Das Finanzgericht Münster hat den zeitlichen Ablauf und die steuerliche Planung von Stiftungserrichtungen in den Mittelpunkt gerückt. Kapitalertragsteuer, die vor der steuerlichen Anerkennung einer gemeinnützigen Stiftung einbehalten wird, führt nach dieser Rechtsprechung zu einer nicht mehr korrigierbaren Definitivbelastung – selbst wenn die materiellen Voraussetzungen der Gemeinnützigkeit vorlagen. Für die Stiftungspraxis bedeutet dies: Zeitliche Präzision und professionelle Vorbereitung sind unverzichtbar, um unwiderrufliche Mittelverluste zu vermeiden, schreibt Stefan Rattay, Steuerberater, Fachberater für internationales Steuerrecht und Partner der multidisziplinären Kanzlei WWS Wirtz, Walter, Schmitz & Partner.
Die Errichtung einer Stiftung gilt als Königsdisziplin in der Vermögens- und Nachfolgeplanung. Sie verbindet rechtliche Struktur, langfristige Zielsetzungen und nicht selten den Wunsch, Vermögen über Generationen zu sichern oder gemeinnützig wirken zu lassen. In der öffentlichen Wahrnehmung steht dabei meist die Frage im Vordergrund, welche Zwecke eine Stiftung verfolgt und wie diese nachhaltig finanziert werden können. Weniger präsent, aber in der Praxis von entscheidender Bedeutung, ist die steuerliche Flankierung des Gründungsvorgangs. Genau hier setzt die aktuelle Entscheidung des Finanzgerichts Münster an: Sie macht deutlich, dass steuerliche Privilegien nicht automatisch mit der zivilrechtlichen Errichtung der Stiftung entstehen, sondern zwingend einen klar definierten Anerkennungszeitpunkt voraussetzen. Wer diesen Zusammenhang ignoriert, riskiert, dass erhebliche Mittel dauerhaft verloren gehen – lange bevor die Stiftung ihre Arbeit aufgenommen hat.
Zeitkritische Bedeutung für die Stiftungspraxis
Mit Urteil vom 18. Dezember 2024 (Az. 9 K 2015/21 Kap) hat das Finanzgericht Münster eine Entscheidung getroffen, die nun den zeitlichen Ablauf und die steuerliche Planung von Stiftungserrichtungen in den Mittelpunkt rückt. Das FG Münster stellt in seiner Entscheidung klar, dass die Erhebung von Kapitalertragsteuer vor dem formellen Anerkennungszeitpunkt einer gemeinnützigen Stiftung weder durch Billigkeitsmaßnahmen noch durch einen rückwirkenden Anerkennungsbescheid korrigiert werden kann. Diese Auslegung entspricht einer bewussten gesetzgeberischen Wertung: Steuerbefreiungen im Gemeinnützigkeitsrecht setzen nicht nur materielle Voraussetzungen wie die tatsächliche Verfolgung gemeinnütziger Zwecke voraus, sondern auch den formellen Feststellungsbescheid über die Satzungsmäßigkeit nach § 60a AO des Finanzamts. Damit wird jede Kapitalertragsteuer, die vor diesem Datum anfällt, zu einer endgültigen Belastung, die der Stiftung unwiderruflich entzogen bleibt. Für die Gründungspraxis bedeutet dies, dass die zeitliche Koordination zwischen zivilrechtlicher Errichtung, satzungsmäßiger Fertigstellung und steuerlicher Anerkennung höchste Priorität hat. In der Beratungspraxis erleben wir häufig, dass Stifter den Gründungsprozess aus inhaltlichen Gründen in die Länge ziehen – etwa, um den Satzungszweck zu präzisieren oder die künftige Zusammensetzung des Stiftungsvorstands zu klären. Das Urteil zeigt, dass solche Verzögerungen steuerlich teuer werden können, wenn in dieser Zeit bereits Kapitalerträge zufließen, auf die Kapitalertragsteuer einbehalten wird.
Verbindung zu strategischer Nachfolgeplanung
Besondere Relevanz gewinnt die Entscheidung, wenn Stiftungen als Instrument der Unternehmensnachfolge eingesetzt werden. Hier spielt der Zeitpunkt der Übertragung von Unternehmensanteilen und die Ausschüttungspolitik eine zentrale Rolle. Erfolgt die Gründung zu spät und ohne gesicherte steuerliche Anerkennung, können Dividendenzahlungen an die gemeinnützigkeitsrechtlich noch nicht anerkannte Stiftung zu erheblichen Liquiditätsverlusten führen. Diese Mittel fehlen dann nicht nur für die unmittelbare Erfüllung des Stiftungszwecks, sondern können auch die wirtschaftliche Handlungsfähigkeit in der Startphase erheblich einschränken. Die wirksamste Strategie zur Vermeidung einer solchen Definitivbelastung besteht in der vorzeitigen Stiftungserrichtung zu Lebzeiten des Stifters, idealerweise verbunden mit dem rechtzeitigen Antrag auf einen Feststellungsbescheid über die Satzungsmäßigkeit nach § 60a AO. Dieser kann sicherstellen, dass bei ersten Kapitalerträgen keine Steuer einbehalten wird. Ebenso kann es sinnvoll sein, Ausschüttungen aus einer Beteiligungsgesellschaft bis zur endgültigen Anerkennung der Stiftung zu verschieben. Entscheidend ist, dass sämtliche vorbereitenden Unterlagen – insbesondere die Stiftungssatzung – so frühzeitig und vollständig eingereicht werden, dass das Anerkennungsverfahren ohne vermeidbare Verzögerung abgeschlossen werden kann.
Integration in ganzheitliche Vermögensplanung
Das Urteil betraf zwar eine gemeinnützige Stiftung, doch seine Grundsätze lassen sich auf privatnützige Familienstiftungen übertragen. Auch hier können Kapitalerträge, die vor der steuerlichen Anerkennung zufließen, steuerlich nicht mehr rückgängig gemacht werden. Für Familienstiftungen im Rahmen der Nachfolgeplanung gilt daher, dass zivil-, steuer- und gesellschaftsrechtliche Aspekte eng verzahnt geplant werden müssen, um zeitliche Risiken auszuschließen. Moderne Stiftungsberatung betrachtet die Errichtung nicht isoliert, sondern als Baustein einer Gesamtstrategie, in der Vermögensschutz, steuerliche Optimierung, Governance-Strukturen und wirkungsorientierte Mittelverwendung aufeinander abgestimmt werden. Fehler in der Anfangsphase wirken oft über Jahrzehnte nach. Das Urteil aus Münster verdeutlicht, dass selbst scheinbar kleine Versäumnisse im Zeitmanagement spürbare finanzielle Konsequenzen haben können – und damit den langfristigen Erfolg einer Stiftung gefährden.
Das Finanzgericht Münster hat mit seiner Entscheidung also ein klares Signal gesetzt: Die steuerliche Anerkennung ist kein formaler Nebenschritt, sondern ein entscheidender Meilenstein, der über die wirtschaftliche Ausgangslage einer Stiftung mitbestimmt. Wer die Errichtung ohne präzisen Zeitplan angeht, riskiert unwiderrufliche Steuerbelastungen und den Verlust von Mitteln, die für den Stiftungszweck vorgesehen waren. Für Stifter und Berater bedeutet dies, dass die frühzeitige, umfassende und interdisziplinär abgestimmte Planung kein optionaler Luxus, sondern eine Notwendigkeit ist – sowohl für gemeinnützige als auch für privatnützige Stiftungen.