kann die für eine Schuldzuweisung wichtige erhöhte Betriebsgefahr im konkreten Fall auch von dem stehenden Gefährt ausgehen. Obwohl die hier zu bewertende Einflussnahme auf das Verkehrsgeschehen sich der Zweckbestimmung nach eigentlich erst in der Fortbewegung der Fahrzeuge verwirklicht. Darauf hat jetzt das Landgericht Wiesbaden bestanden (Az. 9 S 16/11).

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Wie die telefonische Rechtsberatung der Deutschen Anwaltshotline berichtet, war ein Daimler-Chrysler beim Vorbeifahren an einem stehenden VW Polo mit dessen geöffneter linken Wagentür kollidiert. Trotz geistesgegenwärtiger Schnellbremsung konnte der Mercedes-Fahrer, der nachweislich mit keiner überhöhten Geschwindigkeit unterwegs war, das Malheur nicht mehr verhindern. Er will deshalb auch nicht für den Schaden von 4.238,28 Euro aufkommen. Der Polo-Halter behauptet dagegen, sein Wagen haben ja gestanden, als die Tür geöffnet wurde, und sei insofern nur ein "unbewegliches" Hindernis für den heranbrausenden Daimler gewesen, dem dieser hätte ausweichen müssen. Womit ihm schon allein wegen seiner im Vorbeifahren realisierten Betriebsgefahr klar die Haftung für den Unfallschaden zuzuweisen wäre.

Das sahen die hessischen Landesrichter jedoch anders. Die Betriebsgefahr eines fahrenden Fahrzeugs tritt bei Verstoß gegen die Verhaltensmaßregeln beim Ein- und Aussteigen aus einem parkenden Fahrzeug hinter dessen in diesem Augenblick sehr hohen Betriebsgefahr zurück. "Eine Wagentür zur Fahrbahn hin darf überhaupt nur geöffnet werden, wenn sich mit Gewissheit kein Verkehr nähert - und dann auch nur langsam und spaltweise sowie mit einer maximalen Spaltbreite von 10 cm", erklärt Rechtsanwalt Tim Vlachos diese besonders restriktiven Sorgfaltsanforderungen. Wobei der sehr wohl dem allgemeinen Verkehrsgeschehen zuzuordnende Vorgang des Ein- und Aussteigens erst mit dem Schließen der Fahrzeugtür und dem Verlassen der Fahrbahn beendet ist.

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