Dem jetzigen Rentenpaket ging ein langer Streit Ursula von der Leyens mit dem Koalitionspartner und ihren Kabinettskollegen voraus. Bereits im März hatte die Arbeitsministerin einen ersten Gesetzentwurf präsentiert (der Versicherungsbote berichtete). Er musste aber aufgrund massiver Kritik von der FDP und Arbeitgeberverbänden noch einmal überarbeitet werden. Vor allem die hohen Kosten der Zuschussrente sorgten für Unmut. Laut Schätzungen sollen schon im Jahr 2030 1,4 Millionen Menschen bezugsberechtigt sein, der Bund muss dann zusätzlich 3,24 Milliarden Euro im Jahr berappen. Mit ihrem Reformvorhaben hat es die Arbeitsministerin nun eilig: Schon Ende August wird das Bundeskabinett über den neuen Gesetzentwurf entscheiden.

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Auf welche Änderungen müssen sich die Bundesbürger einstellen? Die wichtigsten Eckpunkte des Gesetzentwurfes im Detail:

  • Rentenzuschüsse für Geringverdiener: Geringverdiener sollen zukünftig eine Aufstockung ihrer Grundsicherung im Alter auf 850 Euro erhalten. Hierfür müssen mehrere Bedingungen erfüllt sein:

    1. Wer aus dem Arbeitsleben ausscheidet, muss mindestens 30 Jahre lang Rentenbeiträge gezahlt haben und 40 Versicherungsjahre in der Rentenversicherung nachweisen können. Als Versicherungsjahre gelten auch Ausbildungs- und Wehrdienstzeiten sowie Krankheit und Arbeitslosigkeit. Ab 2018 gelten verschärfte Anforderungen: Dann sind 35 Beitragsjahre sowie 45 Versicherungsjahre Bedingung.
    2. Riestern wird für die Zuschussrentner Pflicht! Denn Rentner müssen für die Aufstockung ihrer Bezüge nachweisen, mit einem Riester-Vertrag oder einer anderen Rentenversicherung privat vorgesorgt zu haben. Auch hierfür ist eine Mindestdauer vorgesehen: Nur wer mindestens 35 Jahre riestert, hat Anspruch auf den Rentenzuschuss. Für die ersten 10 Jahre sind allerdings Übergangsfristen vorgesehen.
    3. Nachgebessert hat das Arbeitsministerium bei der Anerkennung von Kindererziehung und Pflegezeiten: Sie werden stärker berücksichtigt. Das Bundesarbeitsministerium spricht von einer „familienbetonten“ Hochwertung bei der Zuschussrente, d.h., die Beitragszeiten von Geringverdienern mit Zeiten der Kindererziehung oder Pflege werden um 150 Prozent hochgewertet und die Beitragszeiten von Geringverdienern ohne solche Zeiten lediglich um 50 Prozent.

  • Bessere Zurechnungszeiten für Erwerbsminderungsrenten: Wer aufgrund einer Behinderung oder Krankheit nur eingeschränkt erwerbsfähig ist, hat in Deutschland Anrecht auf eine Erwerbsminderungsrente. Bisher werden Empfänger von Erwerbsminderungsrenten so gestellt wie Arbeitnehmer, die bis zum 60. Lebensjahr gearbeitet und in die Rentenversicherung eingezahlt haben. Diese Grenze soll nun schrittweise auf 62 Jahre erhöht werden, so dass Erwerbsgeminderte so gestellt werden, als hätten sie mit dem bisherigen Einkommen zwei Jahre länger gearbeitet. Dadurch will das Arbeitsministerium eine Erhöhung der Erwerbsminderungsrente bewirken. Entsprechendes gilt für Hinterbliebenenrenten.

  • Erhöhung der Hinzuverdienstgrenzen für Frührentner: Zudem sieht der Gesetzentwurf vor, die Hinzuverdienstgrenze für Frührentner zu ändern. Derzeit dürfen diese lediglich 400 Euro ohne Abschläge dazuverdienen. Bei höheren Einkünften verringert sich die Rente dementsprechend. Geplant ist nun, die Grenze auf die Höhe des früheren Nettolohns anzuheben. Individuelle Zuverdienstgrenzen würden dann die bisherigen starren ersetzen. Die Obergrenze soll sich am höchsten Jahresbruttoeinkommen in den 15 Jahren vor Renteneintritt bemessen.

Beitragssenkung kommt „ohne Wenn und Aber“

Ursula von der Leyen zeigte sich gestern vor der Presse zuversichtlich, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer ab 2013 weniger Bruttolohn an die Rentenkasse zahlen müssen. Die Senkung des Rentenversicherungs-Beitragssatzes von 19,6 auf rund 19 Prozent komme „ohne Wenn und Aber“, sagte die Bundesarbeitsministerin. Die Sozialkassen sind derzeit gut gefüllt und eine Senkung ist sogar gesetzlich vorgeschrieben, wenn die Reserve anderthalb Monatsausgaben erreicht hat. Es waren jedoch im Vorfeld Forderungen laut geworden darauf zu verzichten, um das Rentenniveau stabil zu halten.

Unvermindert Kritik an Rentenplänen

Die Kritik an Ursula von der Leyens Rentenpaket hält jedoch unvermindert an. Nicht nur Oppositionsparteien und Sozialverbände äußerten sich kritisch, auch der Koalitionspartner lehnt die Pläne weiterhin ab. Das Bundeswirtschaftsministerium bekräftigte sein Nein gegen den Entwurf wegen „erheblicher finanzieller und ordnungspolitischer Bedenken“, wie die „Ruhr Nachrichten“ (Donnerstag) berichten. Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) legte laut einem Bericht der „Welt“ sogar Einspruch gegen das Gesetzpaket ein, da er die Beratungsfristen für zu kurz halte.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) warf der Ministerin vor, Altersarmut zu fördern statt sie zu bekämpfen. Es sei unverantwortlich, die Rücklagen der Rentenversicherung aufzubrauchen, sagte DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach der „Berliner Zeitung“. Die geplante Zuschussrente bezeichnete sie als weitestgehend wirkungslos.

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Als „Sozialhilfe Plus“ geißelte der paritätische Wohlfahrtsverband die Pläne für eine Zuschussrente. Die Hürden zur Erlangung seien so hoch gelegt, dass die neue Leistung schon jetzt absehbar ins Leere laufen muss und an der Lebenswirklichkeit der von Altersarmut Bedrohten deutlich vorbei gehe. "Nach dem Bildungs- und Teilhabepaket scheint sich hier der nächste Flop aus dem Arbeitsministerium anzubahnen", warnt Hauptgeschäftsführer Ulrich Schneider.

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