Empfindliche Niederlage für die Allianz Versicherung: Das Landgericht Stuttgart erklärte bestimmte Klauseln, die der Versicherungsgigant in seinen Produkten der „Allianz RiesterRente Klassik“ seit 2008 verwendet, für intransparent und unwirksam. Der Versicherer darf sich auch nicht mehr auf die entsprechenden Klauseln berufen. Nach Angaben der Allianz betrifft dies rund 1,3 Millionen Verträge (AZ: 11 O 231/12).

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Vor dem Rechtsstreit hatten die beiden Verbraucherorganisationen BdV und Verbraucherzentrale Hamburg die Allianz per Abmahnung dazu aufgefordert, die klassische Riester-Rente nicht mehr in der derzeitigen Form zu vertreiben. Die Verbraucherschützer erhoben den Vorwurf, dass die Klauseln dem Versicherungsvertragsgesetz widersprechen und Ältere, Kinderreiche sowie Geringverdiener diskriminieren würden. Obwohl der Versicherer seit September 2011 von den Vorwürfen wusste, war er laut Verbraucherzentrale Hamburg nicht dazu bereit, seine Vertragsklauseln zu überarbeiten. „Das hat uns gezwungen zu handeln“, sagte Tobias E. Weissflog, Vorstandsvorsitzender des BdV.

Streitpunkt waren sogenannte Kostenüberschüsse, die das Unternehmen mit seinen Rentenverträgen erwirtschaftet und an denen die Kunden zu beteiligen sind. Kostenüberschüsse entstehen dadurch, dass der Versicherer erst einmal überhöhte Kosten einkalkuliert, diese aber nicht vollständig verbraucht. Bei der Allianz wurden nur diejenigen an diesen Kostenüberschüssen beteiligt, die aus ihren sogenannten Eigenbeiträgen eine Mindestsparsumme von 40.000 Euro erreichen. Speziell für Ältere, Kinderreiche oder Geringverdiener sei dies aber eine zu hohe Hürde, kritisierten die Verbraucherorganisationen. „Vor allem diejenigen, die eigentlich besonders auf die staatlich geförderte Zuschussrente angewiesen sind, hatten also keine Chance diese Kostenüberschüsse zu erhalten“, so BdV-Vorsitzender Weissflog.

Bewusste Täuschung der Kunden bei Ausweisung der Kostenüberschüsse?

Ein weiteres Problem erregte den Ärger der Verbraucherorganisationen: Die große Intransparenz der Verträge. Wenn der Kunde wissen will, wieviel Geld ihm aus den Kostenüberschüssen der Allianz überhaupt zusteht, muss er sich auf eine detektivische Entdeckungsreise begeben. Eine Rekonstruktion der Ansprüche ist nur möglich, wenn der Sparer das Kleingedruckte sowohl in den Verbraucherinformationen als auch in den Versicherungsbedingungen und im Geschäftsbericht der Allianz Lebensversicherung studiert. Doch selbst dann ist versicherungsmathematisches Know How gefragt. Für normale Verbraucher seien die Berechnungen kaum nachvollziehbar.

“Was sich die Allianz hier erlaubte, ist eine besonders krasse Form der Intransparenz“, sind sich BdV und Verbraucherzentrale Hamburg einig. Sie werten die Ausgestaltung der Verträge als bewusste Täuschung des Kunden. Der Verbraucher müsse sieben unterschiedliche Textstellen finden, um überhaupt zu der Erkenntnis zu gelangen, dass die versprochene hälftige Beteiligung an den Kostenüberschüssen nur ab einem Garantiekapital von mindestens 40.000 Euro gezahlt wird.

Diese Intransparenz war es letztendlich, die den Ausschlag für das Urteil gab. Das Landesgericht Stuttgart vertrat die Auffassung, dass die angegriffenen Passagen aus den Allgemeinen Vertragsbedingungen der Riesterverträge intransparent und daher unwirksam seien. Dieses Verbot folge auch aus den Regelungen des UWG, weil der Verbraucher nach Einschätzung des Gerichtes über wesentliche Merkmale des Vertrages getäuscht werde (§§ 3, 5 Abs. 1 Nrn. 1, 3, 8 Abs. 3 Nr. 3).

Allianz will Rechtsmittel gegen das Urteil einlegen

Den Vorwurf der Intransparenz will die Allianz allerdings ebenso wenig auf sich sitzen lassen wie die Behauptung, sie bevorzuge reiche Kunden bei der Ausgestaltung der Verträge. Der Versicherungskonzern hat angekündigt zu prüfen, ob sie Rechtsmittel gegen das Urteil einlegen wird. Für das Unternehmen könnte es noch richtig teuer werden. Bei einem durchschnittlich ausgestalteten Riester-Vertrag habe die Allianz ihren Kunden bis zu 3.500 Euro Kostenüberschüsse vorenthalten, hatte der Versicherungsmathematiker und frühere BdV-Vorsitzende Axel Kleinlein errechnet.

In einer Pressemitteilung betont die Allianz, dass die Stuttgarter Richter keineswegs den Modus der Kostenüberschussbeteiligung beanstandet hätten, sondern das Gericht lediglich bemängelt habe, die Informationen in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen seien nicht detailliert genug. Die ungleiche Verteilung der Kostenüberschüsse sei aber entgegen der Auffassung des Verbraucherschutzes im Einklang mit dem Gesetz erfolgt, das ausdrücklich betont, eine Kostenüberschussbeteiligung müsse „verursacherorientiert“ erfolgen.

Hier beruft sich die Allianz darauf, dass Kunden mit niedrigen Beiträgen von jenen Sparern profitieren, die überdurchschnittlich hohe Beiträge in ihre Rentenverträge einzahlen. Aufgrund der „Großsparer“ würden den Kunden mit kleinen Beiträgen auch niedrigere Kosten für ihre Verträge entstehen. Kostenüberschüsse entstünden daher auch nur bei jenen Verträgen, in denen der Kunde einen überdurchschnittlich hohen Beitrag zahlt. Policen mit kleinen Beiträgen trügen hingegen nicht zu Überschüssen bei. Insofern sei es „fair und verursachungsgerecht, nur diejenigen Kunden an Kostenüberschüssen zu beteiligen, die auch zu den Überschüssen beigetragen haben“, erklärt ein Sprecher der Allianz gegenüber dem Manager Magazin.

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Letztendlich ist zu erwarten, dass der Fall vor dem Bundesgerichtshof landet – auch wegen der großen Zahl der betroffenen Versicherungsnehmer. Sowohl Verbraucherzentrale als auch BdV vermuten ähnliche Vertragsklauseln ebenfalls bei anderen Anbietern.

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