Eine Versicherungspflicht für Beamte in der gesetzlichen Krankenversicherung würde die öffentlichen Haushalte bis 2030 um 60 Milliarden Euro entlasten. Zu dieser Einschätzung kommt die Bertelsmann Stiftung anhand einer aktuellen Studie. Die Untersuchung hat das Iges-Institut aus Berlin durchgeführt.

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85 Prozent der Beamten sind Privatversicherte

In Deutschland sind 85 Prozent der berufstätigen und pensionierten Beamten und damit rund 3 Millionen Menschen privat krankenversichert. Aus gutem Grund: Über die sogenannte Beihilfe übernimmt der Staat die Hälfte der Arzt- oder Krankenhauskosten, bei Pensionären sind es sogar 70 Prozent - je nach Familiensituation sowie Bundes- und Landesrecht. Auch die privaten Krankenversicherer werden über diesen Zuschuss enorm entlastet. Sie müssen nur den Restbetrag zahlen.

Einen Anreiz, sich gesetzlich zu versichern, haben die Beamten kaum. Lediglich in zwei Situationen macht das Sinn: wenn ein Beamter so schwer erkrankt ist, dass er bei einem Privatversicherer deftige Risikoaufschläge zahlen müsste. Und wenn der Beamte viele Kinder hat, denn diese werden in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) kostenlos mitversichert. So lässt sich die Studie der Bertelsmann-Stiftung in einer zugespitzten Lesart derart interpretieren, dass auch die privaten Krankenversicherer am Tropf der Steuerzahler hängen. Zur Erinnerung: Beamte stellen knapp die Hälfte der rund 8,8 Millionen Privatversicherten in Deutschland.

Denn die Steuerzahler sind es letztendlich, die für die Beihilfen der Beamten aufkommen müssen. „Die Beihilfe kostet den Staat jährlich Milliarden“, heißt es in einer Pressemeldung der Stiftung. „Angesichts unserer älter werdenden Gesellschaft mit steigender Tendenz. Durch ein anderes Krankenversicherungssystem könnte eine Menge dieses Geldes eingespart werden – zum Wohle der Steuerzahler und Versicherten.“ Eine Formulierung, die Befürworter einer Bürgerversicherung dankbar zur Kenntnis nehmen werden. Sie können sich nun auf die Bertelsmann-Studie berufen, um für einen Systemwechsel zu werben.

Die Ausgaben von Bund und Ländern für die Beihilfen werden in Zukunft massiv steigen, prognostiziert die Bertelsmann Stiftung. Quelle: bertelsmann-stiftung.de

Ausgaben der Bundesländer für Beihilfen sollen um 83 Prozent steigen

Den Steuerzahler kommt das Privileg der Beamten teuer zu stehen. Im Jahr 2014 gaben die Bundesländer für Beihilfen 7,4 Milliarden Euro aus, der Bund zahlte 4,5 Milliarden Euro. Nach den Prognosen der Studie sollen die Kosten in den nächsten Jahren geradezu explodieren. Bis zum Jahr 2030 müssen die Bundesländer satte 83 Prozent mehr für Beihilfen einplanen, der Bund immerhin noch 46 Prozent.

Denn auch die Beamten altern, immer mehr kommen ins Rentenalter und erzeugen folglich höhere Krankheitskosten. Im Jahr 2016 gab es laut Statistischem Bundesamt bereits 1,61 Millionen Pensionäre, die als frühere Staatsdiener ein Ruhegehalt beziehen. Zum Vergleich: die Zahl der aktiven Beamten und Richter war mit 1,67 Millionen Personen nur ungleich höher.

Übernahme des Arbeitgeberanteils für Beamte in der GKV ist laut Studie billiger

Aufgrund der explodierenden Gesundheitsausgaben für Beamte empfiehlt die Bertelsmann-Stiftung, auch Staatsdiener ins System der gesetzlichen Krankenversicherung zu zwingen, indem Bund und Länder keine Beihilfen mehr zahlen. Eine bittere Empfehlung auch für Privatversicherer: sie würden fast die Hälfte ihrer Kunden verlieren. Das System der privaten Krankenvollversicherung dürfte damit kaum zu retten sein, wie das Bertelsmann-Szenario zeigt.

Würde die Beihilfe für Beamte abgeschafft und für sie auch die gesetzliche Krankenversicherungspflicht eingeführt, beträfe das rund 67 Prozent der bislang privat versicherten Staatsbediensteten in Arbeit und Ruhestand, berichtet die Bertelsmann Stiftung. Sie fielen unter die bestehende Versicherungspflichtgrenze. Weitere 21 Prozent würden aus finanziellen Gründen freiwillig in die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) wechseln. Lediglich 12 Prozent der bisher privat versicherten Beamten blieben das aus finanziellen Gründen auch weiterhin.

Mit großen Auswirkungen: Schon im ersten Jahr nach Inkrafttreten der Reform würde der Staat laut den Bertelsmann-Berechnungen drei Milliarden Euro einsparen. Bis 2030 würden die öffentlichen Haushalte um insgesamt rund 60 Milliarden Euro entlastet. "Wenn für Beamte auch die gesetzliche Krankenversicherungspflicht gelten würde, würden nicht nur die meisten Länder finanziell profitieren, sondern auch der Bund. Das wäre eine Entlastung für jeden Steuerzahler", kommentiert Brigitte Mohn, Vorsitzende der Bertelsmann Stiftung. Zwar müssten Bund und Länder zukünftig den üblichen Arbeitgeberanteil in der gesetzlichen Krankenversicherung aufbringen. Aber dies sei schlichtweg billiger, als weiterhin Beihilfen zu zahlen.

Krankenkassen erzielen mit Beamten Plus von 3 Milliarden Euro

Für die gesetzlichen Krankenkassen und ihre Mitglieder würde sich die Umstellung ebenfalls rechnen, schenkt man der Studie Glauben. Zusatzausgaben von knapp 12 Milliarden Euro für die Gesundheitskosten der Beamten stünden Mehreinnahmen von mehr als 15 Milliarden Euro gegenüber. Der Beitrag in der GKV könnte um 0,34 Prozentpunkte sinken.

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Doch darf den Staatsdienern einfach die Beihilfe gestrichen werden? Hierauf gibt die Bertelsmann-Stiftung keine Antwort."Beamten- und verfassungsrechtliche Fragen, die dabei zu klären wären, wurden nicht untersucht", heißt es zur Studie. "Die Berechnungen berücksichtigen außerdem nicht die für die privat versicherten Beamten bislang angesparten Alterungsrückstellungen in Höhe von circa 72 Milliarden Euro."

Bertelsmann Stiftung

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