Die Bundesregierung hatte am 4. Oktober 2012 auf dem ersten Demografiegipfel in Berlin einen übergreifenden Dialogprozess zur Gestaltung des demografischen Wandels eingeleitet. Beim zweiten Demografiegipfel am 14. Mai 2013 stellten die einzelnen Arbeitsgruppen Maßnahmen vor, wie künftig mit dem Bevölkerungswandel umgegangen werden kann.

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Merkel setzt auf Zuwanderung

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wies darauf hin, dass sich in Deutschland die Zahl der Menschen im erwerbsfähigen Alter bis 2030 um rund sechs Millionen reduziert. Um die Zuwanderung weiter zu stärken, wünscht sich die Kanzlerin mehr Werbung für ein "offenes Deutschland". „Wir haben im letzten Jahr einen positiven Wanderungssaldo in Höhe von 370.000 gehabt“ so die Kanzlerin.

Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) bremste diesen Eifer: Zuwanderung allein könne die Probleme der Überalterung nicht lösen. Grundsätzlich sollten die Potenziale im Inland und der EU genutzt werden. Doch lässt sich auch europaweit ein Anstieg des Altersquotienten verzeichnen.

Auch Gothaer-Vorstand Görg sprach sich für eine gezielte Förderung der Einwanderung von jungen Arbeitskräften aus. Dafür ist die derzeitige Ausgangssituation allerdings durchaus herausfordernd. Der OECD-Studie „Zuwanderung ausländischer Arbeitskräfte: Deutschland" zu Folge, beträgt die Zahl der Arbeiter, die aus Ländern außerhalb der EU und der Europäischen Freihandelsregion EFTA nach Deutschland kommen, 25.000 pro Jahr (0,2 Prozent der Bevölkerung). Im Vergleich dazu haben Australien, Dänemark, Kanada und Großbritannien fünf bis zehnmal so viele Arbeitsmigranten. Obwohl das Antragssystem in Deutschland tatsächlich geringe Hürden aufweist, wird es im In- und Ausland trotzdem als restriktiv und schwer zugänglich wahrgenommen, so das Urteil der Studie.

Frauen zurück in die Vollzeitbeschäftigung

Glaubt man derzeitigen Prognosen, ist im Jahr 2040 jeder dritte Deutsche 65 Jahre oder älter. Schon in 20 Jahren müssen zwei Arbeitnehmer die Rente von einer Person im Ruhestand finanzieren. Doch sind das nicht allein die Folgen der steigenden Lebenserwartung durch die verbesserte medizinische Versorgung. Zusätzlich hat sich die eigentliche aktive Berufsphase der Erwerbstätigen deutlich verkürzt, da Ausbildung und Studium oft längere Zeit in Anspruch nehmen oder Praktika und Projekte eigentlichen Festanstellungen vorausgehen. Seit Jahren ist die Geburtenrate niedrig.

Der Erfolg von Maßnahmen, um Familie und Beruf zu vereinbaren bzw. die Familie zu stärken, stellt sich nur langsam ein: „Wir haben ein breites Förderinstrumentarium für Familienleistungen. Ob dies effizient genug ist, das ist noch herauszufinden“ räumte Merkel ein. Nach wie vor sind viele Frauen auf dem Arbeitsmarkt nicht erfolgreich integriert. Die Bundeskanzlerin sprach sich explizit dafür aus, dass Frauen Wege zurück in die Vollzeitbeschäftigung finden sollten und nicht dauerhaft in Teilzeit weiter arbeiten. Diese Botschaft sei aber in der Wirtschaft bisher kaum angekommen.

Die finanzielle Versorgung der zunehmend älteren Bevölkerung muss gesamtgesellschaftlich getragen werden. Die Politik hat als Reaktion auf die mangelnde Vorsorge der Deutschen mit der Einführung des Pflege-Bahr ein Signal gesetzt, das zeigt, wie bewusst sie sich der Thematik ist - ausreichend ist dies längst nicht, so Gothaer-Vorstand Görg: „Wer heute meint, die notwendigen grundsätzlichen Reformprozesse weiter in die Zukunft verschieben oder aber mit kleineren Reperaturarbeiten den Schaden begrenzen zu können, handelt fahrlässig, weil er so den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die Bereitschaft zur Solidarität aufs Spiel setzt.“

Gesellschaftlicher und individueller Mentalitätswandel ist erforderlich

Doch wo fängt man an? Die Mehrheit der Bevölkerung lehnt Einschnitte in die Rente oder höhere Rentenbeiträg ebenso ab, wie einen späteren Renteneintritt. Solch unpopuläre Entscheidungen wie die Verlängerung der Lebensarbeitszeit sind nur mit einem breiten politischen Konsens umzusetzen, verdeutlicht Görg. Angesichts der grundlegenden gesellschaftlichen Auswirkungen taugen diese jedoch für die Politiker nicht als Wahlkampfthema - müssten aber dringend umgesetzt werden. Dabei ist die mehrheitliche Ablehnung aus einer gesundheitlichen Perspektive absolut verständlich. Dr. Jörg Brandt, Chefarzt der MEDICA-Klinik in Leipzig, erklärte etwa gegenüber Versicherungsbote, dass aus ärztlicher Sicht die Rente mit 67 Jahren keine kluge Entscheidung ist, im Gegenteil: „Das physische Leistungsvermögen, das ist wissenschaftlich gut belegt, nimmt jenseits des 60. Lebensjahres stark ab“ so der Mediziner. Ein altersgerechtes Erwerbsleben ließe sich mittels eines betrieblichen Gesundheitsmanagements verbessern. In diesem Punkt gäbe es aber derzeit von anderen Ländern viel zu lernen, so Merkel.

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Nach Görgs Auffassung ist nicht nur ein gesellschaftlicher, sondern auch ein individueller Mentalitätswandel geboten: Jeder Einzelne sollte nicht nur seine Ansprüche an die Politik auf den Prüfstand stellen, sondern auch wieder bereit sein, zunächst allein etwas zu leisten, bevor der Staat eintritt. Zeitgleich sollte die familiäre Solidarität wieder in den Vordergrund rücken. Auch führe an einer zusätzlichen kapitalbasierten Alters- und Risikovorsorge kein Weg vorbei.

Bundesregierung; Gothaer

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