Wenn innerhalb der Regierungsparteien Zweifel an der Riester-Rente geäußert wurden, dann bisher nur leise oder von Arbeitnehmer-Vertretern. Doch das hat sich am Freitag grundlegend geändert. CSU-Chef Horst Seehofer holte vor Pressevertretern in München zu einem Rundumschlag gegen die staatlich geförderte Altersvorsorge aus. Seehofer verlangt nicht weniger als die Rückabwicklung sämtlicher Riester-Verträge, immerhin 16 Millionen Stück an der Zahl. Mit diesem Vorstoß dürfte Riester nun endgültig zum Wahlkampfthema bei der kommenden Bundestagswahl werden.

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„Die Hälfte der Bevölkerung landet in der Sozialhilfe“

Wie die Deutsche Presse-Agentur berichtet, will Seehofer weite Teile der Rentenreform unter Gerhard Schröder rückgängig machen. „Riester ist gescheitert“, sagte er bei seiner Rede in München. Die Anfang des letzten Jahrzehntes beschlossene Kürzung des Rentenniveaus werde nach seiner Einschätzung dazu führen, „dass etwa die Hälfte der Bevölkerung in der Sozialhilfe landen würde“. Weil nur 16 Millionen Menschen riestern und die Verträge infolge des Niedrigzinses immer unattraktiver würden, sei zukünftig mit massenhafter Altersarmut zu rechnen.

Die Riester-Reform aus dem Jahr 2001 sah vor, dass die gesetzliche Rente ein niedrigeres Niveau verspricht, um in einer alternden Gesellschaft die Beitragszahler zu entlasten. Stattdessen sollten die Bürger die Lücke mit einer privaten Zusatzrente füllen. Nach Ansicht von Seehofer ist das misslungen. Nicht einmal die Hälfte der Bürger sorge privat vor, da könne man das Niveau der gesetzlichen Rente nicht weiter senken. „Private Vorsorge muss ergänzend sein, nicht ersetzend“, sagte Seehofer.

Bis Mitte Juli soll Konzept für neue Rentenreform vorliegen

Nun will Seehofer eine neue Rentenreform – mit der die gesetzliche Rente wieder gestärkt werden soll. Die Altersbezüge sollen für breite Teile der Bevölkerung wieder erhöht werden, finanziert vermutlich aus einer Anhebung der Steuerzuschüsse. Bayerns Sozialministerin Emilia Müller will bis Ende Juli ein Konzept vorlegen, das dann in die politische Diskussion eingebracht wird. Und in den Bundestagswahlkampf.

Die Rentenreform sieht Seehofer als wichtigen Baustein für die Union, um verloren gegangenes Vertrauen bei den Wählern zurückzugewinnen. Die Volksparteien hätten einst zusammen gut 80 Prozent der Wähler vertreten, derzeit seien es nur noch die Hälfte, sagte Seehofer bei der Eröffnung der neuen CSU-Zentrale in München. Er rechnet mit hartem Widerstand auch aus der eigenen Partei – und schlägt ungewohnt klassenkämpferische Töne an. Die „Neoliberalisierung“ des vorigen Jahrzehnts sei gescheitert, nun müsse auch der „soziale Lungenflügel“ wieder gestärkt werden.

GDV - „Die Riester-Rente ist keineswegs gescheitert“

Auf die Äußerungen von Seehofer reagierte der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) noch am Wochenende mit einer Stellungnahme. „Die Riester-Rente ist keineswegs gescheitert. Es gibt 16 Millionen Verträge seit Einführung 2002! Sie ist und bleibt ein wichtiger Baustein der Ergänzungsvorsorge. Und als solcher war sie auch erfolgreich“, erklärte Dr. Peter Schwark, Mitglied der GDV-Geschäftsführung, in einer am Sonntag veröffentlichten Pressemeldung. Insbesondere für Familien mit unterdurchschnittlichem Einkommen und mehreren Kindern sei Riester hoch attraktiv, erklärte Schwark.

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Das Problem hierbei: Aktuell werde die Riester-Rente voll auf die Grundsicherung der Alterung angerechnet, der Sparanreiz für Geringverdiener sei gering. Deshalb macht sich auch der GDV für Änderungen stark. Die Riester-Förderung müsse dringend an die gestiegenen Einkommen und den höheren Vorsorgebedarf angepasst werden, heißt es in der Pressemeldung. Außerdem soll es einen Freibetrag geben, der nicht auf die Grundsicherung im Alter angerechnet wird. Ein weiterer Reformvorschlag: „Das Riester-Sparen sollte für alle Bevölkerungsgruppen geöffnet werden – also auch für Solo-Selbstständige und Nicht-Erwerbstätige.“ Ob die Politik ob der steigenden Kritik noch mehr Geld in die Riester-Rente stecken wird? Derzeit bläst den Versicherern ein kalter Wind ins Gesicht.

dpa

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