Frank Roth ist Leiter der Unternehmenskommunikation bei ERGO Direkt Versicherungen. Nach seinem Studium der Betriebswirtschaftslehre in Saarbrücken und Paderborn war er zunächst Ressortleiter Marketing und Marken sowie stellvertretender Chefredakteur beim Medien- und Werbefachblatt "Horizont" in Frankfurt bevor er 2008 zu Deutschlands meistgewähltem Direktversicherer ins fränkische Fürth wechselte.

Ergo Direkt hat ca. 1.400 Follower auf Twitter, ca. 12.200 Fans bei Facebook und 332 in den Kreisen Anderer bei Google Plus. Ergo hat dagegen nur knapp 3.600 Fans bei Facebook. Wie erklären Sie sich diesen großen Vorsprung zum Mutterkonzern?

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Im Grunde ist dies nur ein zeitlicher Vorsprung, denn ERGO Direkt ist bereits im April 2010 auf Facebook und Twitter gestartet. ERGO ist nach uns in die sozialen Netzwerke gegangen, deswegen (noch) dieser zahlenmäßige Unterschied.

Ergo Direkt ist eine der besser aufgestellten Versicherungen im Bereich Social Media. Andere Anbieter haben deutlich weniger Zuspruch. Warum diese offensive Arbeit in Sachen Social Media? Was machen Sie möglicherweise besser als Ihre Konkurrenz?

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Für uns ist diese Arbeit nicht offensiv, sondern einfach selbstverständlich für die Kommunikation mit Kunden und Interessenten. Als Direktversicherer haben wir keinen Außendienst und können somit nicht mit dem persönlichen Berater vor Ort punkten, allerdings können uns die sozialen Netzwerke dabei helfen, unser Unternehmen bei Nutzern und Kunden zu jeder Zeit erlebbar zu machen. Und erlebbar sind wir für unsere Fans und Follower, wenn wir verständliche und interessant aufbereitete Inhalte auf Facebook und Co. posten, schnell reagieren, dem Ganzen eine Prise Spiel und Spaß hinzufügen und echte Gespräche mit echten Menschen führen.

Social Media: "Versicherungen sind nicht sexy!"

Im Vergleich zu anderen Branchen haben es die Versicherer schwerer, in Deutschland über Social-Media-Netzwerke Interessenten zu erreichen. Laut einer aktuellen Studie der Fachhochschule Kaiserslautern liegt die Zahl der Fans und Follower bei Twitter und Facebook oftmals nur im dreistelligen bis vierstelligen Bereich, während beispielsweise selbst ein Einzelhandelsunternehmen wie Rossmann fast 185.000 Fans bei Facebook zählt. Warum tut sich die Assekuranz in Deutschland mit Social Media so schwer?

Machen wir uns nichts vor, Versicherungen sind nicht sexy. Risiken, Krankheiten, Unfälle oder gar Tod sind nicht unbedingt Themen, die Nutzer in den sozialen Netzwerken lesen wollen. Da müssen wir als Versicherer erst einmal eine große Hemmschwelle überwinden. Die Assekuranz muss sich also genau darüber Gedanken machen, welche Inhalte wirklich für Nutzer interessant sein könnten und sie langfristig begeistern.

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Die Hauptmotivation der bereits umgesetzten Social-Media-Initiativen liegt bei Versicherern laut einer aktuellen Umfrage der Unternehmensberatung „Formation“ in den Bereichen „Personalmarketing“, „Weiterbildung und E-Learning“ sowie „Außendarstellung aus Reputationsgründen“. Sind dies auch die Ziele der Ergo Direkt?

Die Motivation und Ziele, die Versicherer und damit eigentlich jedes Unternehmen im Social Web haben, sind leider nur eine Seite, die diese Untersuchungen betrachten. Oft fehlt die Beantwortung der Frage, welche Wünsche Nutzer an den Social Media Auftritt eines Unternehmens haben. Wenn man das einmal gegenüberstellt, wird schnell klar, warum Fans und Follower wegbleiben. Aus diesem Grund denken wir bei jeder unserer Social Media Aktivitäten immer zuerst aus Nutzersicht und fragen uns: Was findet der Nutzer interessant und zu welchen dieser Themen können wir als Unternehmen wirklich etwas beisteuern?

Mit Blick auf den Kunden wird Social Media (Facebook, Twitter, Xing, Blogs etc.) in der deutschen Versicherungswirtschaft vornehmlich auf Werbung oder Marketing reduziert. Dabei würden 3/4 der Befragten selbst Social Media-Plattformen heranziehen, um sich über Produkte zu informieren oder um technische Problemstellungen zu lösen – auch dies ergab die Umfrage der Unternehmensberatung. Gibt es Konzepte dieses Potenzial zu nutzen?

