Eine Person, die über weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens der Gesamtbevölkerung verfügt, gilt laut EU-Definition als armutsgefährdet. Diese Definition zugrunde gelegt, betrug die Armutsgefährdungsquote bei Rentnern und Pensionären 18,7 Prozent, zeigten Auswertungen des Statistischen Bundesamtes aus November 2019. Doch dabei werden oft nur individuelle Rentenansprüche betrachtet, während Einkommen des Partners oder Vermögenswerte unberücksichtigt blieben, kritisiert das IW Köln. „Das überzeichnet die Armutsgefährdung“, so Maximilian Stockhausen. Der Ökonom des IW Köln hat mit seiner Kollegin Judith Niehues deshalb Vermögenswerte wie Häuser oder Aktien in Monatswerte aufgeteilt und die Betrachtung mit einbezogen. Dadurch werde deutlich, dass über 65-Jährige zwar über unterdurchschnittliche Einkommen verfügen, aber häufiger über höhere Vermögenswerte, so das arbeitgebernahe Institut.

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Mit dieser kombinierten Betrachtung von Einkommen und Vermögen will das IW Köln ein vollständigeres Bild des materiellen Wohlstands liefern und bessere Rückschlüsse auf die finanzielle Leistungsfähigkeit der Bevölkerung in Deutschland ermöglichen. Den Studienergebnissen zufolge, zählen statt 3 etwa 9 Prozent der Bundesbürger zu den relativ Reichen. Sie verfügen also netto über mehr als 250 Prozent des mittleren Einkommens – das sind für einen Single 4.713 Euro monatlich (siehe Grafik).


Vermögen berücksichtigt: Senioren-Einkommen wachsen um 73 Prozent

Betrachtet man Einkommen und Vermögen nach Altersgruppen, erhöht sich das verfügbare Monatseinkommen der über 65-Jährigen nach Berücksichtigung der Vermögen im Schnitt um 73 Prozent – von 2.066 auf 3.574 Euro (siehe Grafik).

Das höchste Armutsrisiko liegt also nicht bei der Gruppe der über 65-Jährigen, so ein Kernergebnis der Studie. „Doch auch in der kombinierten Betrachtung verbleiben 9,9 Prozent der über 65-Jährigen in der Kategorie der relativ Armen. Das sind 1,75 Millionen Menschen – und diese brauchen gezielte Unterstützung“, so Stockhausen.

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Kritik an Methodik

Allerdings wurden auch Stimmen laut, die das Vorgehen der Ökonomen kritisierten. Deren Tenor: Gerade der Einbezug von selbstgenutzten Wohnimmobilien wäre unrealistisch. Diesem Vorwurf begegnet Stockhausen so: „Natürlich ist unser Vorgehen ein eher theoretisches. Doch es ist durchaus realistisch, dass ein Haushalt Vermögenswerte zumindest teilweise verkauft und das Geld nutzt, wenn er in finanzielle Probleme gerät. Bei Wohnimmobilien mag dies jedoch schwieriger sein als bei Aktien.“

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