In der PKV herrscht ein harter Wettbewerb um Bestandskunden anderer Anbieter. Der Gesetzgeber förderte dies gezielt über das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV-WSG) von 2007: Das Gesetz ermöglicht für alle seit 2009 geschlossenen Verträge, Alterungsrückstellungen in Leistungshöhe des Basistarifs beim Anbieterwechsel mitzunehmen. Grundlage ist Paragraf 204 Versicherungsvertragsgesetz (VVG). Seitdem ist es für PKV-Versicherte möglich, zwischen Anbietern zu wechseln, ohne dass alle Rückstellungen dem Versichertenkollektiv des alten Anbieters zufallen.

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Sicht der Kritiker: Umgedeckt wird (zu oft) fürs Provisionsgeschäft

Zwar dient ein derartiger Wettbewerb dem Verbraucherschutz – Versicherer müssen Bedingungen so ausgestalten, dass sie Kunden auch längerfristig nicht verlieren. Doch führte dies auch zu einem Umdeckungswettbewerb zwischen den Anbietern. Kritiker bemängeln hierbei, dass allzu häufig gegen das Interesse der Kunden umgedeckt wird.

Das Problem: Versicherer locken der Konkurrenz die Kunden weg und fördern dies durch Provisionen. Den Vermittlern winkt hierdurch – trotz des Provisionsdeckels in der PKV – ein lohnenswertes Geschäft. Der Versicherungsnehmer allerdings kommt durch einen Tarifwechsel beim selben Anbieter anstatt durch Umdeckung häufig besser weg: Ihm bleiben beim Tarifwechsel – statt der anteiligen Alterungsrückstellungen (in Orientierung am Basistarif) – sämtliche Alterungsrückstellungen erhalten.

Umdeckungssieger haben hohe Abschlusskostenquoten

Wenngleich Abschlusskosten natürlich nicht nur für Provisionen anfallen, sondern auch für Investitionen in die digitale Infrastruktur etc., deuten aktuelle Kennzahlen auf einen Zusammenhang zwischen hohen Abschlusskosten und erfolgreichen Umdeckungen hin. Einige Versicherer geben demnach vergleichsweise viel Geld aus, um anderen Versicherern die Kunden wegzulocken. Hierfür spricht zum Beispiel eine auffallende Korrelationen zwischen dem Erfolg der Umdeckungssieger auf der einen Seite und ihren hohen Abschlusskostenquoten auf der anderen Seite.

Wachstum nur noch durch Umdeckungen?

Grund für diesen provisionsbefeuerten Umdeckungswettbewerb könnte unter anderem eine stagnierende Nachfrage auf dem Markt sein. Diese These vertritt zumindest Versicherungsexperte Matthias Beenken in einem aktuellen Artikel des Versicherungsmagazins: Seit Jahren ließe sich nennenswerter Wachstum in der privaten Krankenversicherung nur noch erzielen, indem man der Konkurrenz Bestandskunden wegnimmt. Wichtige Kennzahlen stützen die These. So verharrt der PKV-Bestand an Vollversicherungen seit Jahren auf gleichem Niveau und nahm in 2020 sogar um 0,1 Prozent ab (Versicherungsbote berichtete).

Nur sieben Versicherer konnten letztjährig überhaupt ihren Bestand um mehr als 1.000 Vollversicherungen vergrößern. Auffallend handelt es sich um jene Versicherer, die auch im Umdeckungswettbewerb besonders erfolgreich sind – und eben hohe Abschlusskostenquoten haben. Einzige Ausnahme ist die Debeka als Marktführer, die mit einer Abschlusskostenquote in Höhe von 4,14 Prozent noch unterhalb des Branchenschnitts (6,29 Prozent) liegt.

Umdeckung eher durch Ausschließlichkeit?

Matthias Beenken stellt beim Versicherungsmagazin auch die These auf: Die Ausschließlichkeit wäre der Vertriebsweg, der am häufigsten die Umdeckungen motiviert. Demnach würden eher ausschließlichkeits-fokussierte Versicherer zu den Nettogewinnern der Umdeckung gehören. Hierzu passt: Das Neugeschäft in der Privaten Krankenversicherung wird maßgeblich vom Ausschließlichkeitsvertrieb bestimmt. Die Ausschließlichkeit besorgte mit 56,4 Prozent über die Hälfte des Neugeschäfts in der Privaten Krankenversicherung (Versicherungsbote berichtete).

