Die 82 deutschen Lebensversicherer müssen immer höhere Garantie-Pflichten erfüllen. Die Garantieanforderungen sind zum Jahresende 2019 gegenüber dem Vorjahr um 12 Prozent gestiegen, so berichtet der Zweitmarktanbieter Policen Direkt in einem aktuellen Pressetext. Die Analysten haben hierfür die veröffentlichten Zahlen zur Mindestzuführungsverordnung (MindZV) ausgewertet. Die einzelnen Ergebnisse sind auf der Webseite des Zweitmarktanbieters einsehbar.

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Die Finanzstärke der Lebensversicherer -vereinfacht die Quote aus den Kapitalerträgen im Verhältnis zu den Rechnungszins-Aufwendungen- ist zwar vergleichsweise stabil: Sie ist sogar leicht von 114,03 auf 114,41 gestiegen. In der Kennzahl „Rechnungszins“ fasst Policen Direkt hierbei die Garantiepflichten inklusive der Gelder, die ein Versicherer der Zinszusatzreserve (ZZR) verpflichtend zuführen muss. Das ist ein Finanzpuffer, der dauerhaft die Stabilität der Versicherer garantieren soll.

Lebensversicherer fahren auf Sicht

Aber viele Versicherer haben kaum noch Spielraum. „Beim Blick auf die einzelnen Unternehmen zeigt sich, dass fast die Hälfte der Unternehmen auf Sicht fährt. Sie erfüllen die Anforderungen nur äußerst knapp“, erklärt Henning Kühl, Chefaktuar von Policen Direkt und Versicherungsmathematiker (DAV). „Die Branche hat bereits im Vorfeld der COVID-19-Krise um Stabilität gekämpft.“ Hier ist zu vermuten, dass die Coronakrise die Probleme der Branche weiter verstärkt hat: Das Neugeschäft schwächelte, viele Betroffene konnten ihre Prämien nicht mehr bedienen, und auch der Kapitalmarkt geriet zwischenzeitlich in Turbulenzen.

Bei 24 von 82 Lebensversicherern reichen die 2019 (2018: 30) erwirtschafteten Erträge aus der Kapitalanlage zudem nicht aus, um die Garantieverpflichtungen zu erfüllen und die gesetzlich vorgeschriebene Reserve zu bedienen, berichtet Kühl weiter. Diese Versicherer müssen quasi ihre Pflichten gegenüber den Kundinnen und Kunden querfinanzieren: etwa durch höhere Risikogewinne oder Einsparungen durch effizientere Verwaltung.

„Auf den ersten Blick ist das eine Verbesserung im Vergleich zum Vorjahr und damit eine gute Nachricht“, erklärt Kühl. „Die Spielräume sind allerdings unverändert eng geblieben.“ Bei insgesamt 40 Gesellschaften (2018: 41) liegt diese Kennzahl bei maximal 105 Prozent, also nahe an der kritischen 100-Prozent-Marke.

Für Aufsehen hatte in den letzten Jahren auch gesorgt, dass einige Versicherer quasi ihr Tafelsilber verscherbeln. Hochverzinste Anleihen mit langer Laufzeit stoßen sie ab, um damit kurzfristig ihre Finanzausstattung zu verbessern. Dann aber sind sie gezwungen, in neue Anleihen zu investieren: die oft deutlich niedriger verzinst sind. Im Grunde ein schlechtes Tauschgeschäft (der Versicherungsbote berichtete).

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Gesamtertrags-Stärke: 140,07 Prozent

Die Finanzstärke reicht als Kennzahl nicht aus, um einschätzen zu können, wie die Lebensversicherer für die Zukunft aufgestellt sind. Der Grund: zahlreiche Biometrie-Spezialisten finden sich unter den betroffenen Querfinanzierern. Das sind Anbieter, die ihren Schwerpunkt in der Absicherung von Invalidität und Berufsunfähigkeit haben, weniger in der privaten Altersvorsorge. Die Gesamt-Ertragsstärke berücksichtigt sämtliche Erträge in der Rechnung und liegt branchenweit bei 140,07 Prozent (2018: 141,75%).

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