Machen Rentner die private Altersvorsorge und die Produkte der Versicherungswirtschaft kaputt? Dieser Frage sehen sich Produktmanager der Versicherer ausgesetzt. Fakt ist: Die Deutschen werden immer älter. Das unterstreichen aktuelle Schätzungen der UN: So soll sich die Anzahl der Hundertjährigen von derzeit rund 343.000 weltweit bis zum Jahr 2050 auf rund 3,2 Millionen verzehnfachen. In Deutschland leben gegenwärtig laut Statistischem Bundesamt rund 17.000 Einwohner, die bereits ihren 100. Geburtstag gefeiert haben und die Tendenz ist steigend.

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"Menschen und Familien, die ein extrem hohes Alter erreichen, werden in naher Zukunft keine Seltenheit mehr sein," sagt Allianz Expertin Michaela Grimm, Volkswirtin bei Allianz Group Economic Research und Corporate Development. "Durchschnittlich jedes zweite Neugeborene in Deutschland dürfte seinen 100. Geburtstag erleben", so Grimm. Allein bei der Allianz Leben erhalten heute bereits mehr als 105.000 Kunden, die über 85 Jahre alt sind, eine regelmäßige private Altersrente. Rund 635 Rentenempfänger sind sogar hundert Jahre oder älter.

Banken und Versicherungen müssen auf demografischen Wandel reagieren und ihre Finanzprodukte anpassen

Die Frage für zukünftige Rentner ist: Reicht das zu erwartende Einkommen aus den diversen Quellen wie gesetzlicher, betrieblicher und privater Rente später aus, um den individuellen Lebensstandard im Alter zu sichern. Für die Versicherer ist dies Chance und Risiko zugleich. Bei aktuellen Niedrigzinsen und dem Rekordtief des Garantiezinses in der Lebensversicherung scheint es nicht verwunderlich, dass offen über das Aus des Modells Lebensversicherung diskutiert wird. Deshalb sind viele Produktmanager auf der Suche nach sinnvollen Alternativen zu den altgedienten Produkten.

Doch dies gestaltet sich gerade mit dem Hintergrund der Überalterung der Bevölkerung schwierig. Schließlich müssten neue Produkte in Zukunft unter Umständen Rentenempfänger mit alten Verträgen quersubventionieren. Mit der Kombination aus anhaltend niedrigen Zinsen und Richtung Null tendierenden Einzahlern könnten die Altverträge gar zum Boomerang werden.

Doch gerade das Alter könnte, bei der Entwicklung neuer Versicherungsmodelle, zum Zünglein an der Waage werden. Heute gehen Mathematiker der deutschen Versicherungswirtschaft davon aus, dass ein im Jahr 2011 geborenes Mädchen im Durchschnitt 102 Jahre alt wird. Dabei berufen sich die Versicherer auf die eigenen Sterbetafeln. Diese dienen zur Ermittlung der wahrscheinlichen Lebenserwartung eines Geburtsjahrgangs. Wird das im Jahr 2011 geborene Mädchen nicht 102, sondern älter, muss der Versicherer die garantierte Rente dennoch zahlen können.

Doch genau hier sitzen die Experten in der Zwickmühle. Kalkuliert die Versicherung mit zu kurzen Lebenserwartungen, droht die Pleite. Wird der Tarif dagegen mit zu langen Lebenserwartungen gerechnet, steigt der Beitrag und damit sinkt die Attraktivität am Markt.

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Wie soll das Produkt der Zukunft aussehen? Für den Verbraucher ist die Lösung ganz einfach. Es muss sicher und in höchstem Maße flexibel sein. Dabei soll die Altersvorsorge eine gute Rendite erwirtschaften - also eine Eier legende Wollmilchsau. Für die Versicherungswirtschaft gilt es, den Spagat aus dieser Kombination zu finden und gleichzeitig die Komponenten betriebliche Altersvorsorge, staatliche Förderung und private Altersvorsorge unter einen Hut zu bringen. Hier bedarf es, neben einer gehörigen Portion an Mut und Kreativität, unter Umständen auch dem Dialog mit der Politik, um zukünftige Operationen am offenen Herzen - siehe Riester-Rente - zu vermeiden.

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