Wie erwähnt, ist uns der Kundenblick der Allerwichtigste. Daher sind bei uns Aktivitäten, die das Informationsbedürfnis der Nutzer über unsere Tarife und Produkte auf Social Media in den Vordergrund rücken, schon früh angegangen worden. So haben wir zum Beispiel einen Rechner für unsere Zahnzusatztarife auf Facebook integriert, die Integration unseres Kundenservices in die Social Media Kanäle ist in vollem Gange und wir haben einen wichtigen Fokus auf das mobile Informations- aber auch Servicebedürfnis der Nutzer gelegt. Denn Social Media ist mit der mobilen Kommunikation von überall und zu jedem Zeitpunkt eng verknüpft.

Die Kunden wünschen sich einfache und verständliche Erklärungen für Versicherungsprodukte. „Ergo“ hat diesen Wunsch zum Teil einer großen Kampagne gemacht. Welche Möglichkeiten bieten sich den Unternehmen hierbei speziell bei der Nutzung von sozialen Netzwerken?

In sozialen Netzwerken können Sie gar nicht anders als einfach und verständlich zu kommunizieren, Sie werden quasi dazu gezwungen. Eine aussagekräftige 140-Zeichen-Antwort auf Twitter ist für einen Versicherer eine echte Herausforderung. Aber, wenn Sie es einmal versucht haben, merken Sie schnell, dass es funktioniert.

Social Media: "Versicherungen sind nicht sexy!"

Laut Umfragen beziehen mehr als 85% aller Befragten Empfehlungen und Bewertungen anderer Nutzer in ihren Entscheidungsprozess mit ein (im Onlinehandel liegt die Prozentzahl bei über 90%). Gibt es Überlegungen Versicherungsprodukte mit gängigen Bewertungsportalen (ekomi, Ciao oder dooyoo) zu verknüpfen?

Wir bieten zum Beispiel schon auf www.amazon.de für technische Geräte eine Garantieverlängerung bzw. einen Geräteschutz an. Die Bewertungen sind hier natürlich ganz entscheidend für den Erfolg eines Produkts. Wir machen mit dieser Kooperation sehr gute Erfahrungen, denn wir bekommen wertvolles Kundenfeedback für Produkt- oder Serviceverbesserungen, die wir in vielen Fällen bereits umsetzen konnten. Die Integration von Produktbewertungsportalen auf ergodirekt.de ist für uns daher nur noch eine Frage der Zeit.

Im August vergangenen Jahres hatten die sozialen Netzwerke der Ergo nach Bekanntwerden der Incentive-Skandale akute Probleme mit einem sogenannten „Shitstorm“: User haben ihren Unmut auch auf den Social-Media-Seiten formuliert, indem sie unzählige negative Kommentare posteten. Wie sieht das Krisenmanagement bei Ergo direkt in solch einem Fall aus? Wie sollten Unternehmen allgemein mit negativen Rückmeldungen auf Social-Media-Portalen umgehen?

Die negativen Kommentare auf den Social Media Kanälen von ERGO Direkt waren durch den Incentive-Skandal unserer Konzernmutter ERGO überschaubar. Wir haben also diesen „Shitstorm“ in keiner Weise erlebt. Dennoch haben wir bei negativen Kommentaren sofort die Sachlage klargestellt und damit relativ schnell eine beginnende Diskussion auf unseren Seiten aufhalten können. Uns ist aber klar, dass der Ernstfall jederzeit eintreten könnte. Negative Rückmeldungen sollten jedoch immer im Kontext des Absenders, des Inhalts und der möglichen Weiterverbreitung gesehen werden. Nicht jeder negative Kommentar hat das Potenzial einen „Shitstorm“ auszulösen. Daher ist Beobachtung und Bewertung das Wichtigste im Kommunikations-Krisenmanagement. Wird es aber einmal ernst, dann sind Schnelligkeit, eine persönliche Ansprache und eine klare und möglichst abschließende Kommunikation entscheidend. Und dazu gehört auch, dass Fehler eingeräumt werden müssen, wenn sie tatsächlich passiert sind.

Gibt es für die Zukunft größere Projekte im Bereich Social Media?

Wir widmen uns derzeit stark dem Thema Community Management, um unseren Kundenservice noch näher an unsere Social Media Kanäle anzubinden. Daneben arbeiten wir auch daran, die Mechanismen der sozialen Medien für ein internes soziales Netzwerk für unsere Mitarbeiter zu nutzen.

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Gibt es eine Social-Media-Guideline bei Ergo Direkt? Eine Art Leitfaden, was die Mitarbeiter des Unternehmens bei Social-Media-Nutzung äußern dürfen und was nicht?

Ja, es gibt bei ERGO Direkt seit Mitte 2010 einen Social Media Leitfaden für alle Mitarbeiter.


Wir bedanken uns recht herzlich für das Interview!

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