Korrelierende Kennzahlen: Hinweise, aber keine Beweise

Allerdings darf nicht zu leicht aus korrelierenden Kennzahlen auf Beweise geschlossen werden – zunächst geben sie nur Hinweise zu weiteren Nachforschungen. Diese Forschungen werden erschwert durch PKV-Versicherer, die Zahlen zum Neugeschäft zurückhalten (Versicherungsbote berichtete).

Erschwerend kommt hinzu: Nicht alle Versicherer weisen die erhaltenen und abgeführten Alterungsrückstellungen in ihren Geschäftsberichten aus. So fehlen Angaben der Axa, der Landeskrankenhilfe, des Münchener Vereins, der Ottonova sowie der Universa. Versicherungsexperte Matthias Beenken mutmaßt zu diesem Problem: Hierunter seien „eher Verlierer von Alterungsrückstellungen zu finden“.

Dieser Verdacht wird dadurch verstärkt, dass auch Generali und DVK keine vollständigen Zahlen liefern für erhaltene und abgeführte Alterungsrückstellungen – allerdings erscheinen beide Versicherer mit ihrem Saldo aus beiden Werten im aktuellen MAP-Report. Es zeigt sich hierbei: Generali und DVK sind die größten Verlierer im Umdeckungswettbewerb nach absoluten Zahlen.

Die Kennzahlen sagen nichts über den Kunden-Nutzen aus

Zudem darf es an dieser Stelle natürlich nicht darum gehen, Umdeckungsgewinnern eine mögliche Fehlentwicklung in der Praxis anzulasten – es wäre sicher zu einfach, Gründe der Umdeckungen nur in einer provisionsgenährten Überzeugungskraft der Vermittler zu suchen anstatt im Kundennutzen. Ebenso wenig sagen die präsentierten Kennzahlen etwas darüber aus, warum Kunden den Umdeckungsverlierern den Rücken zukehren. Zur Beantwortung derartiger Fragen wären ebenfalls weitere Nachforschungen nötig.

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Auch sind Umdeckungen laut Matthias Beenken durch den 2012 eingeführten PVK-Provisionsdeckel anteilig zurückgegangen. Im Folgenden werden – auf Basis der Kennzahlen des MAP-Report 920 – Gewinner und Verlierer im Umdeckungswettbewerb vorgestellt.

Die Gewinner im Umdeckungskampf

Gewinner und Verlierer im Umdeckungskampf lassen sich beurteilen anhand der Übertragungswerte bzw. anhand der Portabilitätszahlen. Wichtigster Wert ist das Saldo erhaltener und abgeführter Alterungsrückstellungen:

  • Versicherer, die wesentlich mehr Alterungsrückstellungen erhalten als sie abführen, haben der Konkurrenz erfolgreich PKV-Kunden abgeworben.
  • Wer hingegen viele Alterungsrückstellungen verliert mit hohem negativen Saldo bei Alterungsrückstellungen, der verliert besonders viele Personen in der Vollversicherung an die Konkurrenz.

Die Gewinner im Umdeckungswettbewerb

Geht man nach dem Saldo von erhaltenen und abgeführten Alterungsrückstellungen in 2020, sind folgende Anbieter die großen Gewinner im Umdeckungskampf:

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  • Signal Iduna: 5,52 Mio. Euro Zugewinn an Alterungsrückstellungen gegenüber 2019
  • Arag: 6,30 Mio. Euro Zugewinn an Alterungsrückstellungen
  • Debeka: 7,81 Mio. Euro Zugewinn an Alterungsrückstellungen
  • Continentale: 12,09 Mio. Euro Zugewinn an Alterungsrückstellungen
  • HanseMerkur: 35,34 Mio. Euro Zugewinn an Alterungsrückstellungen

Kennzahlen korrelieren auffallend

Vergleicht man nun diesen Zugewinn mit weiteren Kennzahlen, gibt es eine auffallende Korrelation zwischen a) dem hohen Zugewinn an Alterungsrückstellungen, b) einem hohen Zugewinn an Vollversicherungen und c) einer schlechten Abschlusskostenquote.

