Angestellte in Städten und Kommunen erhalten eine obligatorische Betriebsrente. Doch der Niedrigzins fordert auch hier seinen Tribut. Zwei öffentliche Kassen wollen den Rotstift ansetzen oder haben dies bereits getan, so schreiben übereinstimmend mehrere Medien: die Rheinische Versorgungskasse (RZVK) und die Versorgungskasse Westfalen-Lippe (KVW). Bei letztgenannter Versorgungseinrichtung müsse aber das Düsseldorfer Innenministerium als Aufsicht noch zustimmen, hier ist noch ein Einlenken möglich.

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Bei beiden Kassen sind laut test.de insgesamt 29.000 Versicherte und 7.800 Rentner betroffen. Die Anbieter begründen das Vorgehen mit dem aktuellen Niedrigzins.

RZVK: Betroffen sind freiwillige Zusatzrenten

Bei der RZVK müssten rund 21.500 Beschäftigte Kürzungen akzeptieren, so berichtet „Spiegel Online“. Ihnen werden die bis Ende 2010 erworbenen Anwartschaften um 25 Prozent gekürzt. Keine Einschnitte fürchten müssen hingegen die Pflichtversicherten, sondern nur Vorsorgesparer, die zusätzlich mit freiwilligen Beiträgen ihre Rente aufstocken wollten.

Das Magazin nennt das Beispiel einer Erzieherin, die 2014 in Altersteilzeit ging. Bis zu 2900 Euro pro Jahr habe sie zusätzlich an Beiträgen eingezahlt: und erhalte jetzt per annum rund 600 Euro weniger Rente.

Hierbei gilt es zu bedenken, dass sich die Renten aus zwei Teilen zusammensetzen: zum einen aus dem Garantiezins, der immer noch stolze 3,25 Prozent beträgt. Darüber hinaus eine Beteiligung an den erwirtschafteten Überschüssen, die wiederum in einen fest zugesagten und einen erfolgsabhängigen Anteil untergliedert sind. Wenn die Versorgungskasse am Kapitalmarkt gute Erträge erzielt, erhalten die Versicherten einen weit höheren Anteil an den Überschüssen. Doch der erfolgsabhängige Aufschlag wird nun gestrichen. Für die Zeit ab 2011 sollen die Versicherten sogar ganz auf eine Überschussbeteiligung verzichten: Dann gibt es nur noch die garantierte Rente.

Ein Gschmäckle hat das Vorgehen der RZVK aus mehreren Gründen. Zum einen, weil die Vorsorgekasse die Renten rückwirkend kürzt: für eine Zeit, in der sie noch ordentlich Zins erwirtschaftet hatte. Und es sogar immer noch tut, schenkt man „Spiegel Online“ Glauben:

Die Kasse stecke 66 Prozent der gesamten Kapitalanlage von aktuell 6,53 Milliarden in Investmentanteile, rechnet das Medienhaus vor. Zum Beispiel in einen Aktienindex wie den MSCI World, er konnte 2017 beinahe 20 Prozent Gewinn erwirtschaften. Weil viele Mitglieder der Zusatzversorgungskassen in Deutschland pflichtversichert sind, finanzieren sie die Anwartschaften nicht nur kapitalgedeckt, sondern auch per Umlageverfahren. Anders als Lebensversicherer dürfen sie deshalb ihr Geld riskanter anlegen und müssen weniger Eigenkapital zurückhalten: Ihre Liquidität ist weniger durch Vertragskündigungen bedroht. Der "Spiegel" nennt das schlicht intransparent.

Die Sache mit der FDP-Fraktion

Ein zweiter Grund, weshalb die Kürzungen bei den Versicherten auf wenig Verständnis stoßen: die frühere Bundestagsfraktion der FDP schuldet der Vorsorgekasse noch knapp sechs Millionen Euro. Die Liberalen haben das Geld für ihre rund 100 Beschäftigten jahrelang nicht bezahlt, obwohl sie bei der RZVK gemeldet waren — und sahen sich von den Schulden befreit, nachdem sie 2013 aus dem Bundestag geflogen war. Auch jetzt will die FDP nicht erstatten.

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Grob vereinfacht hatte die FDP-Fraktion damals Liquidation beantragen müssen, nachdem sie schlecht gewirtschaftet hatte. Zum Jahresende 2013 plagten die Liberalen eine Schuldenlast von 8,6 Millionen Euro. Die jetzige Bundespartei fühlt sich für diese Schulden ebensowenig zuständig wie die jetzige Bundestags-Fraktion: man sei nicht Rechtsnachfolger des damals abgewickelten Vorgängers.

Beide Kassen schichten Gelder um

Das Problem bei der RZVK: Trotz der nicht bezahlten Forderungen durch die FDP haben die damaligen Fraktions-Mitarbeiter weiterhin Anspruch auf ihre Betriebsrente, sie sind noch immer Mitglied in der Kasse. Die Anwartschaften für diese Rentner aber müssen die anderen Versicherten finanzieren. Und es besteht der Verdacht, dass diese nicht bezahlten Beiträge ein wichtiger Grund sind, weshalb die öffentliche Betriebskasse den Rotstift ansetzen musste.

Zunächst stritt die Vorsorgekasse gegenüber dem „Spiegel“ ab, dass die nicht gezahlten FDP-Beiträge ein Grund für die Kürzungen seien. Auf erneute Nachfrage muss die RZVK dann einräumen, dass die beiden Vorgänge doch auch in einem Zusammenhang stehen. "Da der Fehlbetrag nur teilweise durch den Wegfall des vertraglich nicht garantierten Anteils gedeckt werden konnte, erfolgte als ergänzende Konsolidierungsmaßnahme eine Gegenfinanzierung aus dem Abrechnungsverband I", schrieb die Kasse. In diesem Sonderverband, 1978 ausgegliedert, sind die rein umlagefinanzierten Renten organisiert: Die FDP-Mitarbeiter gehören dem "Abrechnungsverband II" an, der zusätzlich kapitalgedeckt ist.

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Beide Kassen schichten Gelder aus Pflichtversicherung um

Damit die Kürzungen nicht stärker ausfallen müssen, haben sowohl RZVK als auch KVW Geld aus der vom Arbeit­geber mitfinanzierten Pflicht­versicherung in die freiwil­lige Versicherung umge­schichtet, so berichtet test.de. Bei der RZVK seien es 42,8 Millionen Euro, bei der KVW 31,9 Millionen. „Durch den Vermögen­stransfer kann man die garan­tierten Anwart­schaften der Versicherten mit einem Garan­tiezins von 3,25 Prozent erhalten“, zitieren die Watchdogs die KVW-Geschäftsführung. Nachteile für Pflichtversicherte seien nicht zu befürchten, da es sich "nur" um um 1,2 Prozent deren Vermögens handle: Geld, das letztendlich aber auch fehlt.

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