Im Sommer letzten Jahres meldete ich mich bei einem Frauennetzwerk mit dem Schwerpunkt „Business“ an. Statt der versprochenen Bestätigungs-E-Mail zur Aufnahme erhalte ich 8 Monate später die Cosmopolitan. Immerhin, es ist das Business-Special mit „Insiderwissen erfolgreicher Geschäftsfrauen“, die mir ungefragt an meine für das Netzwerk hinterlegte Adresse zugesandt wird. Im Anschreiben wird mir der Grund dafür genannt: Der Anteil von Frauen in Führungspositionen ist in Deutschland noch sehr "homöopathisch". Der naturheilkundliche Zusammenhang will mir da allerdings nicht einleuchten.

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Tipps für Frauen im Business also. Mich strahlt ein Model in beinah knopfloser weißer Bluse und grauem Schlitzrock an. Rechts daneben lese ich: „Nutzen Sie Ihr Kapital - Die optimale Anlagestrategie für jeden Finanztyp“. Klasse, denke ich, das könnte interessant sein und bin gespannt, welche Beratung zu Finanzprodukten die Zeitschrift bereithält.

Zwischen Werbeanzeigen über ein „AgeControl Konzentrat“, die goldene Mastercard - „für Buisnessfrauen, die ihr Leben überall genießen“ und dem Hinweis auf „Brillen Beauty - Welches Make-up am besten zu ihrer Brille passt“ suche ich das Inhaltsverzeichnis. Dabei stolpere ich im Editorial über die Formulierung, wie wir Frauen mit „Statement-Pieces“ im Job „einen starken Eindruck hinterlassen.“ Ich übersetze das grob mit „Stellungnahme-Stückchen“, habe aber als studierte Germanistin keine Ahnung was gemeint ist - und google. Ganz oben auf der Treffer-Liste sind Halsketten. Meine Verwirrung wächst.

Doch gut, denke ich noch, dann mal zu dem, was dich inhaltlich interessiert. Her mit der Finanzberatung, wo und wie ich am besten mein Kapital anlegen kann. Vorfinden muss ich eine Stereotypologisierung, die dem „Antje-Vollmer-Typ“ rät, dass auch Anlagen ohne Öko-Label ethisch unbedenklich sein dürfen. Typ „Madonna“ sollte mit „globalen Anlagestrategien“ System in ihren Vermögensaufbau bringen, der traditionsbewussten mütterlichen Lady - Typ „Adele“ - wird die Riester-Rente nahegelegt. Erklärungen, was welche Finanzanlage ist und welche Rendite sie verspricht - Fehlanzeige.

Plötzlich wundert mich nichts mehr. Gelangweilt blättere ich mich noch durch die Parfümwerbeserie „So duftet Erfolg“ und Anti-Stress-Tipps: Stresshormone können die Bildung von freien Radikalen fördern. Ist total schlecht für den Teint, das Gesicht ist also präventiv und postwendend mit dreimilliarden Cremes, Masken und Lipgloss zu überpinseln. Genau, und mit ihm die eigene Leistung und das Vertrauen in die erarbeiten Fähigkeiten. Eine selbstbewusste Ausstrahlung kann man sich nämlich anziehen, aufsprühen und aufmalen.

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Mag sein, dass meine Mutter mir früher zu oft die Emma zugeschoben hat. Dass kluge Frauen tatsächlich Business-Tipps schreiben (und lesen), die Stilfragen im Job höheren Stellenwert zugestehen, als Qualifikationen und Aufrichtigkeit, kann ich nur schwer verstehen. Doch sollte mich das in einer Gesellschaft nicht erstaunen, in welcher Frauen eine 40- statt einer 50prozentigen Quote fordern oder eine Familienpolitik gestaltet wird, die Kinder und Beruf nicht vereinbaren kann. Im letztgenannten Punkt ist übrigens Frankreich nicht nur modisch besser. Immerhin, diese Finanzanlagetipps und das vermittelte Frauenbild harmonieren wunderbar mit der Aussage eines Sparkassenberaters, der unlängst einer Freundin zur Absicherung im Alter empfahl: „Beginnen Sie, für das Alter vorzusorgen. Mit einem netten Zahnarzt, Neurochirurgen oder Psychologen.“ Vielleicht lieber gleich den Psychologen, mit etwas Glück kann der noch vermitteln, was man alles nicht für den Erfolg im Job braucht.

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