Beispiel Arag: Zwar gehört die Arag zu den kleinen Versicherern. In Relation zur eigenen Bestandsgröße aber schaffte sie in 2020 das höchste Wachstum bei Vollversicherungen – ein Plus um 12,44 Prozent . Denn 46.554 Versicherungen hielt man in 2019, 52.344 sodann in 2020. Für diesen Erfolg aber scheint die Arag auch einiges an Geld in die Hand zu nehmen: Ihre Abschlusskostenquote in Höhe von 15,42 Prozent ist die zweitschlechteste des Marktes.

Man könnte demnach pointieren: Die Arag hat auch deswegen hohe Abschlusskosten, um auf Kosten der Konkurrenz zu wachsen. Denn zumindest ein Teil dieses Geldes fließt , um der Konkurrenz Kunden aus dem Bestand abzuwerben.

Beispiel HanseMerkur: Zahlen der HanseMerkur verstärken den Verdacht des teuren Umdeckungswettbewerbs – die Ergo hat die drittschlechteste Abschlusskostenquote der gesamten Branche. Wendet der Versicherer aus Hamburg doch 12,83 Prozent seiner Bruttoprämien in 2020 für Neuabschlüsse auf. Grund zur Enttäuschung aber gibt es deswegen nicht. Denn seit Jahren zeigen Kennzahlen: Die HanseMerkur ist der große Gewinner im Umdeckungskampf mit der Konkurrenz.

Die HanseMerkur hat in 2020 auch den zweitgrößten Zuwachs an Vollversicherungen geschafft mit einem Plus von 11.058 Versicherungen gegenüber 2019. Einzig gegenüber dem Marktführer muss sich das norddeutsche Unternehmen hier geschlagen geben: Die Debeka gewinnt in 2020 insgesamt 34.120 Vollversicherungen hinzu.

Die Verlierer im Umdeckungskampf

Wer aber sind die Verlierer in diesem Umdeckungskampf? Beachtet werden muss: Nicht alle Versicherer weisen Zahlen aus. Deswegen ist das Ranking unvollständig. Unter jenen Versicherern aber, die Zahlen liefern, verloren folgende Unternehmen in 2020 besonders viele Alterungsrückstellungen an die Konkurrenz – und verloren damit an die Konkurrenz besonders viele Kunden:

  • Nürnberger: 2,38 Mio. Euro weniger Alterungsrückstellungen in 2020
  • Bayerische Beamtenkrankenkasse (BBK): 2,40 Mio. Euro weniger an Alterungsrückstellungen
  • Gothaer: 3,20 Mio. Euro weniger an Alterungsrückstellungen
  • Generali: 5,60 Mio. Euro weniger an Alterungsrückstellungen
  • DKV: 8,87 Mio. Euro weniger an Alterungsrückstellungen

Sieht man nun von der Continentale ab, die zwar auf Rang zwei beim Zugewinn der Übertragungswerte ist, jedoch 6.184 Vollversicherungen verlor, dann gibt es auch hier auffallende Korrelationen. So verlor die Gothaer 2020 insgesamt 3.731 Vollversicherungen im Bestand, die Generali verlor 5.594 Vollversicherungen im Bestand und die Bayerische Beamtenkranken verlor 6.327 Vollversicherungen im Bestand. Den höchsten Verlust aller Versicherer an Vollversicherungen aber musste just auch der Verlierer bei den Übertragungswerten beklagen: Die DVK verlor in 2020 insgesamt 16.469 Vollversicherungen. Der MAP-Report, dem die Kennzahlen zugrunde liegen, ist auf der Webseite von Franke und Bornberg verfügbar.

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Anmerkung der Redaktion: Aufgrund eines Lesefehlers wurden im Artikel zunächst zu hohe Zahlen angegeben. Diese aber haben wir mittlerweile korrigiert. Die Redaktion bittet um Entschuldigung. Auch bat uns ein Pressesprecher der Versicherungskammer, auf die geringen Summen im Verhältnis zum Gesamtbestand an Alterungsrückstellungen hinzuweisen. So sind 2,40 Mio. Euro, die der Bayerischen Beamtenkrankenkasse verloren gingen, nur 0,02 Prozent des Gesamtbestands.

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