Bereits seit dem Jahr 2011 erhebt das Kölner Institut infinma Institut für Finanz-Markt-Analyse sogenannte Marktstandards in der Berufsunfähigkeitsversicherung (BU). 458 aktuelle Tarife haben die Rheinstädter für die aktuelle Studie abgeklopft. Dabei handelt es sich explizit nicht um ein Ranking, wie infinma per Pressetext wissen lässt: auch auf eine individuelle Gewichtung der erhobenen Qualitätsmerkmale wird verzichtet.

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Das unterscheidet die vorliegende Studie von dem Gros vieler anderer Tarifvergleiche. Denn die Kölner haben einen eigenen Ansatz entwickelt: Diejenige Ausprägung, die von den Anbietern in ihren Produkten am häufigsten verwendet wird, definiert den jeweiligen Marktstandard im Sinne eines Branchendurchschnittswertes. Nun wird geschaut, welche Tarife alle identifizierten Marktstandards erfüllen oder übertreffen. Insgesamt 18 Kriterien wurden für den aktuellen BU-Standard definiert, die mindestens erfüllt werden mussten. Das Ziel dieses Herangehens: „Eine für den Kunden unterdurchschnittliche Regelung kann nicht durch eine besonders vorteilhafte Formulierung bei einem anderen Kriterium ausgeglichen werden“, begründet das Analysehaus die Methode.

Im Schnitt erfüllte nicht einmal jeder zweite untersuchte Tarif alle 18 Leistungskriterien. 206 Tarife – und damit gut 45 Prozent – konnten die Marktstandards erfüllen. Zu den Standards gehörten so wichtige Themen wie der Verzicht auf eine abstrakte Verweisung, sodass der Versicherer den Betroffenen nicht auf einen anderen Beruf verweisen kann, auch wenn hierbei Ausbildung und Beruf zumindest berücksichtigt werden. Oder eine vorübergehende Leistung bereits bei Arbeitsunfähigkeit, die in mehr als der Hälfte der Tarife nicht oder nur optional vorgesehen ist. Hier erhält der Versicherte bereits eine Zahlung nach sechs Monaten ununterbrochener Krankschreibung - auch wenn die aufwendige Prüfung der Berufsunfähigkeit noch nicht abgeschlossen ist.

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Diese Marktstandards wurden für die aktuelle Studie berücksichtigt:

  • Prognose: Leistung, wenn mindestens 6 Monate Berufsunfähigkeit ärztlich prognostiziert
  • Leistung wird rückwirkend ausgezahlt, wenn späterer Leistungsbeginn
  • Verzicht auf abstrakte Verweisung
  • Verzicht auf Umorganisation bei Akademikern
  • Verzicht auf Umorganisation bei Kleinbetrieben
  • Kostenbegrenzung bei Umorganisation
  • Berufswechselprüfung: keine nachteilige Extra-Prüfung, wenn Versicherter vor Berufsunfähigkeit binnen einer bestimmten Frist Beruf gewechselt hatte.
  • Leistungsbeginn: Ab 1. des Monats nach Feststellung BU, keine nachteiligen Karenz- und Wartezeiten
  • Ausschluss Meldefristen: Beinhaltet ein Bedingungswerk eine Meldefrist (i.d.R. 3, 6, 12 oder 36 Monate), so beginnt die Leistungspflicht des Versicherers bei einer verspäteten Meldung erst mit dem Zeitpunkt der Meldung.
  • Erhöhungsoption ohne Anlass: Ermöglichen es dem Versicherten, ohne erneute Gesundheitsprüfung den Versicherungsschutz zu erhöhen.
  • Möglichkeit Beitragsstundung
  • Befristete Anerkenntnisse: Versicherer trifft laut Vertrag nach Vorliegen aller erforderlichen Unterlagen möglichst zügig eine endgültige und rechtsverbindliche Entscheidung über die Leistungspflicht. Klauseln zur Befristung können sich hier nachteilig auswirken und Rechtsunsicherheit schaffen.
  • Meldepflicht Minderung BU: keine nachteiligen Klauseln, wenn sich Gesundheitszustand nach Anerkennung BU bessert.
  • Meldepflicht Aufnahme Tätigkeit
  • Nachprüfung BU: Versicherer sind grundsätzlich berechtigt, nach einer bestimmten Zeit (nach) zu prüfen, ob eine einmal eingetretene BU medizinisch weiter fortbesteht. Hierbei sollte auf nachteilige Klauseln verzichtet werden bzw. nur Verweis auf Beruf erlauben, welcher die vorherige Ausbildung, Erfahrung und Lebensstellung nicht unterschreitet.
  • Leistung bei Arbeitsunfähigkeit
  • Ausscheiden aus dem Beruf: Bei Ausscheiden aus dem Beruf wird unbegrenzt der zuletzt ausgeübte Beruf geprüft, keine abstrakte Prüfung.
  • Option auf selbständige Anschluss-Pflegerente: 74 Versicherer bieten eine Pflege-Option ohne Gesundheitsprüfung an, die zum Ende der Versicherungsdauer gezogen werden kann. So bietet sich Möglichkeit, nach dem BU-Risiko auch Pflegerisiko abzusichern. Marktstandard ist das noch nicht: 384 Tarife verzichten auf solch eine Option.

Eine Übersicht über die zertifizierten Tarife findet sich auf der Webseite von infinma. Alle 206 Tarife aufzulisten, würde hier den Rahmen sprengen.

"...immer noch Verbesserungspotential"

Wenn der Tarif alle Marktstandards erfüllt oder überbietet, können die Versicherer für die besagten Angebote ein kostenloses infinma-Zertifikat erhalten. Die Marktstandards sollen sowohl Vermittlern und Maklern, aber auch Versicherern wichtige Informationen über die am Markt üblichen und verbreiteten Regelungen in den BU-Bedingungen geben, teilen die Kölner Analysten mit. Zur Erinnerung: Die Standards allein erlauben keinen Aufschluss, ob der jeweilige Tarif für die einzelne Kundin bzw. den Kunden geeignet ist: Das hängt unter anderem vom jeweiligen Beruf, der individuellen Einkommens- und Lebenssituation sowie dem daraus resultierendem Absicherungsbedarf ab.

Die Standards passt das Analysehaus hierbei regelmäßig an. „Veränderungen im Kreis der zertifizierten Gesellschaften zeigen deutlich, dass unser Verfahren funktioniert und auf Marktveränderungen zeitnah reagiert. Anders als bei anderen Analysen haben wir selber keinen Einfluss auf die Ergebnisse, da die Standards vom Markt vorgegeben werden“, kommentiert Jörg Schulz, Geschäftsführer bei infinma.

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In diesem Jahr wurde unter anderem der Leistungspunkt "Umorganisation" neu gegliedert. „Aufgrund der hohen Marktdynamik hatten wir im letzten Jahr auf eine Bewertung des Kriteriums Umorganisation bei Selbständigen verzichtet. Um die zahlreichen positiven Veränderungen angemessen berücksichtigen zu können, haben wir das Kriterium nun aufgeteilt: zum einen die Umorganisation bei Inhabern von Klein(st)betrieben und zum anderen die Umorganisation bei Selbständigen mit akademischem Hintergrund", erklärt Schulz.

“Die neuen Marktstandards haben deutlich gezeigt, dass trotz der marktbreit hohen Qualität der Bedingungen immer noch Verbesserungspotenzial vorliegt“, ergänzt Geschäftsführer-Kollege Marc Glissmann. „Viele Anbieter haben hier noch einmal kundenfreundliche Verbesserungen ihrer Bedingungen vorgenommen.“

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